
Erst sind quietschende Reifen zu hören. Dann rauscht ein Wagen mit rund 100 Stundenkilometern vorbei. Dabei sind 70 Sachen an dieser Stelle zwischen Kerbfeld und Lendershausen eigentlich schon zu viel. Denn gleich kommt eine T-Kreuzung, bei der man links oder rechts abbiegen und deshalb bremsen muss. Bei dem Überholmanöver gerät der Raser linkerhand ins Bankett, kann aber sein Fahrzeug gerade noch auf der Fahrbahn halten. Dann ist die Straße zu Ende.
Der Pkw landet in einem Graben, kracht gegen einen Gartenzaun (Schaden: 2000 Euro) und bleibt schließlich an einem Telefonmast hängen. Die Beifahrerin wird bei dem Unfall schwer verletzt. Später stellt sich heraus, dass sie sich die Wirbelsäule an mehreren Stellen gebrochen hat. Sie kommt auf die Intensivstation, muss elf Tage im Krankenhaus bleiben und hat bis heute Schmerzen. Der Hund des Rasers überlebt den Aufprall nicht. Die Insassen des Pkw waren gerade auf dem Weg zum Tierarzt, um den Vierbeiner einschläfern zu lassen.
Trotz Unfall und Verletzter versucht, den Pkw neu zu starten
Als eine Frau dem 40-jährigen Fahrer an der Unfallstelle helfen will, will dieser davon nichts wissen. Immer wieder schließt er die Autotür, versucht sogar, den Pkw wieder zu starten. Das Schicksal der Beifahrerin, die vor Schmerzen schreit, seiner ehemaligen Lebensgefährtin, die er über Jahre hinweg misshandelt haben soll, lässt ihn offenkundig kalt. Der blutverschmierte Raser nimmt den weiteren Insassen, seinen erwachsenen Sohn, bei der Hand. Gemeinsam flüchten die beiden Verletzten ins nahegelegene Dorf.
Weil Pfingstsonntag und schönes Wetter ist, sind zahlreiche Motorradfahrer unterwegs. Unter ihnen auch ein Polizeibeamter aus Suhl, der eigentlich nicht im Dienst ist. Er nimmt trotzdem die Verfolgung auf. "Da oben im Feld ist ein Knie" ist das Zeichen, dass er den Flüchtigen gefunden hat. Den Sohn zieht man hinter einem Altkleider-Container hervor.
Unfälle, Fahrten ohne Führerschein, aber mit Alkohol
So stellten sich die Geschehnisse rund um den Verkehrsunfall eines 40-jährigen Mannes aus dem Landkreis Haßberge den Zuhörerinnen und Zuhörern vor dem Amtsgericht Bamberg dar. Und es war nicht der erste Unfall des Rasers, wie aus der Gerichtsverhandlung hervorging. Schon als junger Mann brach er sich im Straßenverkehr das Genick, überlebte nur durch Zufall. Im Januar vergangenen Jahres rammte er mit seinem Lkw eine Wand und ein Garagentor, als er aus einer Hofeinfahrt in Hofheim rangierte. Obwohl er den Aufprall bemerkte und sich den Schaden am Gebäude (rund 2200 Euro) ansah, stieg er anschließend in sein Fahrzeug und fuhr einfach nach Hause.
Mitunter saß der Angeklagte auch hinter dem Steuer, obwohl er gar keinen Führerschein mehr hatte, wie vor Gericht weiterhin berichtet wurde. Etwa wenn er als Bewährungsauflage seine Sozialstunden bei der Caritas ableisten musste. Oder er trank erst einmal einen Wodka, bevor er sich ans Steuer setzte.
Vorfall mit einem Bekannten aus der Drogenszene
Ungeklärt blieb vor Gericht hingegen, ob der Angeklagte einen alten Bekannten aus der Drogenszene eines Nachts besucht hatte, um Schulden einzutreiben. Dabei soll dessen mitten in Hofheim geparktes Auto demoliert worden sein. Schaden: rund 1500 Euro. Außerdem war von zwei Schüssen mit einer Softair-Pistole die Rede, die den Schuldner am Hals und am Oberarm getroffen haben sollen.
Nur dass die menschliche Zielscheibe vor dem Amtsgericht Bamberg plötzlich behauptete, den Angeklagten am Tatort gar nicht gesehen zu haben. Bei der Polizei hatte sich das noch ganz anders angehört. Dieser Anklagepunkt wurde ebenso eingestellt wie der des illegalen Besitzes von Munition, die der Angeklagte angeblich auf einem Schrottplatz gefunden haben will.
Eingestellt wurde auch die Beleidigung mehrerer Polizisten als "Penner", "Stricher" und "Affen", die sich daran aber gar nicht mehr erinnern können. Auch der Besitz von fast 50 Gramm Marihuana zum Selbstrauchen schaffte es nicht bis ins Urteil. Dafür aber 82 Ecstasy-Tabletten, die man bei dem Angeklagten zu Hause gefunden hatte. Staatsanwalt Johannes Degel ging von einer Handelsmenge aus.
Eine Haftstrafe von 14 Monaten, plus wohl 22 weitere
Am Ende verurteilte Strafrichterin Alicia Friedmann den Angeklagten wegen mehrerer Unfallfluchten, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, aber unter Einfluss von Alkohol und Arzneimitteln, fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, Drogenhandels und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Haftstrafe von 14 Monaten. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Außerdem wird der Angeklagte in einem Bezirksklinikum untergebracht, weil er ein Suchtproblem mit Alkohol und Medikamenten hat. Zeit für die etwa eineinhalbjährige Therapie hat er, da aller Voraussicht nach seine Bewährung widerrufen wird. Dann kommen noch einmal 22 Monate Freiheitsstrafe wegen einer Brandstiftung im November 2020 an einem Fahrzeug in einem Carport in Aidhausen hinzu.