zurück
Haßfurt
Neuer Vorsitzender beim Jagdverband in Haßfurt: Stephan Biertempfel plant eine "Ära des Dialogs"
Der neue Kreisvorsitzende möchte den Ruf der Jägerschaft verbessern. Die Motivation, die ihn und andere Jägerinnen und Jäger antreibt, sei nicht die "Lust am Töten".
Stephan Biertempfel ist der neue Vorsitzende der Kreisgruppe Haßfurt im Bayerischen Jagdverband. Er will am Image der Jägerschaft arbeiten.
Foto: Wolfgang Aull | Stephan Biertempfel ist der neue Vorsitzende der Kreisgruppe Haßfurt im Bayerischen Jagdverband. Er will am Image der Jägerschaft arbeiten.
Wolfgang Aull
 |  aktualisiert: 11.04.2024 02:49 Uhr

Seit 8. März hat die Kreisgruppe Haßfurt des Bayerischen Jagdverbandes einen neuen Vorsitzenden. Stephan Biertempfel ist 49 Jahre alt, wohnt in Haßfurt, hat drei Kinder und arbeitet in Bamberg als Niederlassungsleiter der Firma Medatixx. Das Amt im Jagdverband übernimmt er in schweren Zeiten, wie er selbst ohne Umschweife erklärt: Der Vorfall im Sommer 2022, bei dem ein Jäger aus dem Landkreis Haßberge Mara, die Hündin eines Touristenpaares, erschoss, habe dem Ruf der regionalen Jägerschaft massiv zugesetzt. Biertempfel zeigt auch volles Verständnis für alle, die über das Geschehene nur den Kopf schütteln. "Wiederholen wird sich ein solcher Vorfall bei uns nicht", macht er deutlich.

Doch das allein sei nicht der Grund, warum sein Verband einen schwierigen Stand in der Öffentlichkeit hat: "Viele Menschen meinen, die Jagd wäre ausschließlich dazu da, Tiere zu töten." Dem sei nicht so, betont Biertempfel: "Der Aufgabenbereich ist vielfältig und abwechslungsreich."

Zwischen Natur und Zivilisation: Jäger müssen für den Ausgleich sorgen

Deutlich würde dies bei Verkehrsunfällen mit Wildschäden. Betroffene seien dankbar, dass das Netz der Jägerschaft flächendeckende Präsenz gewährleiste; und dass die Zusammenarbeit mit der Polizei gut funktioniere. Tag und Nacht seien Jägerinnen und Jäger zum Einsatz bereit. In der Polizeistation liege der Plan, wer wann gerufen werden kann. Denn nicht der Jäger mit dem nächstgelegenen Wohnsitz darf den Gnadenschuß vollziehen. Das ist Aufgabe des zuständigen Jagdpächters. Wenn dieser nicht erreichbar ist, übernimmt die Polizei.

Wildtiere wie beispielsweise Waschbären, die in Siedlungsgebiete vordringen, können zum Problem werden. (Symbolbild)
Foto: Britta Pedersen, dpa | Wildtiere wie beispielsweise Waschbären, die in Siedlungsgebiete vordringen, können zum Problem werden. (Symbolbild)

Auch im Grenzbereich zwischen Siedlungsgebieten und dem natürlichen Lebensraum des Wildes komme es immer wieder zu unvermeidbaren Konflikten. Auch dann seien die Jägerinnen und Jäger zur Stelle: Wenn der Waschbär in die Häuser eindringt, kommt die Lebendfalle zum Einsatz. Wenn der Biber zu viel Schaden anrichtet, wird gemeinsam mit der Unteren Naturschutzbehörde und den Landwirten überlegt, was zu tun ist. Und durch planerische Maßnahmen wollen Jägerinnen und Jäger erreichen, dass Füchse oder Wildschweine Ortschaften meiden. Dass diese sich auch in menschliche Siedlungsgebiete vorwagen, sei durchaus realistisch, meint Biertempfel mit Verweis auf entsprechendes Geschehen in Berlin.

Lebensraum gestalten: Kooperation mit Landwirten und Behörden

Diplomatie sei das A und O eines erfolgreichen Jägers – das hat Biertempfel in seiner neunmonatigen Ausbildung gelernt. Und es gehe darum, Lebensräume so zu gestalten, dass Jungtiere sicheren Schutz genießen können: Die Mutter legt ihr Junges ab, geht mehrere Stunden ihres Weges, kommt aber immer wieder zurück, um es dann abzuholen. Hierfür sei hohes Gras, möglichst weit entfernt von Verkehrsadern, ein idealer Aufenthaltsraum. Wann auch immer Gelder zur Gestaltung von Ausgleichsflächen fließen, würde hieran gearbeitet, natürlich stets gemeinsam mit Behörden und Landwirten. Auf diese Weise sei es seinem Jagdfreund und ehemaligen Lehrmeister Hermann Langguth gelungen, das Rebhuhn nach Wülflingen zurückzuholen. An der Wiederansiedelung des Wiedehopfs werde derzeit gearbeitet.

