Mehr als 2000 Vögel dürften es mittlerweile schon sein, die Günther Gabold in den letzten 30 Jahren aufgepäppelt und größtenteils wieder in die freie Wildbahn entlassen hat. Der bald 70-Jährige kümmert sich seit 1985 um verletzte oder verwaiste Vögel, die ohne seine Hilfe keinerlei Überlebenschancen hätten. Gabold führt seit 1995 die Greifvogelpflegestation in Stettfeld, kümmert sich um jedes gefiederte Tier, dass ihm gebracht wird. Seine Leidenschaft sind dabei die Greifvögel.
Sein Grundstück am südlichen Ortsrand von Stettfeld wird bestimmt von Volieren, in denen die größeren Vögel genesen, bis sie – sofern dies möglich ist – wieder ausgewildert werden können. Andere verbringen ihren „Krankenhaus-Aufenthalt“ in Weidenkörben, kleinere Vögel wie die Jungen von Singvögeln, müssen auch mal mit einer Pappschachtel als Krankenrevier Vorlieb nehmen.
Milane, Falken, Eulen, Bussarde, aber auch Elstern und sogar junge Meisen erhalten bei Günther Gabold die nötige Fürsorge, um möglichst rasch wieder auf die Beine beziehungsweise in die Flügel zu kommen. „Aber auch nicht mehr, denn sie sollen sich nicht zu sehr an den Menschen gewöhnen“, will der gebürtige Bamberger die Tiere nicht verhätscheln. Immerhin sind es Wildtiere, und der Mensch – sieht man von den natürlichen Fressfeinden ab – stellt die größte Gefahr für diese Vögel dar. Die meisten verletzten Tiere, die nach Stettfeld gebracht werden, haben ihre Schwingen- oder Beinbrüche den Menschen zu verdanken. Bauwerke, Autos, Türme, Glasfassaden – sämtlichst menschliche „Errungenschaften“, die dem natürlichen Verhalten der Vögel buchstäblich im Weg stehen.
Pro Jahr sind es an die 70 Tiere, die für kurze Zeit die medizinische Hilfe in Stettfeld genießen. Etwa die Hälfte kann danach wieder ausgewildert werden, für einige kommt jede Hilfe zu spät, sie müssen eingeschläfert und so von ihrem Leid erlöst werden. Wieder andere, deren Auswilderung nicht mehr möglich ist, verbringen ihren Lebensabend in Tierparks.
Gabold hat die Vogelpflege quasi in seinen Genen, geerbt von seinem Vater. Der war als „Vogelvater von Bamberg“ bekannt und hat seinen Sohn schon früh mit der gefiederten Welt vertraut gemacht. Später befasste sich Gabold mit der Falknerei, half in einem Tierpark mit Falknerei mit und legte dann die entsprechenden Prüfungen ab. Der mittlerweile 69-Jährige entwickelte sich so immer mehr zum Fachmann für Vögel.
Die tiefer gehende Leidenschaft für Vögel richtig hervorgeholt hat letztlich aber wohl „Hubert“. Hubert ist ein mittlerweile 30-jähriger Uhu, der schon als Küken von Günther Gabold und vor allem dessen mittlerweile verstorbener Ehefrau gepflegt wurde – zum Teil sogar für ein paar Tage im heimischen Badezimmer. Hubert lebt immer noch bei Gabold, hat eine großzügige Voliere und ist als Familienmitglied so etwas wie der „Star“ in der Station. Ein Auswildern dieses ebenso großen wie schönen Tieres ist nach so vielen Jahren unter Menschen nicht mehr möglich, allein die Fähigkeit des Jagens und somit die Grundlage des Überlebens hat „Hubert“ nie erlernt.
„Hubert sieht nur noch aus wie eine Eule, ist aber eigentlich schon ein Mensch“, beschreibt Gabold die Umstände, dass der gut 70 Zentimeter hohe Vogel an Menschen gewöhnt ist. Artgenossen hingegen stoßen bei Hubert auf wenig Gegenliebe, entsprechende Versuche mit weiblichen Uhus schlugen fehl, die „Besucherinnen“ wurden sofort scharf attackiert. Menschen hingegen begegnet der Uhu fast schon freundschaftlich. Mit „Hubert“ fing jedenfalls alles an. Hauptsächlich für den Uhu wurde 1985 in Merkendorf bei Bamberg ein geeignetes Grundstück gepachtet – dann ging der Behörden-Marathon los. Eine Genehmigung, um die benötigte Voliere bauen zu dürfen, beantragte Gabold beim zuständigen Landratsamt vergeblich. Also musste ein kleiner Trick herhalten. Gabold meldete sich als Nebenerwerbslandwirt an, um leichter an eine Baugenehmigung – weil dann privilegiert – zu kommen. Der so genehmigte Unterstand hatte dann eben das Aussehen einer Voliere.
