Die Stadt Haßfurt bekommt neue Stolpersteine. Dabei handelt es sich um kleine, im Boden verlegte Gedenktafeln, die an die Opfer der Nazizeit erinnern sollen. Sieben Stolpersteine gibt es bisher in der Kreisstadt, sie erinnern an die Mitglieder der Familie Rosenthal und liegen deshalb vor deren Haus in der Haßfurter Hauptstraße. Nun kommen vier weitere dieser Gedenktafeln dazu. Zwei von ihnen werden als Erinnerung an die Geschwister Goldmann vor deren einstigem Haus in der Zwechmaingasse verlegt, zwei weitere sollen im Anstaltsgäßchen an die Geschwister Lonnerstädter erinnern. Die Verlegung der Steine ist für Samstag, 11. November geplant.
Stolperstein-Verein bittet die Bevölkerung um historische Fotos
Die ersten Stolpersteine gibt es seit dem Jahr 1992, die Idee dazu hatte der Künstler Gunter Demnig. Mittlerweile gibt es die aus Messing gefertigten Tafeln in vielen deutschen Städten, auch in anderen Ländern hat Demnig mittlerweile einige verlegt. Üblicherweise werden sie vor dem letzten selbstgewählten Wohnsitz der Personen, an die erinnert werden soll, im Boden eingelassen. Auch zur Verlegung der Steine für die Haßfurter Familie Rosenthal war der Künstler im Mai persönlich anwesend.
Initiator der Haßfurter Gedenksteine ist der Verein Stolpersteine Haßberge unter dem Vorsitz von Dr. Alex Klubertanz. Und der hat auch eine Bitte an die Bevölkerung: Noch fehlt es dem Verein an alten Fotos, die Mitglieder der Familien Goldmann und Lonnerstädter zeigen. Klubertanz hoffe daher, dass sich bis zur Verlegung der Steine noch Personen bei ihm melden, die im Besitz solcher Bilder sind.
Flucht, Mord oder Suizid: Alle Opfer können einen Stolperstein bekommen
"Wir wollen die Fotos für begleitendes Material verwenden", erklärt er im Gespräch mit der Redaktion. Zwar steht auf den Stolpersteinen selbst nur Text, doch Flyer und Plakate sollen mehr über die Personen verraten, denen die Steine gewidmet sind. Außerdem, so berichtet Klubertanz weiter, sollen die Bilder als Vorlage für Porträtzeichnungen dienen, die die Hinterbliebenen der NS-Opfer bekommen.
Der Vorsitzende des Stolperstein-Vereins für den Landkreis Haßberge stellt außerdem klar, dass eine Ermordung durch die Nazis keine Voraussetzung für die Verlegung eine Stolpersteins sei. Die Gedenktafeln könne es letztlich für alle Personen geben, die unter dem NS-Regime gelitten haben. Seien es Menschen, die tatsächlich getötet wurden, Menschen, die durch die Umstände in den Suizid getrieben wurden, Menschen, die die Verfolgung überlebten oder auch Menschen, die sich gezwungen sahen, ihre Heimat zu verlassen, um zu überleben. "Auch Flucht zählt als Verlegungsgrund", sagt Klubertanz.
So war es beispielsweise bei der jüdischen Familie Rosenthal, den ersten, die in Haßfurt Stolpersteine erhielten: Von den sieben Personen, an die die Tafeln erinnern, kamen fünf durch die Nazis ums Leben, zweien gelang die Flucht nach England.
Gestorben im Vernichtungslager: Das Schicksal der Familie Goldmann
Die vier Jüdinnen und Juden, die nun im November ihre Erinnerungstafeln erhalten sollen, wurden dagegen alle von den Nazis ermordet. Julius Goldmann, geboren 1882 in Zeil, war Tierarzt. 1938 kam er in Dachau in "Schutzhaft", 1939 folgte der Entzug seiner Approbation. Ab 1940 folgte der Arbeitseinsatz, erst bei der Stadt Haßfurt und später in Eltmann. Im April 1942 kam er ins Durchgangsghetto Krasniczyn und wurde in einem der umliegenden Vernichtungslager ermordet. Laut einem Vermerk in den Haßfurter Stadtakten vom 18. Mai 1942 hinterließ der Tierarzt eine Katze. Das nun herrenlose Haustier sei der Tierkörperverwertung zugeführt worden.
Deutlich weniger ist über Goldmanns Schwester Babette bekannt. Diese wurde 1888 geboren, kam gleichzeitig mit ihrem Bruder nach Krasniczyn und starb wie er in einem der umliegenden Vernichtungslager. Bekannt ist außerdem, dass Julius und Babette Goldmann einen Bruder namens Salomon hatten, der jedoch rechtzeitig in die USA auswanderte und so einer Ermordung durch die Nazis entging.
Enteignet und ermordet: Die Geschwister Lonnerstädter
Die Geschwister Löb und Babette Lonnerstädter betrieben in der Haßfurter Hauptstraße einen Gemischtwarenladen mit Leihbücherei, bis die Nazis sie enteigneten. 1941 kamen sie ins Ghetto in der Bäckerstraße in Westheim, da das Haßfurter Ghetto in der Brückenstraße überfüllt war. Die 1877 geborene Babette wurde 1942 gleichzeitig mit den Goldmanns nach Krasniczyn deportiert und kam wie die beiden in einem der dortigen Vernichtungslager ums Leben. Ihr Bruder Löb starb wenige Monate später im Konzentrationslager Theresienstadt.
Die Verlegung der Stolpersteine findet am Samstag, 11. November, um 9 Uhr statt. Wer im Besitz alter Fotos ist, kann über die Homepage www.stolpersteine-hassberge.de oder telefonisch unter der Rufnummer (09521) 6219234 mit dem Verein Stolpersteine Haßberge Kontakt aufnehmen.