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Ebelsbach
Schwimmkurse beim Heizungsbauer? Warum Kinder im Ebelsbacher Gewerbegebiet ihr Seepferdchen machen können
Seit kurzem lernen 24 Kinder beim Unternehmen MR Heizungsbau und Frankenpools im Ebelsbacher Gewerbegebiet zu schwimmen. Was hinter der Aktion steckt.
Die sechsjährige Amy aus Bamberg hüpft mutig ins Becken.
Foto: Johanna Heim | Die sechsjährige Amy aus Bamberg hüpft mutig ins Becken.
Johanna Heim
 |  aktualisiert: 25.07.2024 02:48 Uhr

Wer an der Lohwiese in Ebelsbach unterwegs ist, der ist vermutlich auf dem Weg zum Wocheneinkauf bei Aldi, lässt in der Werkstatt die Straße hinunter sein Auto reparieren oder ertüchtigt sich im örtlichen Fitnessstudio. Kaum einer vermutet wohl, dass einige Meter weiter gerade ein Schwimmkurs stattfindet – mitten im Gewerbegebiet.

Seit kurzem liefern Mamas und Papas an den Nachmittagen ihre Schützlinge auf dem Firmengelände von MR Heizungsbau und Frankenpools ab. Dort, direkt neben dem Gebäude der Sanitärinstallationsfirma, glitzert das Wasser der drei Ausstellungspools in der Sonne. An diesem heißen Julinachmittag planschen Collin, Amy, Dario, Leonard, Frederik und Tim im hintersten Becken.

Geschäftsführer Patrick Reinwand überlegt derzeit, noch weitere Kurse anzubieten. Die Nachfrage sei groß.
Foto: Johanna Heim | Geschäftsführer Patrick Reinwand überlegt derzeit, noch weitere Kurse anzubieten. Die Nachfrage sei groß.

Die Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren lernen hier, wie sie sich sicher im Wasser fortbewegen – und können am Ende des Kurses ihr Seepferdchen machen. Dass so ein Kurs auf dem Gelände eines Unternehmens und nicht im Hallenbad stattfindet, ist ungewöhnlich. Wie kommt's?

"Zusammen mit dem Poolhersteller 'desjoyaux' bieten wir die Schwimmkurse an", erklärt Patrick Reinwand, Eigentümer und Geschäftsführer des Familienunternehmens, die Idee dahinter. Der Hersteller, dessen Pools Reinwand vertreibt, will mit der Aktion 5000 Kinder fit fürs Wasser machen. Und damit dem Trend entgegenwirken, dass immer weniger Kinder schwimmen können. Diese Entwicklung belegt auch eine forsa-Studie aus dem Jahr 2022, die die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Auftrag gegeben hat.

Jedes fünfte Grundschulkind kann nicht schwimmen

Im Vergleich zu einer Erhebung aus dem Jahr 2017 habe sich die Zahl der Grundschulkinder in Deutschland, die nicht schwimmen können, verdoppelt, heißt es darin. Damals konnte den Angaben der Eltern nach jedes zehnte Kind zwischen sechs und zehn Jahren nicht schwimmen. Und 2022 war es dann schon jedes fünfte Grundschulkind. Deutschlandweit ertranken im vergangenen Jahr laut DLRG 378 Personen – und damit 23 mehr als im Jahr zuvor. Darunter befanden sich auch 16 Kinder im Alter bis zehn Jahre.

Schwimmlehrer Peter Kröner übt mit dem fünfjährigen Dario das Schwimmen.
Foto: Johanna Heim | Schwimmlehrer Peter Kröner übt mit dem fünfjährigen Dario das Schwimmen.

Neben Ebelsbach finden derzeit an zwölf weiteren Partnerstandorten in Deutschland kostenlose Schwimmkurse für Kinder statt. Reinwand kann seine Pools nun also nicht nur zur Ausstellung nutzen, sondern auch für einen guten Zweck. Beworben hat er die Aktion in den sozialen Medien, interessierte Eltern konnten sich online auf einen Platz im Ebelsbacher Schwimmkurs bewerben.

Beziehungsweise den Schwimmkursen, denn an jedem der zehn Nachmittage finden nacheinander vier Kurse à 45 Minuten statt, in denen je sechs Kinder schwimmen üben. Die 24 Mädchen und Jungen, die einen Platz in den Schwimmkursen bekommen haben, seien zwischen vier und acht Jahre alt. "Manche konnten noch gar nicht schwimmen, andere schon zehn Meter weit", sagt Reinwand.

Über 60 Anmeldungen für 24 Plätze

Über 60 Anmeldungen seien eingegangen, so Reinwand. Auch Eltern aus dem Raum Bayreuth, Erlangen und Nürnberg hätten sich um einen Platz für ihr Kind bemüht, berichtet der Geschäftsführer. 

Geschafft! Der siebenjährige Collin aus Hallstadt hat den Ring zurück nach oben geholt. 
Foto: Johanna Heim | Geschafft! Der siebenjährige Collin aus Hallstadt hat den Ring zurück nach oben geholt. 