Großes Ziel: Dialog mit der Bevölkerung

Sein großes Ziel sei es nun, "die Jagd in der Bevölkerung wieder in die richtige Wahrnehmung zu bringen", sagt Biertempfel. Jägerinnen und Jäger brächten sich konstruktiv in die Gesellschaft ein, sorgten für Artenvielfalt, für Ausgewogenheit zwischen Lebensraum und Bestand. "All dies möchten wir in der Bevölkerung bekannt machen", sagt der neue Kreisvorsitzende. Mit Führungsangeboten für Erwachsene und Schulklassen, mit Revierbegehungen und Vortragsabenden im Vereinsheim.

Stephan Biertempfel will vor allem auf Dialog setzen. Bei der Jagd gehe es nicht um die Gelüste am Töten.
Foto: Wolfgang Aull | Stephan Biertempfel will vor allem auf Dialog setzen. Bei der Jagd gehe es nicht um die Gelüste am Töten.

Denn eines seien sie nicht: Schießbesessene, die jagen, um Gelüste am Töten auszuleben. Entnahme von Wild im vereinbarten Rahmen ja, und auch der Genuss des so errungenen Fleisches sei ein nennenswertes Argument für ihn, aber ein Schuss fiele bei ihm höchstens zwanzig Mal im Jahr. Ansonsten genieße er einfach den Aufenthalt in der Natur.

Hund und Jäger: Freiheit mit Grenzen

Allerdings appelliert er auch an die Bevölkerung: Ein Problem sei es, wenn sich Bürgerinnen und Bürger – "oft aus Neubausiedlungen" – Hunde anschaffen und diesen nicht die nötige Erziehung zukommen lassen. "Hetzende Hunde bringen viel Unruhe ins Revier. Das Wild flieht, nicht zuletzt auch auf die Straße."

Einen weiteren Prozess wie den im Fall der Hündin Mara möchte der neue Vorsitzende während seiner Amtszeit nicht erleben. Für den Jäger, der den tödlichen Schuss abgegeben hatte, war es nicht das erste Mal, dass er vor Gericht stand. In der Vergangenheit wurde ihm unter anderem vorgeworfen, Menschen mit seiner Waffe bedroht zu haben – von diesem Vorwurf wurde er allerdings freigesprochen.

Zwar vertraten ihn in den verschiedenen Fällen auch verschiedene Rechtsanwälte, eines haben aber mehrere seiner Verteidiger gemeinsam: Sie sind selbst Jäger. In einem früheren Prozess war darunter auch ein Vereinskollege aus der Kreisgruppe Haßberge. Zur Frage, ob es geschickt sei, einen Vereinsgenossen als Anwalt auszuwählen, meint Stephan Biertempfel, natürlich suchten sich Betroffene Unterstützung durch Anwälte, die der Jagd zugeneigte seien. Wenn diese aber aus den eigenen Reihen stammen, sehe er Probleme in Sachen Außenwirkung.

Mara, der Alaskan Malamute eines Ehepaars aus Österreich, wurde bei Knetzgau von einem Jäger erschossen.
Foto: Birgit Brunner (Archivbild) | Mara, der Alaskan Malamute eines Ehepaars aus Österreich, wurde bei Knetzgau von einem Jäger erschossen.

"Wichtig – glaube ich – ist einfach, dass jeder Hund auch ein Familienmitglied ist und es auf der anderen Seite die rechtliche Situation gibt, dass man wildernde Hunde erschießen darf", sagt Biertempfel. "Wie man was interpretiert und ob man es dann auch umsetzt, steht auf einem anderen Blatt Papier."

In Biertempfels Revier müsse der Hund nicht unbedingt an der Leine sein, es gäbe ja auch eine "virtuelle Leine". "Alles kein Problem, wenn der Hund gehorsam ist." Er gehöre eher zu den Jägern, die den Dialog suchen und nicht gleich mit der letzten Möglichkeit, die einem der Gesetzgeber gibt, in die Umsetzung geht. "Oft hilft der Austausch mit dem jeweiligen Besitzer. Die Erklärung der Gesamtsituation führt dann auch zu Verständnis und einem anderen Verhalten!"

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels hieß es, Stephan Biertempfel sei verheiratet. Tatsächlich ist er geschieden. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Haßfurt
Wolfgang Aull
Artenvielfalt
Haushunde
Naturschutzbehörden
Polizei
Wildschäden
Öffentlichkeit
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top