Eine sanfte Melodie klingt an einem Herbstabend im Oktober aus einem der Ballettsäle im Gebäude von On Point. Draußen ist es dunkel, es nieselt. Fast niemand ist bei diesem Wetter unterwegs. Noch vor einiger Zeit wäre auch in der Ballettschule kaum jemand gewesen, denn die Corona-Pandemie zwang die Mitglieder des Vereins, auf alternative Unterrichtsmethoden auszuweichen.
Bei On Point gibt es auch Breakdance- oder Jazztanzkurse
Erst seit kurzem ist das Gebäude am Haßfurter Hafen wieder erfüllt von Musik, Gelächter und dem Geräusch von Tanzschritten. Denn seit September dürfen die Schülerinnen und Schüler der Haßfurter Ballettschule wieder unter fast normalen Bedingungen gemeinsam vor Ort trainieren.
Getanzt wird entgegen des Namens aber nicht nur Ballett, erklärt Uta Möller-Reuß, Tanzpädagogin und erste Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins. Auch Jazz-, Breakdancekurse sowie verschiedener Unterricht für Kinder werden angeboten.
An diesem Abend trainiert eine der Ballett-Leistungsklassen. Damit sich beim Training niemand verletzt, wärmen sich die Schülerinnen und Schüler auf ihren Yoga-Matten mit verschiedenen Dehnübungen auf. Die Stimmung im Ballettsaal ist ausgelassen, es wird gelacht, die Tänzerinnen und Tänzer witzeln miteinander. Nach dem Aufwärmen beginnt der eigentliche Unterricht – es geht an die Stange. Möller-Reuß ist froh, dass nun wieder normale Tanzstunden stattfinden können.
"Als Corona kam, kam auch der Stillstand bei On Point", berichtet die 52-Jährige. Zu Beginn der Pandemie, im März 2020, blieb die Ballettschule für drei Wochen geschlossen, der Unterricht durfte nicht stattfinden. Es sei eine herausfordernde Situation gewesen, erinnert sie sich an das vergangene Jahr. Rund 250 Mitglieder hat die Ballettschule momentan, vor Corona seien es etwas mehr gewesen, sagt Möller-Reuß. Zwar bot die Ballettschule digitale Trainingsstunden per Skype an, doch bei Online-Tanzstunden fehle die Dynamik, das Miteinander und das Soziale, berichtet sie.
Im Sommer wurde im Freien getanzt
"Wenn wir hier im Saal springen, tanzen, alle machen mit – das ist etwas ganz anderes, wie wenn man daheim alleine im Wohnzimmer trainiert und sich am Stuhl statt an der Stange festhält", sagt die Tanzpädagogin. Im Sommer 2020 konnte der Unterricht dann zwar coronakonform stattfinden, geübt wurde auf einer Bühne auf dem Parkplatz der Ballettschule. Doch mit dem Lockdown im vergangenen November mussten sich Möller-Reuß und ihre Schüler wieder mit den digitalen Tanzstunden etablieren. "Es gibt nichts Trostloseres, als wenn ich hierherkomme und es ist still", berichtet die 52-Jährige.
Am schlimmsten aber traf die Zwangspause die neun- bis zehnjährigen Tanzschüler. "Ältere Schüler haben einen gewissen Standard, ein gewisses Können, das behalten sie bei", erläutert die Tanzpädagogin. Doch bei den Jüngeren könne man die Tanzpositionen gerade beim digitalen Unterricht kaum korrigieren. "Deshalb haben wir ihnen keine neuen technischen Übungen beigebracht, damit sie die nicht falsch erlernen."
Antonia Schober ist mit dem Ballett aufgewachsen
Die Mitglieder des Ballett-Leistungskurses sind froh, dass sie nun wieder unter fast normalen Bedingungen – abhängig von 3-G-Regelung und Inzidenzwert – zusammen trainieren können. Eine von ihnen ist die 19-jährige Antonia Schober aus Obertheres. Sie tanzt seit ihrem vierten oder fünften Lebensjahr, "so genau weiß ich das nicht mehr", erklärt sie. "Gefühlt schon mein ganzes Leben lang." Angefangen habe sie in der Ballettschule On Point mit der tänzerischen Früherziehung, einem Tanzkurs für Kinder.
"Ich habe mir zu Hause wahnsinnig schwergetan", resümiert Schober die vergangenen Monate. Die Motivation habe nachgelassen, der soziale Kontakt sei weggebrochen. "Das alles von heute auf morgen zu verlieren war schon sehr hart." Beim Tanzen könne sie abschalten, berichtet Schober. Ballett sei ihre Leidenschaft, ihre Tanzgruppe sehe sie als zweite Familie an.
LAN-Kabel bis in den Ballettsaal verlegt
"Es gibt viele Mitglieder, die seit Jahren sechs Tage die Woche gemeinsam trainieren, auf Ausflüge gehen und an Wettkämpfen teilnehmen", berichtet Yannik Reuß, Sohn der Tanzpädagogin und ebenfalls Mitglied der Ballett-Leistungsklasse. Das schweiße die Gruppe zusammen. Auch der 19-Jährige trainiert bis zu sechs Mal pro Woche, schon als Kind hat er bei On Point getanzt.
Anders als Schober hatte er Glück im Unglück – weil er und seine Mutter als ein Hausstand zählen, durfte er sie in der Zeit der strengen Kontaktverbote mit in die Ballettschule begleiten und konnte ihr so bei den digitalen Tanzstunden helfen. "Wir haben sogar ein LAN-Kabel bis in den Ballettsaal gezogen, damit das Internet so gut wie möglich war", berichtet Reuß.
Im Oktober starten die Tänzerinnen und Tänzer nun mit dem Einstudieren der Choreografie, die bis Dezember fertig sein muss. "Ab Januar wird dann 'geputzt', also auf den Feinschliff geachtet", erklärt Möller-Reuß. Ob Ausdruck, die richtige Stellung oder die Synchronität - alles muss beim Tanzen sitzen. Denn danach fängt die Zeit der Wettbewerbe an, auf die viele Schülerinnen und Schüler der Ballettschule On Point Jahr für Jahr hintrainieren.
Trotz der enormen Fleißarbeit ist Yannik Reuß überzeugt: "Es geht nicht unbedingt um den Sieg, sondern um den Spaß dabei." Und zumindest den Kampf gegen die Pandemie scheint die Balletschule On Point schon gewonnen zu haben.