
Wer in den kommenden Wochen in Zeil ins Kino geht, hat die Chance, neben einem großen Filmstar zu sitzen – oder zumindest neben einem Platz, der für einen großen Filmstar reserviert ist. Dass die Leinwandgrößen tatsächlich in Zeil vorbeischauen, um dort einen Film zu sehen, ist doch eher unwahrscheinlich, zumal einige, deren Namen auf den Reservierungszetteln stehen, längst verstorben sind.
Der Gedanke hinter den ungewöhnlichen Reservierungen: Wenn das Kino am Montag, 15. Juni, nach einer dreimonatigen Zwangspause wieder öffnen darf, gelten noch immer bestimmte Schutz-Maßnahmen, die verhindern sollen, dass sich Menschen beim Kinobesuch mit dem Coronavirus infizieren. Also muss ein Teil der Plätze frei bleiben und Besucher, die nicht gemeinsam als Gruppe ins Kino gekommen sind, müssen voneinander Abstand halten. Doch anstatt überall Warnhinweise und Verbotsschilder aufzuhängen, die den Besucher kontinuierlich an das bedrohliche Virus erinnern, hat sich Kinobetreiber Bruno Schneyer etwas anderes einfallen lassen: Es klingt doch viel freundlicher, wenn man sagen kann, die Plätze müssten frei bleiben, weil sie für Romy Schneider oder Heiner Lauterbach reserviert sind.
Ein mündiges Publikum
Höchstens 50 Plätze darf Schneyer in seinem Capitol Theater pro Vorstellung verkaufen, eigentlich bietet der Kinosaal Platz für 103 Besucher. In den Kinosaal kommen die Filmfans zur Zeit nur mit einem Platzanweiser. "Erste Reservierungen sind schon eingetroffen", sagt Bruno Schneyer. Und es sei auch sinnvoll, sich vor einem Kinobesuch telefonisch zu melden: Das gibt den Mitarbeitern mehr Zeit, sich rechtzeitig zu überlegen, welche Sitze in der betreffenden Vorstellung frei bleiben müssen und wo auch mal eine Gruppe zusammensitzen kann.

Immerhin dürfen ja kleinere Personengruppen auch in der aktuellen Situation etwas zusammen unternehmen. Da wäre es ungünstig, wenn die Kino-Mitarbeiter einfach an jeden zweiten Sitz eine "Promi-Reservierung" hängen würden, so dass nicht einmal Familien, die ohnehin zusammenleben, zusammensitzen könnten. "Ich gehe davon aus, dass wir ein mündiges Publikum haben", sagt Bruno Schneyer über die Einhaltung der Corona-Regeln im Kino.
Ein Plüschtier rechts, ein Plüschtier links
Auch als schon beschlossen war, dass Kinos wieder öffnen dürfen und die Programme schon veröffentlicht waren, war noch unklar, ob Kinobesucher trotz Abstandsregeln die ganze Vorstellung über ihre Schutzmasken aufbehalten müssen. Mittlerweile ist klar: Wie auch in der Gastronomie muss jeder eine Maske tragen, der sich im Raum bewegt; sei es beim Rein- und Rausgehen am Anfang und Ende des Films oder beim Toilettenbesuch dazwischen. Allerdings darf die Maske beispielsweise zum Verzehr von Popcorn abgenommen werden. Sprich: Sobald ein Kinobesucher auf seinem Sitz Platz genommen hat, kann die Maske in der Tasche verschwinden.
Bruno Schneyer weist aber darauf hin, dass er keine Masken verleiht, die Kinobesucher sollen also ihre eigenen mitbringen. Und noch etwas sollen die Besucher mitbringen: Puppen. Möglichst große Puppen, um genau zu sein. Die sollen sie dann auf den Sitzen links und rechts neben sich platzieren, um die Abstandsregeln noch besser einhalten zu können. "Solange Mutzi-Putzi, die Kinokatze, mitmacht, dürfen gegebenenfalls auch Kuscheltiere die Plätze einnehmen", heißt es in einer Pressemitteilung des Kinos.
Wiedereröffnung mit Klassikern
Zur Wiedereröffnung gibt es erst einmal ein paar Klassiker zu sehen: Los geht es am Montagabend mit Sergio Leones Westernklassiker "Spiel mir das Lied vom Tod". Für die folgenden Tage hat Bruno Schneyer zwei Filme ins Programm genommen, die vor allem als Hommage an kürzlich verstorbene Kinogrößen gedacht sind. So läuft am Dienstag "Comedian Harmonists" aus dem Jahr 1997, dessen Regisseur Josef Vilsmaier im Februar starb. Danach folgt "Die Dinge des Lebens" von 1970, in dem der im Mai verstorbene Michel Piccoli die Hauptrolle spielte.
Der erste Film, der nach der Krise neu ins Kino kommt, steht dann im Juli an. Dann startet in Deutschland der amerikanische Historienfilm Harriet, der in den USA bereits im November angelaufen war. Zur Frage, wie er die Zeit überbrücken will, bis wieder neue Filme in die Kinos kommen, meint Bruno Schneyer: "Es gibt schon Material." Unter anderem will er mit "Narziss und Goldmund" sowie den "Känguru-Chroniken" in den nächsten Wochen Filme zeigen, die kurz vor den Ausgangsbeschränkungen angelaufen und dadurch für viele Kinobesucher ein Stück weit untergegangen waren.
Doch können solche Filme, denen das Coronavirus einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, nun nachträglich noch gute Einspielergebnisse reinholen? "Es wird nicht bei allen funktionieren", schätzt der Kinobetreiber. Aber ein Teil der Filme habe noch Chancen. Auch Kinder sollen mit Filmen wie "Die Heinzels" und "Lassie" auf ihre Kosten kommen.