
Weil er einer heute 61-jährigen Rentnerin aus dem Maintal hinterherspionierte und sie durch das Terrassenfenster beobachtete, hat das Amtsgericht Haßfurt am Mittwoch einen 35-Jährigen aus Thüringen wegen Nachstellens in vier Fällen zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Als Auflage verhängte das Gericht ein Kontaktverbot zu der Geschädigten. Außerdem muss er Termine bei einem Psychotherapeuten wahrnehmen.
Der Angeklagte wohnte in den Jahren 2018 und 2019 im gleichen Mehrfamilienwohnhaus wie die Geschädigte. Laut Anklage hat er meist abends durch das ebenerdige Terrassenfenster die 61-Jährige beobachtet, wie sie nur mit einem Nachthemd bekleidet nähte. Teilweise soll er mit der Taschenlampe in die Wohnung seines Opfers geleuchtet haben.
Überwachungskamera
Der Angeklagte wurde im Jahr 2019 wegen eines ähnlichen Delikts, wegen des Besitzes von Kinderpornographie und wegen Diebstahl zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Als ein Polizeibeamter die Geschädigte darauf hinwies, dass ihr Nachbar ein Spanner sei, ließ sie auf der Terrasse eine Überwachungskamera installieren, die bald die Aktionen des Angeklagten filmte.
Anfang des vergangenen Jahres reichte es der Rentnerin. Nachdem der Angeklagte erneut auf den Videos der Überwachungskamera auftauchte, erstattet sie Anzeige. Sie habe sich belästigt gefühlt, sagte sie als Zeugin vor Gericht. Sie habe sich nicht mehr getraut, entkleidet durch die Wohnung zu laufen. Zuvor sei das Verhältnis zu ihrem Nachbarn „super“ gewesen.
Angeklagter hat "krankhaft gesteigerten Sexualtrieb"
Der Angeklagte räumte vor Gericht alle Vorwürfe ein. Er suche die Nähe zu anderen Personen, habe jedoch Probleme, Beziehungen einzugehen. Laut einem Gutachten leidet der Angeklagte unter „Satyriasis“, einem krankhaft gesteigerten männlichen Sexualtrieb, sowie unter Voyeurismus. Eine verminderte Schuldfähigkeit sah der Gutachter jedoch nicht vorliegen.
Der Angeklagte sagte, er habe sich wegen seiner „problematischen Sexualität“ bereits auf chemische Weise kastrieren lassen wollen, was der behandelnde Arzt jedoch abgelehnt habe. Im Oktober 2020 sei er auf einem Tiefpunkt angelangt. Drei Suizidversuche innerhalb von zwei Wochen seien gescheitert. Er sei erst mit seinem Auto in einen Stausee gefahren, aber gerettet worden. Beim zweiten Versuch habe er Gift geschluckt, sei aber zu seiner eigenen Überraschung am nächsten Morgen wieder aufgewacht. Beim dritten Mal habe er die Dosis erhöht, dann aber den Rettungsdienst gerufen. Im Krankenhaus sei ihm der Magen ausgepumpt worden.
Entschuldigung vor Gericht
Im Gerichtssaal entschuldigte er sich bei seinem Opfer. Das hielt ihm das Gericht genauso zugute wie die Tatsache, dass er bereits zwei stationäre Therapien abgeschlossen hat.
Der Staatsanwalt forderte eine neunmonatige Bewährungsstrafe, Verteidiger Alexander Wessel sechs Monate. Er sah seinen Mandanten nahe an der verminderten Schuldfähigkeit, da er seinem Trieb nicht widerstehen konnte, obwohl er wusste, dass er dabei gefilmt wird.
Richter Christoph Gillot verwies darauf, dass es normalerweise keine Bewährung für einen Bewährungsversager gebe. Der Angeklagte habe sich jedoch aus eigenem Antrieb therapieren lassen, weshalb besondere Umstände vorlägen, die ihm einen Gefängnisaufenthalt ersparen würden. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.