
"Er spielt mit seinem Leben – wie beim Russisch Roulette, mit drei Kugeln in der Trommel." Es sind dramatische Worte, mit denen Dr. Thomas Wenske die Situation des Angeklagten am Mittwoch vor dem Landgericht Bamberg schildert. Zum ersten Mal während des Prozesses vor der Dritten Strafkammer wirkt der 23-jährige Mann mit zehn Jahren Drogenerfahrung, der sich wegen Drogenhandel im großen Stil verantworten muss, nicht gelangweilt.
Schließlich erklärt der psychiatrische Sachverständige gerade, dass er nur durch Zufall überhaupt noch im Landgericht Bamberg sitzt. Das Problem sind nicht etwa die Drogen Ecstasy, LSD oder Amphetamine, die der Angeklagte nur ausprobiert habe. Auch nicht das halbe Gramm Kokain oder ersatzweise das Crystal Meth, das er täglich konsumiere.
Benzodiazepine um "herunterzukommen"
Die tödliche Bedrohung geht von den Benzodiazepinen aus. Dieser rezeptpflichtige Wirkstoff mit der stark dämpfenden Wirkung wird normalerweise bei Angststörungen und chronischer Schlaflosigkeit eingesetzt. Der junge Mann aus einer Stadt im Maintal hat ein solches Medikament eingeworfen, um "herunterzukommen" und die Wirkung des Alkohols zu verstärken. Dabei hatte er vorher schon ein Dutzend Mini-Fläschchen eines hochprozentigen Kräuterlikörs geleert.

"Die Benzos wirken, als ob er noch eine Flasche Wodka hinterher getrunken hätte", so der Gutachter. Lebensgefährlich wird es, wenn die ständig konsumierten Benzodiazepine zur Neige gehen und man plötzlich aufhört, sie weiter einzunehmen. Durch diesen "kalten Entzug" kann es zu epileptischen Anfällen kommen. Einen solchen hat auch der junge Mann schon hinter sich. Glücklicherweise ist er nicht so langanhaltend und heftig, dass dabei das Gehirn schwer geschädigt wird oder er daran sogar stirbt.
Aus Antriebslosigkeit die Ausbildung abgebrochen
Dabei hat der junge Mann schon als Schüler Kontakt zu Drogen. Mit 13 Jahren kommt er erstmals mit Marihuana und Haschisch in Berührung. Und weil sein Dealer ein ganz breites Sortiment hat, um alle Kundenwünsche zu erfüllen, bleibt es nicht bei Cannabis-Produkten. Das Schmerzmittel Tilidin kommt hinzu. Der Teenager ist immer tiefer in die Rauschgiftszene geraten – mit Folgen. Er "verkackt" den Schulabschluss, wie der Angeklagte selbst sagt. Er bricht durch das Kiffen völlig antriebslos eine Ausbildung ab.
Er geht nicht zur Berufsschule und zahlt lieber die Geldbußen. Längerfristige Ziele spielen keine Rolle mehr. Er lebt von einem Tag auf den anderen. Seine Lebensgefährtin und Mitangeklagte findet er im Drogenmilieu. Auch sie kifft. Das sei keine Seltenheit, erklärt Gutachter Wenske. Denn welche Frau wünsche sich einen Mann, dessen Tag-Nacht-Rhythmus völlig durcheinandergeraten sei und der ständig auf der Suche nach Nachschub oder berauscht sei. Außer, man sei auch berauscht. Der Prozess wegen Handelns mit Cannabis, Betäubungs- und Arzneimitteln wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.