Die grünenfeindlichen, mutmaßlich rechtsextremen Hassbotschaften, die am vergangenen Wochenende in zwei Städten im Landkreis Haßberge aufgetaucht sind, erreichen nun auch das politische Berlin. Manuela Rottmann, Bundestagsabgeordnete der Grünen für den Wahlkreis Bad Kissingen, Haßberge und Rhön-Grabfeld, bezeichnet die Aktion in einer Stellungnahme als "Alarmzeichen, das alle demokratischen Kräfte in der Region wachrütteln sollte". Sie fordert mehr Solidarität im Kampf gegen Gewaltaufrufe und rechtsextreme Hetze.
Der Vorfall löst ein halbes Jahr vor der Landtagswahl in Bayern eine Debatte über die zunehmende Vergiftung des politischen Klimas in der Bundesrepublik aus. Denn mit ihrer Kritik zielt Rottmann auch auf die CSU im Landkreis Haßberge. Sie warnt davor, die Grenze zwischen "scharfer politischer Auseinandersetzung und aggressiver Diffamierung" zu überschreiten – und damit die Spaltung der Gesellschaft zu befeuern. Was aber steckt hinter dem Vorwurf der ehemaligen Staatssekretärin?
Kreissprecherin: "Aufruf zur Gewalt, wenn nicht gar zum Mord"
Stein des Anstoßes sind Schmierereien, die inzwischen auch den Staatsschutz beschäftigen. Unbekannte hatten jüngst auf Werbeflächen in Hofheim und in Haßfurt die Parole "Hängt die Grünen" hinterlassen, ergänzt mit einer Signatur, nämlich dem Schriftzug "3. Weg". Ein möglicher Hinweis auf die rechtsextreme Kleinstpartei als Verursacher. Laut Polizeipräsidium Unterfranken ermittelt der Staatsschutz nun wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen Unbekannt. Margit Pickel-Schmitt, Sprecherin der Grünen im Kreis Haßberge, geht weiter. Sie sehe in der Botschaft einen "Aufruf zur Gewalt, wenn nicht gar zum Mord", so die Kommunalpolitikerin zu Beginn der Woche gegenüber dieser Redaktion.
Aus Berlin kommt derweil Unterstützung für die Lesart des Grünen-Kreisverbands. "Ich erwarte von allen demokratischen Parteien, dass sie sich dieser Entwicklung aktiv entgegen stellen", fordert Manuela Rottmann in ihrer Stellungnahme. "Wir haben in Deutschland leider bereits die Erfahrung machen müssen, dass Worte zu Gewalttaten und Bedrohungen führen." Das gilt offenbar auch für die Grünen im Kreis Haßberge. Dort, so erklären Pickel-Schmitt und Rottmann, habe es in der Vergangenheit immer wieder Angriffe gegeben, auf das Parteibüro in Haßfurt etwa, oder auf Plakate der Grünen im Bundestagswahlkampf 2021.
Rottmann teilt deshalb auch gegen die CSU im Kreis Haßberge aus. Denn die Bundestagsabgeordnete beobachtet eigenen Angaben zufolge eine immer schärfer werdende Rhetorik gegenüber ihrer Partei. "Die Auseinandersetzung darf nicht mit Diffamierungen geführt werden, wie es ein bayerischer Ableger der sogenannten Werteunion in einer offenen Facebook-Gruppe des CSU-Kreisverbands Haßberge tut", so Rottmann.
In dieser Gruppe wurden unter anderem Beiträge geteilt, die Anhänger der Grünen als "geistigen Brandstifter" eines "neuen Ökoterrors" bezeichnen, oder Politikerinnen und Politiker mit "totalitären Kommunisten" vergleichen. Neben dem Sander Bürgermeisterkandidaten der CSU, Julian Müller, ist auch der unterfränkische Bezirksvorsitzende Steffen Vogel Administrator dieser Facebook-Gruppe. Beide Politiker entscheiden also maßgeblich mit, welche Inhalte hier geteilt werden dürfen und welche nicht. Rottmanns wirft der Haßberge-CSU in ihrer Stellungnahme nicht vor, an der Hetze gegen die Grünen teilzunehmen, wohl aber sie zu tolerieren.
