Der heute 22-jährige Angeklagte geht mit Freude seinem Beruf nach. Der gelernte Handwerker arbeitet in einer Firma in einem unbefristeten Vollzeitjob, in dem er gut verdient. Er lebt mit seiner Verlobten – die ebenfalls arbeitet – in einer gemeinsamen Wohnung und will bald heiraten, wie er sagt. Warum in aller Welt, so fragt man sich, sollte er es also nötig haben, in größerem Stil Marihuana zu verkaufen?
In 13 Fällen sah das Jugendschöffengericht bei dem jungen Mann die Taten als erwiesen an. Nach Jugendstrafrecht wurde der Arbeiter zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt.
Drogeneinnahmen von 6000 Euro
In diesen 13 Fällen, so die Juristen, hat der Mann mindestens 750 Gramm Marihuana "vertickt". Nach den Zeugenaussagen ging das Gericht davon aus, dass er dabei mindestens acht Euro pro Gramm kassiert hat. Seine nachgewiesenen Drogeneinnahmen belaufen sich also auf 6000 Euro. Dieser Betrag wird zusätzlich zur Strafe vom Staat durch die "Einziehung von Wertersatz" eingetrieben, wie es im Juristendeutsch heißt.
Dabei kommt es nicht auf den "Gewinn" an, den er mit seinen Drogengeschäften erzielt hat, sondern es wird alles angesetzt, was er insgesamt eingenommen hat – Es gilt das sogenannte "Bruttoprinzip". Wenn er so viel Geld nicht zahlen kann, kommt der Gerichtsvollzieher und es wird eventuell eine Lohnpfändung angeordnet.
Zufall bringt die Ermittler auf die Spur des Angeklagten
Erst durch einen Zufall waren die Ermittler auf die Spur des Angeklagten gekommen: Im März 2023 erstattete eine damals 20-jährige Frau Anzeige bei der Polizei. Sie beschuldigte ihren jugendlichen Ex-Freund, Betäubungsmittel zu besitzen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen stießen die Beamten auf andere Personen, die in den Verdacht gerieten, in den Drogenhandel verstrickt zu sein. So habe auch der nun Angeklagte in einem Zeitraum von mindestens neun Monaten ein- bis zweimal monatlich Rauschgift an einen Minderjährigen verkauft.
Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht?
Eine Besonderheit in diesem Prozess war die Tatsache, dass der junge Mann während dieser Zeit strafrechtlich gesehen anfangs ein "Heranwachsender" und später ein "Erwachsener" war. Nach deutschem Recht ist es nicht statthaft, bei mehreren angeklagten Taten teilweise Jugendstrafrecht und teilweise allgemeines Strafrecht anzuwenden.
Hier ist es entscheidend, wann und wo der Schwerpunkt der Taten liegt. Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe legte in diesem Zusammenhang dar, dass der bislang nicht vorbestrafte Angeklagte einen alkoholsüchtigen Vater, eine schwierige Kindheit durch die Trennung seiner Eltern und weitere familiäre Belastungen habe verkraften müssen. Dies gab den Ausschlag dafür, dass Jugendstrafrecht angewendet wurde.
Keine Freiheitsstrafe dank positiver Sozialprognose
Mit der in solchen Fällen oft schwierigen Frage, wie hoch der Eigenkonsum des Angeschuldigten war, brauchte sich das Gericht diesmal nicht zu befassen, denn: Der junge Mann ist selber offenbar überhaupt kein Drogenkonsument. Gehandelt habe er somit "nur" aus Profitstreben. Aufgrund dieses geplanten und zielgerichteten Vorgehens und weil er das Rauschgift an einen Minderjährigen weitergegeben haben soll, forderte der Staatsanwalt eine Jugend-Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Soweit wollte das Schöffengericht jedoch nicht gehen, sondern stellte eine eindeutig positive Sozialprognose fest: Neben seinem Job, seiner Beziehung und seiner Wohnung engagiere sich der junge Mann sogar bei der Freiwilligen Feuerwehr und pflege seinen Freundeskreis. Von seinen früheren Bekanntschaften im Drogenmilieu habe er sich endgültig losgelöst, beteuerte seine Rechtsanwältin Lara Baumann. Die ausgesprochene Geldstrafe muss er an den Bund gegen Alkohol und Drogen bezahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.