Erst als auch noch ein kleiner Waldkauz sowie später ein Turmfalke und ein Bussard einzogen und eine Sondergenehmigung erforderten, zeigte sich die Behörde einverstanden – die Greifvogelpflegestation war geboren.
Seit 1995 ist Gabold mit seinen Tieren in Stettfeld zuhause, bekommt seine Schützlinge von Privatpersonen, Jägern, Tierheimen oder der Polizei. Und immer noch handelt Gabold nach der Maxime: „Ein Wildvogel gehört nicht in einen Käfig“. Für die Zeit der Genesung bleibt Gabold aber nichts anderes übrig, als seine Patienten einzusperren. Danach aber werden die Vögel so schnell wie möglich wieder in die Freiheit entlassen.
Doch es sind nicht nur Vögel, die die Krankenstation Gabold in Stettfeld belegen. Auch eine junge Elster, die aus ihrem Nest gefallen war, oder eine kleine Blaumeise, die von einer besorgten Frau in einer Schachtel vorbei gebracht wurde, haben in Stettfeld eine vorübergehende Bleibe gefunden. Gabold kümmert sich halt um„alles, was Federn hat“. Dabei achtet er darauf, dass sich der Kontakt zwischen Mensch und Tier auf das Nötigste beschränkt, umso leichter fällt es den Tieren später wieder, in der freien Natur zurecht zu kommen.
70 bis 80 Tire pro Jahr – da kommt natürlich auch einiges an Futter zusammen. Etwa 10 000 tote Küken verfüttert Gabold jährlich an seine Patienten. Die Kosten für das Futter trägt Gabold größtenteils selbst. Bislang kamen zwar auch Spenden herein, da hinter der Station aber kein Verein steht, sondern eine private Initiative, gibt es keine Spendenquittungen mehr, was das Spendenaufkommen vor allem von Unternehmen nahezu auf null hat schrumpfen lassen. Deshalb will sich Gabold mit seiner Station der Tierschutzinitiative Haßberge anschließen. Die gilt als gemeinnützig und darf Spendenquittungen ausstellen.
Erst dann, wenn wieder Geld in die Kasse kommt, will Gabold erweitern. Geplant ist eine Großvoliere mit 85 Quadratmetern. Dass die benötigt wird, wurde vor zweieinhalb Jahren klar.
Im November 2013 wurde in Baunach ein flugunfähiger Schwarzstorch, der schon hätte längst in Richtung Süden unterwegs sein sollen, gesichtet. Gabold nahm auch diesen Vogel in seiner Station auf, hatte aber keine andere Möglichkeit, als den Vogel in einer Rundvoliere mit etwa drei Metern Durchmesser unterzubringen. Das neue Zuhause war zwar nicht unbedingt schön für den Storch, aber immerhin gelang es, den an einer gebrochenen Schwinge leidenden Vogel über den Winter zu bringen.
Das größte Problem war allerdings nicht die Verletzung des Storches, sondern der folgende Behörden-Marathon. Gabold wollte den Storch, der nur noch Kurzstrecken in der Luft zurücklegen konnte, an einen Tierpark vermitteln, doch braucht es dafür einen „Herkunftsnachweis“. Den auszustellen, weigerte sich das Landratsamt, wohl aus Scheu vor eventuell auftretenden Kosten.
Eineinhalb Jahre dauerte es, bis Gabold dann doch noch ein neues Zuhause für den Schwarzstorch fand. Nachdem mögliche Tierparks in Nürnberg, Innsbruck und Lodz (Polen) nicht geeignet schienen, der Wildpark in Tambach von den Coburger Behörden keine Genehmigung für die Aufnahme des Storches erhielt, fand Gabold im Tierpark Tripsdrill in Baden-Württemberg doch noch ein neues Zuhause für den großen Vogel. Dort genießt der Schwarzstorch nun zusammen mit einer Artgenossin seine „Rente“.
Besser erging es da schon den beiden Waldkäuzen, die erst vor kurzem bei Wonfurt gefunden wurden. Auch sie waren vermutlich aus der Nisthöhle gefallen, von den Eltern war weit und breit nichts zu sehen. Gabold päppelt die beiden Geschwisterchen nun auf, etwa in zwei Wochen werden die Kleinen dann in die Freiheit entlassen.
Greifvogelpflegestation
Kontaktmöglichkeiten Internet: greifvogelpflegestation-stettfeld.de Post: Flachsdarre 2 96188 Stettfeld Telefon: 09522/7637 email: greifvogel-stettfeld@t-online.de