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Haßfurt
Schwarzbau-Vorwürfe in Haßfurt: SPD legt Drittem Bürgermeister den Rücktritt nahe
Berthold Albert weist die Anschuldigungen von sich. CSU und Grüne fordern nun Aufklärung von der Stadtverwaltung.
Wo durch Siedlungsbau Flächen verbraucht oder versiegelt werden, schaffen Kommunen - wie hier die Wiesen zwischen Gärten und Flurweg im Westen von Haßfurt - Ausgleichsflächen. Die Kreisstadt muss sich nun mit der Zweckentfremdung dieser Flächen befassen.
Foto: Martin Sage | Wo durch Siedlungsbau Flächen verbraucht oder versiegelt werden, schaffen Kommunen - wie hier die Wiesen zwischen Gärten und Flurweg im Westen von Haßfurt - Ausgleichsflächen.
Martin Sage
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:12 Uhr

Die SPD Haßfurt legt Berthold Albert (Wählergemeinschaft Haßfurt) den Rücktritt als Dritter Bürgermeister der Kreisstadt nah. Das hat Stephan Schneider, Stadtrat und Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, am Dienstag gegenüber dieser Redaktion bestätigt. Für die Rücktrittsempfehlung liege ein Mitgliederbeschluss vor, sagte Schneider. Der Sozialdemokrat begründet diesen Schritt damit, dass sich Albert nach Überzeugung der SPD des Schwarzbaus schuldig gemacht und damit seine Vorbildfunktion als Lokalpolitiker eingebüßt hat.

Anwesen grenzt an eine ökologische Ausgleichsfläche

Es geht um ein Grundstück in den Neubaugebieten im Westen der Kreisstadt, das Albert zusammen mit engen Familienangehörigen gehört, welche dort – im Gegensatz zu ihm – auch wohnen. Das Anwesen grenzt an eine ökologische Ausgleichsfläche: Die Stadt hat hier am nördlichen Rande der Neubausiedlungen "Osterfeld II" und "Westlich der Sailershäuser Straße" Wiesen mit Obstbäumen angelegt, um den Flächenverbrauch durch den Siedlungsbau zu kompensieren.

Dass gar mancher Anlieger und manche Anliegerin den eigenen Garten ein Stück weit in den besagten Grünstreifen verlängert haben, das nötigte den Haßfurter Bau- und Umweltausschuss erst kürzlich zu einem Ortstermin. Von "wundersamer Landvermehrung" und "Haßfurts wildem Westen" war da die Rede. Und vom "Schwarzbau". Und von diesem Vorwurf  ist nun ausgerechnet auch Dritter Bürgermeister Berthold Albert betroffen.

"Ich weiß gar nicht, ob man das Schwarzbau nennen kann."
Günther Werner, Bürgermeister der Stadt Haßfurt

Sein Beispiel legt zunächst einmal nahe, dass die Sache mit Augenmaß betrachtet werden muss. Wie an anderer Stelle auch geht es hier nicht um große Baumaßnahmen jenseits des Gartenzauns, sondern im Wesentlichen um kleinere Eingriffe. "Ich weiß gar nicht, ob man das Schwarzbau nennen kann", sagte am Montag Bürgermeister Günther Werner (WG Haßfurt) in der "Causa Albert" zur Redaktion. Werner spricht von einem Kaninchenstall und den Mülltonnen, die hier bis vor kurzem auf städtischem statt auf privatem Grund standen. Von Bäumen, die die Familie zum Schutz vor fremden Blicken auf der Ausgleichsfläche gepflanzt habe, von einer mit Schottersteinen aufgefüllten Flutmulde. 

Berthold Albert selbst hält sich auf Nachfrage der Redaktion kurz. "Schwarzbau ist bei mir überhaupt nicht der Fall", sagt er. Er habe deswegen schon mit Bürgermeister Werner gesprochen. Und es stehe noch ein weiteres Treffen an. Und dann sei die Sache wohl erledigt, glaubt der 59-Jährige. Gedanken an einen Rücktritt verschwendet der Lokalpolitiker nicht.

Das Beispiel hat Nachahmer gefunden

Dazu ist die Angelegenheit aber wohl schon zu hochgekocht. "Es ist halt ärgerlich, dass es einige Nachahmer gegeben hat", scheint das Stadtoberhaupt nämlich davon überzeugt, dass sein Stellvertreter hier eine negative Vorbildfunktion hatte. Irgendwelchen Rücktrittsempfehlungen anschließen will er sich aber nicht. Der Haßfurter SPD empfiehlt er vielmehr, sich wieder auf die normale Sachpolitik zu besinnen: Eine Anspielung darauf, dass die SPD schwer damit zu kämpfen hatte, dass alle drei Kreisstadtbürgermeister der Wählergemeinschaft entstammen.

