Barbara Jung sitzt hinter ihrer Nähmaschine an einem Tisch im Geroldswinder Mehrzweckgebäude. Bei sich hat sie Schere, Nähgarn und Nadelkissen, daneben mehrere Knöpfe, Reißverschlüsse und Stoffe. Allesamt Utensilien, die Jung zu Demonstrationszwecken mitgebracht hat und die sie am kommenden Freitag wieder mit in das Mehrzweckgebäude in Geroldswind bringen wird: Zum ersten Nähcafé der Marktgemeinde Maroldsweisach und der Gemeinde-Allianz Hofheimer Land.
Das neue Angebot richtet sich an alle, die bei sich zu Hause Textilien haben, die einer Reparatur bedürfen. Sei es die Hose, die geflickt werden muss, der Knopf, der wieder angenäht werden soll, oder das Kleidungsstück, das gekürzt werden muss. Vier Näherinnen und ein Näher stehen beziehungsweise sitzen am 25. November im Nähcafé in Geroldswind bereit, um hier anderen Bürgerinnen und Bürgern Hilfe zu leisten.
Ein Nähcafé statt eines Reparaturcafés wie in Hofheim
Zuerst habe man eigentlich ein Reparaturcafé initiieren wollen, berichtet Ramona Schrapel, Maroldsweisachs Dritte Bürgermeisterin und eine der Organisatorinnen des Nähcafés. Letztendlich habe man sich jedoch entschieden, kein Konkurrenzangebot zum bereits etablierten Reparaturcafé in Hofheim zu schaffen, und sei auf die Idee gekommen, stattdessen ein Nähcafé ins Leben zu rufen. Es gebe heutzutage schließlich wenige, die noch selbst nähen können oder die Zeit dafür haben. "Und, wir wollen auch ein Zeichen setzen, nicht alles wegzuwerfen", ergänzt sie.
Dem pflichtet eine ihrer Mitstreiterinnen, Heidi Müller-Gärtner, Maroldsweisachs Zweite Bürgermeisterin, bei. Es sei wichtig, in der heutigen Wegwerfgesellschaft wieder mehr auf Qualität als auf Quantität zu achten. Früher gab es Lichtstuben, so ähnlich solle auch das Nähcafé funktionieren. "Man trifft sich, verbringt einen schönen Nachmittag, und hat am Ende – als Ergebnis – auch noch seine reparierten Sachen."
Sich das Nähen mithilfe des Internets selbst beigebracht
"Ich war gleich von der Idee angetan", sagt Barbara Jung. Sie sei bereits in Bamberg in einer Nähgruppe, die sich alle zwei Wochen treffe. "Wir trinken Kaffee, jeder hat sein Projekt, und bei Fragen unterstützen wir uns gegenseitig", erzählt sie. "So etwas schwebt mir auch für das Nähcafé vor." Jung berichtet, dass sie sich in Sachen Nähen alles selbst beigebracht habe. "Das Internet und YouTube sind eine echte Fundgrube." Und dann sei da ja noch ihre Bamberger Nähgruppe.
"Wir hängen an der Nadel, wir brauchen Stoff" sei dort das Motto, sagt sie und lacht. Jung geht in ihrem Hobby voll auf. Nach einem Lieblingsstück gefragt, überlegt sie erst, und antwortet dann: "Ich habe zu Hause vier Quiltdecken. Die Fünfte ist gerade in Arbeit." Hinzukämen unter anderem Taschen und Kissen, jeweils passend zur Saison. Nähen sei nicht schwer, sagt sie. Viele würden sich nur nicht trauen. Dabei müsse man nur ein bisschen Geschick und Interesse mitbringen.
Maroldsweisachs Bürgermeister Wolfram Thein näht im Nähcafé mit
Gemeinsam mit Barbara Jung werden im Nähcafé Christa Geyer, Anneliese Müller und Linda Pohley zu Nadel und Faden greifen, die teilweise auch beruflich vom Fach sind. Außerdem als Näher mit von der Partie ist Wolfram Thein, Maroldsweisachs Bürgermeister. "Ich bringe meine Nähmaschine mit", bestätigt das Oberhaupt der Marktgemeinde. Er habe im Handarbeitsunterricht in der Schule Nähen gelernt und es sich auch selbst angeeignet. Ob er mit den erfahrenen Näherinnen mithalten kann? "Wahrscheinlich nicht ganz", sagt er lachend. Aber sicher habe jede und jeder eigene Stärken.
Kerstin Brückner, die in der Gemeinde-Allianz Hofheimer Land die Koordination des Projekts "Wir & Hier" innehat, zeigt sich begeistert von der Idee des Nähcafés. Dieses decke gleich mehrere Themenbereiche ab: Nachhaltigkeit, bürgerschaftliches Engagement, Nachbarschaftshilfe und als Erlös Spenden für einen guten Zweck. Vonseiten der Hofheimer Allianz bestehe immer Interesse, solche Vorhaben zu unterstützen.
Das Einzugsgebiet des Reparaturcafés reicht bereits über die Landkreisgrenzen hinaus
Das Nähcafé sei nicht nur für Bürgerinnen und Bürger aus Maroldsweisach oder dem weiteren Allianz-Gebiet gedacht, der Einzugsbereich könne bis in den Eberner Raum oder auch das angrenzende Thüringen reichen. "Wir hoffen auf regen Zulauf", sagt Brückner. Das Reparaturcafé in Hofheim zum Beispiel habe 2018 klein angefangen und sich zu einer echten Institution entwickelt. "Es kommen auch Leute von weiter weg, zum Beispiel aus der Schweinfurter Ecke."
Ob das Nähcafé sich ähnlich erfolgreich etablieren kann, wird sich zeigen. Die Voraussetzungen sind jedenfalls gegeben und in Maroldsweisach ist man gespannt, wie das Angebot angenommen wird. Wiederauflage also keinesfalls ausgeschlossen.