Das Interesse sei groß. Offenbar finden viele Eltern keine Angebote für das Schwimmenlernen der Kinder. "Die Leute fragen schon nach, ob ihre Kinder beim nächsten Kurs teilnehmen können." Reinwand will auch künftig Kurse anbieten. Dann aber mit Gebühr, die er der Wasserwacht spenden wolle. "Dann ist das ganze auch etwas verbindlicher, denn einige Eltern haben kurz vor knapp abgesagt." Der 38-jährige Stettfelder hat selbst drei kleine Kinder und weiß aus Erfahrung, wie schwierig es sei, für die Kleinen einen Platz in einem Schwimmkurs zu bekommen.

Nur drei Hallenbäder im Haßbergkreis

Dass es so wenige Angebote gibt, hat entscheidend auch damit zu tun, dass Bäder schließen mussten.  Im Haßbergkreis gibt es nur noch drei von ihnen. In Knetzgau, in Königsberg und in Ebern. Das marode Zeiler Hallenbad ist seit Sommer 2019 geschlossen, die verschuldete Kommune konnte eine Sanierung damals nicht tragen. Und die Schwimmhalle des Hofheimer Hallenbads fiel im März dieses Jahres Baggern zum Opfer. Anders als in Zeil wird hier aber generalsaniert – doch bis Kinder dort wieder baden können, wird es noch dauern.

Wer also will, dass sein Nachwuchs den Umgang mit dem kühlen Nass lernt, muss eines der drei verbleibenden Hallenbäder im Kreis ansteuern. Und dann zumeist Geduld mitbringen. "Die Schwimmkurse sind aktuell komplett ausgebucht. Wegen der extrem hohen Nachfrage, der wir aktuell leider nicht nachkommen können, mussten wir die Warteliste ebenfalls schließen", heißt es beispielsweise auf der Internetseite des DLRG-Ortsverbandes Ebern, der im Hallenbad der Türmerstadt die Frühschwimmer-Kurse anbietet.

Wer schwimmen lernen will, muss warten

Wer sein Kind nach Knetzgau ins Becken schicken möchte, muss sich derzeit laut Angaben der Volkshochschule, über die der Kurs online gebucht werden kann, ebenfalls gedulden. Selbes Spiel in Königsberg: Auch hier gibt es im Netz den Hinweis auf eine Warteliste.

Zurück zum Beckenrand: Während des Kurses sind die Kinder in der Obhut von Schwimmlehrer Peter Kröner aus Zapfendorf, der von der privaten Schwimmschule "Sharkys", die bei der Aktion mitmacht, engagiert wurde. "Die Schwimmschule übernimmt die Haftung, wir stellen Dusche, Umkleide und das Rahmenprogramm zur Verfügung", erklärt Reinwand.

Mama Renate Brand und ihr sechsjähriger Sohn Tim haben sich online für den Platz im Schwimmkurs beworben.
Foto: Johanna Heim | Mama Renate Brand und ihr sechsjähriger Sohn Tim haben sich online für den Platz im Schwimmkurs beworben.

Der sechsjährige Tim aus Bamberg fühlt sich sichtlich wohl im Wasser. Mama Renate Brand schaut aus einiger Entfernung zu. Mit ihrem großen Sohn habe sie bereits einen Schwimmkurs gemacht, doch da seien zu viele Kinder dabei gewesen. Ihr Kind habe sich danach kaum über Wasser halten können, schildert sie. In Ebelsbach finde sie die kleine Gruppengröße gut, so könne der Schwimmlehrer auf jedes Kind eingehen.

Auch die Baderegeln wollen gelernt sein

Kröner hat an diesem Nachmittag so einiges zu tun. Wer am Ende das Abzeichen mit dem possierlichen orangen Tierchen erlangen will, der muss dreierlei schaffen: 25 Meter schwimmen, schultertief tauchen und sich trauen, vom Beckenrand ins Wasser zu hüpfen. Außerdem müssen die Kinder die Baderegeln – beispielsweise, dass sie Rücksicht auf andere Badegäste nehmen müssen – beherrschen.

Mit ein bisschen Hilfe schafft auch der siebenjährige Leonard aus Trabelsdorf den Sprung ins kühle Nass.
Foto: Johanna Heim | Mit ein bisschen Hilfe schafft auch der siebenjährige Leonard aus Trabelsdorf den Sprung ins kühle Nass.

Der Zapfendorfer hilft den Kindern der Reihe nach durch das Becken zu schwimmen, unterstützt sie dabei, damit sie nicht untergehen. Der eine durchquert den Pool schneller, der andere braucht etwas länger Zeit. Besonders viel Spaß haben die Kinder dabei, die Ringe zu ertauchen. Das Highlight ist der Sprung vom Beckenrand. Die sechsjährige Amy aus Bamberg hüpft mutig in Kröners Arme, der siebenjährige Leonard aus Trabelsdorf braucht noch etwas Hilfe.

"Der Erfolg liegt nicht darin, das Schwimmabzeichen zu machen, sondern darin, dass die Kinder danach sicherer im Wasser sind", sagt Reinwand. "Wenn die Kleinen nach dem Kurs vier bis fünf Meter schwimmen können, dann ist das auch schon mal gut."

 
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