
Oft waren am Mittwoch in Friesenhausen Worte wie "Zeitreise" oder "Sprung in die Vergangenheit" zu hören. Tatsächlich fühlt man sich als Besucher des Museums, in das Andrea Meub ein Haus im Aidhäuser Ortsteil Friesenhausen verwandelt hat, wie in eine andere Zeit zurückversetzt. Der historische Dorfladen und die dazugehörigen Wohnräume lassen eine Zeit wieder aufleben, die viele nur noch von Bildern oder aus Filmen kennen. Dafür bekam Meub nun die Denkmalschutzmedaille des Bayerischen Kultusministeriums.
Kindheitserinnerungen werden wach
"Da kommen Erinnerungen auf", sagte Landrat Wilhelm Schneider beim Betreten des alten Dorfladens im Erdgeschoss und erinnert sich daran, wie es für ihn in seiner Kindheit noch eine Besonderheit war, wenn er sich in einem solchen Dorfladen etwas zu naschen kaufen konnte. "Für uns hat damals ein Stück Schokolade eine ganz andere Bedeutung gehabt."
Mit den eingeräumten Regalen sieht der Laden tatsächlich so aus, als könne man hier alles für den täglichen Bedarf kaufen; von der Flasche Bier über ein paar neue Schuhe oder ein Taufkleid bis hin zu einem Stück Seife. Und tatsächlich hatte das Haus in der Dalbergstraße in Friesenhausen einst genau diesen Zweck. 1890, in einer Zeit, in der viele Menschen kaum aus ihren Heimatdörfern herauskamen, eröffnete das Geschäft, das es möglich machte, die Dinge des täglichen Bedarfs auch vor Ort zu bekommen.

Direkt gegenüber der Kirche gelegen, wurde der Laden "Gemischtwaren Jakob Schmidt" zu einem wichtigen Punkt für die Dorfbewohner. "Diese ursprüngliche, zentrale Funktion als Mittelpunkt haben Sie dem Haus zurückgegeben", sagte Ministerialdirektor Rolf-Dieter Jungk am Mittwoch zu Andrea Meub. Jungk war mit einigen Mitarbeitern nach Friesenhausen gekommen, um ihr im Namen des bayerischen Kultusministers Bernd Sibler für die Restaurierung des alten Dorfladens die Denkmalschutzmedaille zu überreichen. "Eigentlich hätte das auch mein Vater verdient", sagte Andrea Meub über die Medaille. Denn ihr Vater sei die treibende Kraft hinter dem Projekt gewesen. Doch während der hohe Besuch das Museum bewunderte, arbeitete er auf dem Acker – gesellschaftliche Anlässe seien einfach nicht sein Ding, berichtete seine Familie.
Dienst an der Allgemeinheit
1976 hatte der Gemischtwarenladen geschlossen. Als das Gebäude dann 2013 zum Verkauf stand, kaufte es Andrea Meub, die im Nachbarhaus aufgewachsen ist; vor allem auf den Wunsch des Vaters hin, der sich in dieser Sache durchsetzte. Dabei ging es weder darum, Geld damit zu verdienen, noch es als Wohnraum zu nutzen. Ziel war einfach, das Haus wieder so herzurichten, wie es einst aussah - ein kleines, privates Museum, das auch Besuchern offen steht. Gerade von diesem "Dienst an der Allgemeinheit, jenseits von wirtschaftlichem Anspruchsdenken", zeigte sich auch Generalkonservator Mathias Pfeil begeistert.

Nicht nur der Dorfladen sieht heute wieder so aus wie in alten Zeiten. Auch die Wohnräume dahinter und in den oberen Stockwerken sind eingerichtet wie anno dazumal. Vieles davon hat Meub in Eigenleistung gemacht, Möbel restauriert und alte Waren in die Regale geräumt. "Es war spannend. Wenn man eine Schachtel aufgemacht hat, wusste man nie, was einen erwartet." Was sich im Bestand des alten Hauses nicht mehr fand, aber für eine realistische Rekonstruktion eines Wohnhauses oder eines Dorfladens nicht fehlen durfte, kaufte sie nach – von den Waren, die im Laden verkauft wurden, bis zum Geschirr, das im Esszimmer des Wohnhauses auf dem Tisch steht. Fachkundig beraten wurde sie dabei von Christian Schmidt vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege.
Dieser lobte Meubs Herangehensweise. Denn im Gegensatz zu anderen Bauherren, die historische Gebäude wieder herrichten, sei sie nicht nach dem Motto gegangen: "Was muss ich erhalten, was kann raus." "Sie wollte alles erhalten", betonte Schmidt.
Zwei Medaillen für den Landkreis
Das Haus, in dem später der Laden eingerichtet wurde, entstand um das Jahr 1700. Bevor es zum Dorfladen wurde, nutzte unter anderem die katholische Kirche das Gebäude als Schule. Ursprünglich war es ein Fachwerkhaus, später wurde es allerdings verputzt. Dieser Putz ist auch heute noch zu sehen, allerdings ist an einer Stelle der Außenfassade das alte Fachwerk wieder freigelegt. Hier lässt sich erkennen, dass es sich um Zierfachwerk handelt. In den Holzbalken, die das Gebäude tragen, sind schöne, aufwändige Schnitzereien zu sehen.

Neben Andrea Meub erhielt noch eine weitere Person aus dem Landkreis Haßberge die Denkmalschutzmedaille 2020: Kreisheimatpfleger Günter Lipp wurde für seine Verdienste um die Denkmalpflege ausgezeichnet. Daher zeigte sich Landrat Wilhelm Schneider stolz darüber, dass gleich zwei Denkmalmedaillen in "seinen" Kreis wandern – bei 26 Medaillen, die in diesem Jahr vergeben wurden, und insgesamt 71 Landkreisen und 25 kreisfreien Städten in Bayern.
Grundsätzlich kann jeder, der möchte, das Museum in Friesenhausen besichtigen. Offizielle Öffnungszeiten gibt es allerdings nicht. Manchmal kommt es auch vor, dass Andrea Meub Fahrradfahrer sieht, die zufällig in Friesenhausen vorbei kommen und neugierig durch die Fenster in den Laden schauen. Dann spricht sie die Leute an und fragt, ob sie sich nicht das Museum anschauen wollen. Wer dagegen seinen Besuch planen und sicher gehen möchte, dass die Tür offen ist, kann mit Andrea Meub telefonisch einen Termin vereinbaren unter (0151)40755614.