
Eigentlich wollte Matthias Wörner aus Hofheim nur von seinen Hochbeeten frischen Salat ernten, als er ein Rascheln hörte. Dann sah er, dass sich im hohen Gras etwas bewegte. Als er näher hinschaute, traute er seinen Augen nicht: Da saß ein großer Greifvogel, nur wenige Schritte von ihm entfernt, und schaute ihn an, ohne die Flucht zu ergreifen.
Wer kann dem Vogel helfen?
Sofort informierte Wörner seine Lebensgefährtin Bianca und die Kinder über seine Entdeckung. Da der Greifvogel weiter an Ort und Stelle umhertorkelte und mit seinen großen Flügeln schlug, kam die Familie schließlich zu dem Entschluss, das Tierheim in Zell anzurufen. Von dort wurden sie an die Greifvogelpflegestation in Stettfeld verwiesen, die in solchen Fällen zuständig ist. Die dortige Ansprechpartnerin wollte genau wissen, um welche Vogelart es sich handelte, da viele Jungtiere, nachdem sie das Nest verlassen haben, noch von den Elterntieren am Boden versorgt werden.

Darum kümmerten sich Sohn Fynn, Tochter Pauline und die Nachbarskinder Anna und Elisa: Sie übermittelten Bild- und Filmaufnahmen des Tieres, und so war schnell klar, dass eine Wiesenweihe auf dem Anwesen der Wörners gelandet war – eine Art, die für die Region als recht außergewöhnlicher Gast gilt. Die Mitarbeiterin der Greifvogelpflegestation sagte daraufhin, die Familie solle das Tier drei Stunden lang in Ruhe lassen, um zu sehen, ob es sich erholen und wegfliegen würde.
Ungewöhnlicher Einsatz für die Polizei
Doch nach Ablauf dieser Zeit saß der Vogel immer noch da, torkelte hilflos und schlug mit den Schwingen auf und ab. Die Greifvogelpflegestation sagte daher telefonisch zu, die Wiesenweihe aufzunehmen, allerdings werde man sie nicht einfangen und abholen. Dafür verwies die Fachstelle die Familie an Polizei und Feuerwehr.
Die Beamten der Polizei Haßfurt waren über diese Anfrage erst etwas verwundert. Doch dann versuchten zwei junge Polizisten, nachdem sie Handschuhe angezogen hatten, den Greifvogel einzufangen. Aber es blieb beim Versuch, denn der Vogel flüchtete zu Fuß in eine undurchdringliche Dornenhecke, als er die Ordnungshüter in Uniform auf sich zukommen sah. Mit dem Satz "In diesem Fall müssen wir der Natur ihren freien Lauf lassen", beendeten die Polizisten diesen ungewöhnlichen Einsatz.
Auf Beobachtungsposten: Die Kinder helfen aktiv mit
Doch die Wiesenweihe tat Matthias Wörner, seiner Familie und den Nachbarskindern sehr leid. "Der Gedanke, dass er sterben muss, weil nichts unternommen wird, ließ uns keine Ruhe", sagt Wörner. Daher behielten die Kinder das Tier aus der Entfernung im Auge und beobachteten, ob er sein Dornenversteck verlassen würde. Und tatsächlich kam plötzlich der Ruf der Kinder: "Jetzt ist er da!"
Vater Matthias Wörner nahm ein bereitgelegtes Betttuch sowie lederne Arbeitshandschuhe und eilte aus der Werkstatt. Die Kinder rannten mit einem großen Karton hinterher. "Da sitzt er!" rief Pauline. "Ich hab das Betttuch zur Seite geschmissen, bin mit Arbeitshandschuhen hingeeilt und schon hatte ich ihn. Mein Gott hatte der große Vogel Angst. Er bebte richtig und ich konnte seinen Herzschlag durch die dicken Handschuhe spüren", erinnerte sich Matthias Wörner.

Schon standen die Kinder mit dem offenen Karton bereit und alle waren mächtig stolz auf ihren Fang. Noch einmal verständigten sie die Polizei und händigten den Karton zum Abtransport aus.
Auswilderung: Rechtzeitig für die Reise in den Süden
Die Greifvogelpflegestation bestätigt auf Nachfrage der Redaktion, dass es sich bei dieser Wiesenweihe um einen Jungvogel handelt, der entweder durch einen Unfall ein Hirntrauma erlebt hatte oder durch Nahrungsmangel stark geschwächt war. "Ohne die Hilfe von Familie Wörner hätte er keine drei Tage mehr überlebt." In der kommenden Woche soll der Vogel ausgewildert werden, "damit er rechtzeitig als Langstreckenzieher die Kraft hat, nach Afrika oder in den Süden Asiens zu fliegen, um dort zu überwintern".