Bruno Schneyer und Mario Pfaff vermeiden jeden direkten Vergleich mit dem Weinfest. "Wir bieten eine reine Kulturveranstaltung mit Reihenbestuhlung", drückt sich Schneyer, Betreiber des Zeiler Capitol Kinos, mit einem Augenzwinkern sehr förmlich aus. Bei dieser Definition sollen vor dem geistigen Auge gar nicht erst die wein- oder bierselig schunkelnden Menschenmassen erscheinen, die sich all die Jahre zuvor an jedem zweiten Juliwochenende auf dem Festplatz am Altmain amüsiert haben. Weil das in Corona-Zeiten verboten ist. "Wir zeigen Flagge, dass es die Kultur, die Veranstaltungsbranche und die Künstler noch gibt", ergänzt Pfaff, der mit seiner Firma MAD Veranstaltungstechnik (Oberaurach) Einzelunternehmer ist.
"Ihr müsst uns was machen lassen"
Und so haben sich Schneyer und Pfaff, mit denen sich die Redaktion am Dienstag traf, zusammengetan, um ihr Openair-Kino mit Livemusik ganz bewusst am Wochenende und Ort des Sander Weinfestes zu veranstalten. Weil der Termin und der Festplatz weit über Sand hinaus bekannt und beliebt sind - "und wir damit an die Gesellschaft und die Politik das Signal senden können: Ihr müsst uns was machen lassen", erläutert Bruno Schneyer aus Sicht der Kulturschaffenden.
Dass es den beiden Organisatoren in erster Linie wirklich nur um einen Hilferuf ihrer Branche geht, das glaubt man gerne, wenn man den Aufwand und den Ertrag ihres Kinosommers betrachtet. Am Altmain, wo an gut besuchten Weinfest-Tagen über 10 000 Menschen zwangsläufig auf Tuchfühlung gehen, dürfen jetzt am Wochenende maximal 200 Zuschauer Platz nehmen. Je weniger Publikum, desto teurer wird in der Relation der Filmverleih, die Bühnentechnik, die Werbung für das Event, das ganze Drumherum: Etwa das Aufstellen der Kinosessel oder die Errichtung eines 70 Meter langen Absperrzaunes im Osten und Westen des Festplatzes gegen ungebetene Gäste.
"200 Tickets sind wirklich die Untergrenze, damit wir nicht allzu sehr ins Minus fahren", verrät Mario Pfaff, der zum Beispiel in Nicht-Corona-Zeiten beim Zeiler Altstadt-Weinfest oder der Mallorca-Party in Hofstetten die Veranstaltungstechnik stellt. Wer glaubt, dass die 12 Euro für jede Eintrittskarte einfach so in die Taschen der beiden Unternehmer wandern, der täuscht sich. Das Kino an sich kostet nur 8 Euro, der Rest ist für die Livemusiker. Und bei den 8 Euro strecken die Filmverleiher noch die Hände aus. Ihr Anteil pro Ticket beläuft sich je nach Film und Verleiher grob zwischen 30 und 60 Prozent. "Ohne Idealismus würde da gar nichts gehen", meinen Schneyer und Pfaff, und meinen nicht nur sich selbst, sondern ihre ehrenamtlichen Helfer, die sich an den Kinoabenden zum Beispiel als Ordner verdingen.
Endlich mal wieder vor Publikum stehen
Auch die Künstler werden jetzt am Wochenende nicht reich. "Nein, in wirtschaftlicher Hinsicht rentiert sich das eigentlich nicht", findet Sophia Weinberger, mit der die Redaktion am Mittwoch sprach. Weinberger tritt mit "Miss Sophy & ihr Toby" auf. Für sie aber lautet die Devise: Endlich mal wieder vor Publikum stehen. "Es ist mein erster Auftritt seit dem Lockdown im März", sagt "Miss Sophy". Normalerweise wäre ihr Kalender gerade jetzt im Juli und August voller Auftritte - heuer bleiben die Blätter abgesehen vom Kinosommer unbeschrieben. Dabei hat Sophia Weinberger Glück im Unglück, sie ist Sängerin im Nebenberuf und ansonsten Lehrerin.
Sands Bürgermeister Bernhard Ruß (SPD) ist sich der Nöte der Veranstaltungsbranche und Kulturschaffenden durchaus bewusst. Den Kinosommer am Altmain begrüßt und unterstützt er, so gut es in Corona-Zeiten geht. Er stellt zum Beispiel den Festplatz kostenlos zur Verfügung, der Bauhof werde für Wasser- und Stromanschluss sorgen und dafür kein Geld verlangen. "Und auch hinter den Kulissen tun wir Einiges", versicherte Ruß am Mittwoch.
Kommune muss sich an Vorgaben halten
Ansonsten kämpfe Sand wie alle Kommunen in der Pandemie an allen Fronten und habe auch so schon genug zu tun, um über die Runden zu kommen. Ruß verteidigt die Corona-Regeln der Staatsregierung, auch wenn man über Details immer streiten könne und im Nachhinein immer schlauer sei. Er als Bürgermeister und seine Gemeinde seien Teil der Exekutive: "Wenn wir uns nicht an die Vorgaben halten, wer soll dann noch einen Grund haben, es zu tun?", fragt er. Schneyer und Pfaff wünschen sich trotzdem mehr Rückhalt in der Lokalpolitik. Die beiden wollen beobachtet haben, dass gerade die CSU-Bürgermeister allzu ängstlich nach München blickten, wenn sie sie wegen einer Veranstaltung kontaktierten. Dann gebe es oft nicht einmal eine Rückmeldung.
Vereinen entgehen 100 000 Euro
Auf eine Rückmeldung, und zwar aus dem Landratsamt, wartet auch Ernst Albert, Vizepräsident des Weinfestkomitees. Zwar ist das 31. Weinfest abgesagt, aber ein Punkt hat auch heuer Bestand: der Dankgottesdienst mit Pfarrer Michael Erhart, der am Sonntag um 10 Uhr beginnt. Auch die Messe findet unter freiem Himmel statt, doch sollen es nach Alberts Willen statt der erlaubten 200 Gläubigen 300 sein, die teilnehmen können. Ohne Anmeldung geht nichts - und weil das Interesse daran so groß ist, obwohl das traditionelle Mittagessen im Anschluss ausfüllt, hoffen Albert und seine Mitstreiter auf behördliches Verständnis.
Damit, was es für die Sander Vereine bedeutet, dass ihr großes Fest ausfällt - der Höhepunkt im Sander Jahr - hält der Vizepräsident nicht hinterm Berg: Über den Daumen gepeilt haben die Sander Vereine aus dem Weinfest jedes Jahr rund 100 000 Euro erlöst, 3 Millionen Euro also seit Anbeginn. Eine Riesensumme für die Förderung von Sport, Kultur, gesellschaftliches Leben und Gemeinschaft. Bitter also für die gut 20 Vereine, wenn die Einnahmen heuer fehlen.
Aber kein Vergleich mit den Existenznöten der Veranstaltungsbranche. Essen und Trinken wird aber immer besser gehen als Kino oder Konzerte. Trotzdem - oder gerade deshalb: Auch beim Kinosommer bleiben die Besucher nicht auf dem Trockenen sitzen: Das Hotel Weingut Goger sorgt für das Catering.