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"So schlimm war's noch nie": Frostnächte im April haben das Abt-Degen-Weintal hart getroffen
Die Winzer Roger Nüßlein aus Zeil und Max Martin aus Ziegelanger blicken sorgenvoll auf die diesjährige Ernte. So ist die Lage in den hiesigen Weinbergen.
Winzer Roger Nüßlein kontrolliert die Rebstöcke in seinem Weinberg auf Schäden. Drei Frostnächte Mitte April haben den Rebstöcken deutschlandweit, aber vor allem auch im Abt-Degen-Weintal stark zugesetzt.
Foto: Pia Bayer | Winzer Roger Nüßlein kontrolliert die Rebstöcke in seinem Weinberg auf Schäden. Drei Frostnächte Mitte April haben den Rebstöcken deutschlandweit, aber vor allem auch im Abt-Degen-Weintal stark zugesetzt.
Pia Marion Bayer
 |  aktualisiert: 08.05.2024 02:50 Uhr

Da kommt doch noch was", freut sich Roger Nüßlein über den zweiten Austrieb an einer Rebe und atmet sichtlich erleichtert aus. Seit vier Tagen steht er zum ersten Mal wieder in diesem Abschnitt seiner Weinberge im Eulengrund zwischen Ziegelanger und Zeil. Mit jedem Fleck frischen Grüns keimt dabei auch seine Hoffnung – dass zumindest ein Teil der Ernte für das Weinjahr 2024 doch noch zu retten ist. Allerdings: "In den Zeiler Weinbergen haben wir vor allem in den unteren zwei Zügen fast Totalausfall", sagt er.

Nüßlein besitzt rund acht Hektar Rebfläche und zählt damit zu den großen Winzern im Abt-Degen-Weintal. Er sei "wahnsinnig erschrocken", als er nach der ersten Frostnacht in die Weinberge gefahren ist, erzählt Nüßlein. Dann fügt er hinzu: "Selbst mein Vater, der nächste Woche 84 wird und seit einem dreiviertel Jahrhundert in den Weinbergen steht, hat so ein Schadbild noch nie gesehen."

Nächte mit Temperaturen von bis zu -3,5 Grad

"So schlimm wie's ist, so flächenverteilt, war's noch nie", bestätigt auch Nüßleins Winzerkollege Max Martin aus Ziegelanger. "Man geht raus, man sieht's und fühlt sich wie vor den Kopf gestoßen", beschreibt er seine Gefühlslage nach der ersten Frostnacht. Nach der zweiten Frostnacht postete er auf Facebook: "KATASTROPHE – die letzten beiden Nächte brachten uns Temperaturen von bis zu -3,5 Grad. Für die jungen Weintriebe war das zu viel. Ein Teil unserer Reben ist zu 100 Prozent erfroren." Rund 50 bis 80 Prozent seiner Ernte für 2024 würden ausfallen, lautet seine erste Schätzung, "bei gleichem Aufwand, eigentlich sogar höherem".

Winzer Max Martin biegt eine Frostrute nach unten, die überlebt hat.
Foto: Pia Bayer | Winzer Max Martin biegt eine Frostrute nach unten, die überlebt hat.

Mit einigen Tagen Abstand blickt Martin der Weinernte 2024 zumindest wieder ein bisschen positiver entgegen. "Zum Glück hat's uns nur teilweise erwischt", sagt er. "In den oberen Lagen sieht es etwas besser aus." Martin geht einen Weinberg zwischen Ziegelanger und Steinbach wenige Schritte hinauf. Dann deutet er auf zahlreiche braune Blätter an einer Rute, die einen Draht entlanggebogen ist. "Alles erfroren." Eine weitere Rute des gleichen Rebstocks dagegen streckt sich – mit grünen Blättern – dem Himmel entgegen. "Die Frostruten stehen noch", erklärt der Winzer und spricht dabei zum zweiten Mal innerhalb weniger Sätze von "Glück".

