Mohammad sitzt am Küchentisch seiner Wohnung im Landkreis Haßberge. Er heißt in Wirklichkeit anders, seinen echten Namen möchte er aus Sorge um die Sicherheit seine Familie in Afghanistan nicht öffentlich nennen. Auf dem Tisch vor Mohammad liegen eine große Menge behördlicher Schreiben. Stille Zeugnisse seiner Bemühungen. "Ich bin verzweifelt", sagt der Afghane, "mittlerweile habe ich die Hoffnung fast verloren." Er erwägt, das Land zu verlassen. Das ständige Ringen mit der Bürokratie gebe ihm das Gefühl, hier nicht erwünscht zu sein. Doch der Reihe nach.
Mohammad ist 31 Jahre alt, gelernter Kfz-Mechatroniker, er arbeitet bei einem Autohaus im Landkreis Haßberge und möchte demnächst mit der Ausbildung zum Meister beginnen. Im März erhielt er nach knapp acht Jahren im Land die deutsche Staatsbürgerschaft. Trotzdem denkt er an das Auswandern. Der Grund: Seit vier Jahren versucht er, seine Frau und seine achtjährige Tochter aus Afghanistan per Familiennachzug nach Deutschland zu holen.
Seine Versuche, dies bei den zuständigen Behörden zu erreichen, gleichen einem Kampf gegen Windmühlen. "Vielleicht habe ich anderswo eine bessere Chance, meine Familie nachzuholen", sagt er. Dabei wolle er nichts lieber tun, als seine Frau und seine Tochter hier in den Arm zu schließen und in Deutschland weiterzuleben und zu arbeiten. Schließlich sei dies seine neue Heimat.
Schon gegen seine Lehre gab es behördlichen Widerstand
Mohammad kam 2016 aus Afghanistan nach Deutschland. Damals noch ohne Ausbildung und Beruf, doch mit dem Traum, hier Fuß zu fassen, sich ein neues Leben aufzubauen und seine kleine Familie nachzuholen. 2018 erhält er nach einem erfolgreichen Praktikum bei einem Autohaus im Landkreis einen Ausbildungsvertrag. Die Lehre beginnt er letztlich nach großem Widerstand der Behörden, welche ihm aufgrund seiner bis dato fehlenden deutschen Staatsbürgerschaft keine Erlaubnis erteilen wollen.
Während seines zweiten Lehrjahres startet Mohammad den ersten Versuch und stellt einen Antrag auf Familiennachzug. Dieser wird mit der Begründung abgelehnt, der Verdienst während der Ausbildung reiche nicht zur eigenständigen Lebensunterhaltung der Familie. "Das habe ich damals verstanden und eingesehen", erinnert sich Mohammad.
Ist er nun rechtmäßig verheiratet oder nicht?
Nachdem er seine Ausbildung abgeschlossen und einen Arbeitsvertrag erhalten hat, stellt er den Antrag erneut. Wieder erfolglos. Zwar würde seine Tochter ein Visum für Deutschland erhalten, aber nicht seine Frau. Denn das Auswärtige Amt stellt nun die Gültigkeit der Ehe infrage, welche Voraussetzung für den Ehegattennachzug ist. Zum einen führte das Ministerium an, dass Mohammad in Deutschland zum Christentum konvertiert ist. Nach afghanischem Recht ist eine Ehe zwischen zwei verschiedenen Religionsgruppen verboten, die Ehe somit ungültig. Zum anderen wird der Zeitpunkt der Hochzeit angeführt: Braut und Bräutigam waren da noch minderjährig, somit handele es sich um eine Kinderehe.
Ein von Mohammad beauftragter Anwalt stuft die Ehe in Bezug auf die Religionszugehörigkeit als gültig ein, da das afghanische Recht gegen den "ordre public", also gegen die grundlegenden deutschen Wertevorstellungen, verstößt. Nach deutschem Recht also sei die Ehe als gültig zu betrachten. Der Umstand der Kinderehe sei kulturellen Gründen geschuldet. Eine Lösung sei hier, die Ehe in Deutschland unter rechtlicher Sicherheit neu zu schließen.
Die Tochter könnte eventuell ohne Mutter nach Deutschland
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es auf Nachfrage zum vorliegenden Fall lediglich, dass für den Ehegattennachzug andere Vorschriften gelten als für den Kindernachzug. Daher werde auch jeder Visumantrag voneinander getrennt geprüft. Darüber hinaus äußert sich das Auswärtige Amt nicht zu dem Fall und begründet das mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.
"Dass meine Tochter allein hierherkommen soll, wollen meine Frau und ich nicht. Für meine Tochter bin ich ein fremder Mann, sie braucht ihre Mutter", sagt Mohammad. Die Ehe wolle er gerne neu schließen, dafür müsse seine Frau nur ein Visum erhalten.
Ähnlich schleppend sei sein Einbürgerungsverfahren verlaufen. Immer wieder habe er dieselben Dokumente, etwa Lohnbescheinigungen, einreichen müssen. Die Fragen und Antworten des Einbürgerungstests habe er bereits auswendig gekonnt. Eine Bekannte, die ihn, seit er in Deutschland ankam, unterstützt und ihn immer wieder ermutigt, nicht aufzugeben, hält die gesamte Situation für "widersinnig".
Absurdes Verhalten für ein Land mit Fachkräftemangel
Für sie ist Mohammad ein Musterbeispiel der hierzulande gewünschten Integration. Dass er nun überlege auszuwandern, weil er keine Perspektive für seine Familie sehe, lasse sie sprachlos zurück. Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel, der mithilfe von Zuwanderung angegangen werden soll, seien die bürokratischen Hürden absurd. Dort müsse sich in der Politik auch etwas ändern. "Ich weiß nicht mehr weiter, für mich treten die Behörden nur auf der Stelle. Ständig werden einem neue Steine in den Weg gelegt", resümiert Mohammad die Situation.