Ist der SPD-Vorstoß in Sachen Berthold Albert also ein reines Politikum? Das lässt auch die CSU nicht gelten, die nach dem Wechsel ihres langjährigen Fraktionsvorsitzenden und Zweiten Bürgermeisters Norbert Geier zur WG ebenfalls hart zu schlucken hatte. Zwar schließt sich Haßfurts CSU-Ortsvorsitzender Christian Schneider derzeit der roten Rücktrittsempfehlung nicht an, doch er hat im Namen der Partei einen Fragenkatalog an die Stadtverwaltung geschickt. 

"Schwarzbau ist bei mir überhaupt nicht der Fall"
Berthold Albert, Dritter Bürgermeister der Stadt Haßfurt

Dass die Verwaltung die Verantwortlichen der schwereren Fälle schon vor einem Jahr angeschrieben hatte, mit der Aufforderung, die Ausgleichsflächen wieder in den Ursprungszustand zurückzuversetzen, ohne damit irgendeine Wirkung zu erzielen, das hatte Bürgermeister Werner bereits in der besagten Bauausschusssitzung kundgetan. Jetzt wollen es Christian Schneider und seine CSU genau wissen: Was haben die Stadt und ihr Bürgermeister genau unternommen, gab es irgendwelche Absprachen oder gar Zugeständnisse? "Wir sind gespannt auf das Ergebnis", sagte Schneider. Das betrifft natürlich in erster Linie den Fall Albert.

Klarer Auftrag an die Verwaltung, die Details zu klären

Auch Zweiter Bürgermeister Norbert Geier verlangt jetzt Aufklärung. Es geht ihm nicht nur um Parteifreund Berthold Albert, es geht ihm um die Eigentümerinnen und Eigentümer, die genauen Grundstücksgrenzen, die Verantwortlichen für die zweckentfremdeten Ausgleichsflächen. "Da ist im Detail noch viel zu klären", forderte er im Gespräch mit der Redaktion nun Fakten von der Verwaltung. Das Bauamt selbst wollte dieser Zeitung keine Auskunft in dieser Angelegenheit geben.

"Inbesitznahme fremder Grundstücke" geht gar nicht

Für Peter Gieseggi, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzender der Grünen im Haßfurter Stadtrat, gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund, warum Berthold Albert nicht Bürgermeister bleiben sollte. Dafür setzt er allerdings "Einsicht in ein Fehlverhalten" voraus und dass die Verantwortlichen alle Eingriffe auf den Ausgleichsflächen auf eigene Kosten wieder rückgängig machen. Herunterspielen will Gieseggi, der bei der Ortsbegehung Anfang Juni dabei war, aber auch nicht: Genaugenommen sei das, was da geschehen sei, ja eine "Inbesitznahme fremder Grundstücke". Das dürfe nicht durchgehen.

SPD-Mann Stephan Schneider mag die Zurückhaltung der anderen Fraktionen gegenüber dem Dritten Bürgermeister nicht so recht verstehen. "In den nicht-öffentlichen Sitzungen haben alle klargemacht, dass so etwas überhaupt nicht geht", verrät er. Und jetzt traue sich wieder niemand, das Fehlverhalten klar öffentlich zu benennen.

 
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  • S. L.
    Der eigentliche Skandal liegt darin, dass Anwohner offenbar auch nach einem Jahr noch widerrechtlich städtischen Grund nutzen, Veränderungen nicht zurückgebaut haben und den ursprünglichen Zustand wiederhergestellt haben. Die Stadtverwaltung im Gegenzug offenbar aber auch nicht innerhalb eines Jahres dazu fähig ist, wirksam dagegen einzuschreiten. Ob es sich dabei um einen Hasenstall, Mülltonnen handelt, die „bis vor kurzem“auf städtischen Grund standen, oder um eine mit Beton angelegten Terasse handelt, ist dabei unerheblich. Wenn es sich bei dem Störer dabei um einen Mandatsträger handelt, ist es umso bitterer. Die Reaktion von SPD ist dagegen im gleichen Maße scheinheilig und überzogen. Das ganze Thema beleuchtet allerdings einen Bereich, der seit mehreren Jahren schon immer mehr im Argen liegt. Sobald etwas der öffentlichen Hand gehört, gehörts „der Katz“, weil es jeder als Freiwild betrachtet und nach eigenem Gutdünken nutzt, insbesondere öffentlichen Flächen und Straßen.
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  • G. W.
    Putzig isses ja schon, wenn ein Lokalpolitiker dem anderen Lokalpolitiker Fehlverhalten vorwirft und nach Rücktritt schreit und zum Untermauern dieser Forderung berichtet, über was in nicht öffentlicher Sitzung geplaudert wurde 😁.
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