Steffen Vogel verteidigt Vorgehen in Facebook-Gruppe
Vogel, der im Oktober als Spitzenkandidat in der Region sein Mandat für den Bayerischen Landtag verteidigen möchte, äußert sich auf Nachfrage zu den Vorwürfen gegen ihn und seine Partei. Mit Blick auf die mutmaßlich rechtsextreme Aktion im Haßbergkreis entgegnet er: Der Aufruf zur Gewalt gegenüber den Grünen sei "inakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen". Gleichzeitig betont Vogel: "Dass Frau Rottmann nunmehr der CSU dieses kriminelle Verhalten in die Schuhe schieben will, ist unerträglich und vergiftet eher das 'Klima' zwischen den demokratischen Parteien."
Der Jurist hält Formulierungen, wie sie in den Gruppenbeiträgen teils vorkommen, zwar für "überspitzt", aber dennoch für "rechtlich zulässig". Er sei keine "Sprachpolizei, die Meinungsäußerungen unterdrückt, verbietet und löscht", so der CSU-Politiker weiter. Und: "Nur weil ich eine Meinung nicht zensiere, heißt es nicht, dass ich diese teile."
Gemeint sind die Beiträge des bayerischen Ablegers der sogenannten "Werte-Union". Unter dem Namen "Konservativer Aufbruch für Werte und Freiheit in Bayern" teilen deren Mitglieder auf Facebook Inhalte – bis November 2022 auch in der öffentlichen Gruppe mit dem Titel "CSU-Kreisverband Haßberge". Die Werte-Union, ein erzkonservativer Verein außerhalb der Partei, war in der Vergangenheit immer wieder massiv in die Kritik geraten. Grund waren die teils radikalen Ansichten einiger Mitglieder. Steffen Vogel betont auf Nachfrage: "Ich habe mit der 'Werte-Union' nie etwas zu tun gehabt und halte den Verein für überflüssig."
Keine offizielle Seite des CSU-Kreisverbands
Auch Dorothee Bär, die im September 2022 den CSU-Kreisvorsitz von Steffen Vogel übernommen hat, äußert sich auf Nachfrage zu Manuela Rottmanns Kritik. Sie betont ihren bereits Jahre andauernden Kampf gegen Hass und Hetze. Die Äußerungen in der Facebook-Gruppe entsprächen nicht der Meinung des Verbandes oder der CSU, da es sich um keine offizielle Seite der Christsozialen im Haßbergkreis handle, trotz des Titels. Anders als Steffen Vogel sieht Bär aber dennoch Handlungsbedarf. "Die genannte Seite schaue ich mir natürlich dementsprechend kritisch an und werde dagegen vorgehen", so die Bundestagsabgeordnete in ihrer schriftlichen Stellungnahme.
Wie genau das Vorgehen aussieht, bleibt offen. Dennoch: Die bevorstehende Landtagswahl in Bayern dürfte die politischen Grabenkämpfe in den kommenden Wochen weiter verschärfen, und damit auch die Rhetorik der parteipolitischen Konrahentinnen und Kontrahenten.
(Steffen Vogel, CSU)
Herr Vogel, wer als Volksvertreter angesichts dieser Entwicklung schweigt, stimmt zu.
was würde passieren, wenn jemand dazu auffordert einen bayerischen Richter breitzuschlagen?
Bei allen denkbaren semantischen Spitzfindigkeiten kann Sprache eine Vorstufe zur Gewalt sein.
Ersetzen Sie CDU durch Grüne, dann passt es.
Die Mehrheit der bayerischen Bevölkerung (nicht die absolute) sieht das völlig anders als Sie, Tendenz zunehmend!
Sie sollten mehr Respekt vor den Bürgern haben!
Wer sich über Entscheidungen der Politiker ärgert muss aber nicht unbedingt Anhänger von faschistoiden Demokratiefeinden werden, oder?
Es hat doch jeder trotzdem einen von Gott gegebenen Verstand und sollte ihn auch nutzen!
Und Demokratiefeinde zu unterstützen ist nun mal nicht wirklich sinnvoll, wenn man nicht gerade unbedingt eine Diktatur will.