Lagen besonders betroffen, die eigentlich gut bei Frost sind

Anders bei Roger Nüßlein. "Wir hatten keine Frostruten, insofern trifft es uns jetzt noch härter", sagt er und fügt sogleich an: "Wo massiver Frost war, sehen die Frostruten aber auch schlecht aus." Den Steilhang zwischen Zeil und Ziegelanger, an dem etliche seiner Rebstöcke stehen, hat der Frost besonders hart getroffen.

Blätter eines Weinstocks zerfallen bei leichter Berührung. Die ersten Austriebe vieler Weinstöcke sind erfroren.
Foto: Pia Bayer | Blätter eines Weinstocks zerfallen bei leichter Berührung. Die ersten Austriebe vieler Weinstöcke sind erfroren.

Dabei waren gerade die Steilhänge in den vergangenen Jahren Symbol für anstrengendere, aber auch stabilere Bewirtschaftung im Weinbau. Heuer allerdings ist alles anders: "Die Lagen, die normalerweise gut bei Frost sind, hat's dieses Jahr besonders erwischt", so Nüßlein. Unterschiede gebe es dabei – teils auch ganz punktuell – je nach Lage, Rebsorte und auch Alter der Rebstöcke.

Braun kräuseln sich erfrorene Blätter an einem Weinstock. Daneben nährt ein kleiner zweiter Austrieb in Grün die Hoffnung, dass zumindest ein Teil der Weinernte 2024 noch nicht verloren ist.
Foto: Pia Bayer | Braun kräuseln sich erfrorene Blätter an einem Weinstock. Daneben nährt ein kleiner zweiter Austrieb in Grün die Hoffnung, dass zumindest ein Teil der Weinernte 2024 noch nicht verloren ist.

Dass sich das Schadbild regional stark unterscheidet, bestätigt auch Michael Bock vom Fränkischen Weinbauverband. "Ungefähr 50 Prozent der Flächen sind betroffen, die Schäden variieren dabei zwischen zehn und 100 Prozent", teilt er mit. Verstärkt habe es vor allem die Randgebiete betroffen, sagt er weiter und meint damit den Steigerwald und eben auch das Abt-Degen-Weintal. Die Rebstöcke in der Mainschleife dagegen, die normalerweise frostanfälliger sind, scheinen diesmal kaum Schaden genommen zu haben.

"Trotz der Klimaerwärmung steigt die Frostgefahr"

"Das war kein Inversionsfrost, sondern Windfrost", ist sich Roger Nüßlein deshalb sicher. Soll heißen: Die kalte Luft sank nicht – wie eigentlich üblich – in tiefere Lagen, sodass Reben an den Steilhängen von wenigen, aber oft doch entscheidenden Grad Celsius mehr profitieren konnten, sondern Windströme verteilten die frostige Luft. Laut Nüßlein allerdings nicht das einzige Problem, das zu den enormen Schäden beigetragen hat.

Hinzugekommen nämlich ist, dass es tags zuvor auch noch geschneit hat. "Trockene Luft kann der Rebstock mehr ab als feuchte." Zudem sei auch der Austrieb in diesem Jahr rund vier Wochen früher als normal erfolgt. "Der Fruchtaustrieb ist das Erste, was der Weinstock hervorbringt." Das Paradoxe für ihn dabei: "Trotz der Klimaerwärmung steigt die Frostgefahr."

"Jetzt ist die Ernte 2024 betroffen", erklärt Roger Nüßlein abschließend. Dann wird er deutlich: "Wenn jetzt noch einmal ein Frost kommt in die nachaustreibenden Reben, dann sind die Weinstöcke komplett in Gefahr." Und damit auch die Weinernte für die kommenden Jahre.

 
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  • Roland Albert
    Die Natur regelt die Überproduktion.
    Der gierige Mensch schafft das seit langem nicht mehr…
    Dann gibts halt dieses Jahr kein neues Equipment…
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