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Landtagswahl 2023: Wie Gabriele Wittrich und dieBasis das politische System auf den Kopf stellen wollen
Der Grundsatz, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet sind, zählt für die Landtagskandidatin nicht. Stattdessen will sie auf "Schwarmintelligenz" setzen.
Gabriele Wittrich tritt bei der Landtagswahl als Direktkandidatin für dieBasis im Stimmkreis 604 (Haßberge/Rhön-Grabfeld) an.
Foto: Thomas Obermeier | Gabriele Wittrich tritt bei der Landtagswahl als Direktkandidatin für dieBasis im Stimmkreis 604 (Haßberge/Rhön-Grabfeld) an.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:13 Uhr

Die meisten Politikerinnen und Politiker geben den Medien gerne Auskunft darüber, wie sie zu bestimmten Themen stehen – wenn auch manchmal vage formuliert, um bestimmte Wähler nicht zu verprellen. Schließlich wollen sie gewählt werden und dafür braucht die Bevölkerung schon eine ungefähre Vorstellung davon, welche Partei und welche Einzelperson für welche Ideen steht.

Das ist bei Gabriele Wittrich anders. Wer die Landtagskandidatin heute zu einem Thema fragt, ob sie dafür oder dagegen stimmen wird, bekommt keine Antwort. Auf die Frage, was jemand denn bekomme, wenn er sie wählt, antwortet Wittrich: "Er darf seine Stimme behalten."

Online-Anstimmung vor dem Parlamentsbeschluss

Denn die 55-Jährige kandidiert im Stimmkreis 604 (Haßberge/Rhön-Grabfeld) für die Basisdemokratische Partei Deutschlands, kurz dieBasis. Und die verfolgt einen radikalen Ansatz: Die Partei setze auf "Schwarmintelligenz" und wolle an jeder Entscheidung alle Mitglieder beteiligen – oder zumindest allen die Möglichkeit geben, ihre Meinung einzubringen.

Sprich: Zu jedem Thema, das im Landtag auf die Tagesordnung kommt, soll es vorher eine Online-Abstimmung geben. Deren Ergebnis bestimmt dann, wie Basis-Abgeordnete im Parlament die Hand heben. "Ich stimme so ab, wie es der Schwarm möchte", sagt Wittrich. An diese Regel werde sie sich eisern halten, selbst wenn die Parteibasis zu einem Ergebnis komme, das ihrer eigenen Überzeugung diametral entgegensteht, verspricht sie.

"Ich stimme so ab, wie es der Schwarm möchte."
Landtagskandidatin Gabriele Wittrich zu Abstimmungen im Parlament

Aber kann das in der Praxis funktionieren? Was, wenn ein Thema im Parlament sehr spontan behandelt wird, weil die Politik auf Ereignisse wie einen Kriegsausbruch oder eine Naturkatastrophe schnell reagieren muss? Dann, so Wittrich, könne sie zumindest spontan eine Umfrage in ihrem Kreisverband starten. "Das geht in zwei Stunden."

Eine radikale Abkehr: Repräsentative Demokratie reicht Wittrich nicht aus

Das Konzept der Basis ist eine radikale Abkehr vom Grundsatz der parlamentarischen Demokratie, der besagt, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Im Gespräch mit Wittrich wird ohnehin deutlich: Für sie ist eine repräsentative Demokratie keine echte Demokratie. Ihr reiche es nicht, Entscheidungsträger alle paar Jahre zu wählen. "Die Person wird immer für sich entscheiden", ist Wittrich überzeugt.

Ein Beispiel für Wahlversprechen, die nach der Wahl schnell vergessen würden, sieht sie darin, dass die Grünen Waffenlieferungen in Krisengebiete immer abgelehnt hätten, jetzt aber die Ukraine mit Waffen unterstützen. Den Einwand, dass sich durch den russischen Angriffskrieg die gesamte Ausgangslage geändert habe und man vieles neu bewerten müsse, will sie nicht gelten lassen. "Deutschland hätte sich komplett raushalten sollen", sagt die Basis-Kandidatin.

"Deutschland hätte sich komplett raushalten sollen."
Landtagskandidatin Gabriele Wittrich zum Krieg in der Ukraine

Wenn sie im Gespräch ihre persönliche Meinung verrät, betont sie ausdrücklich, dass es sich nicht um eine Partei-Aussage handelt. Am Herzen lägen ihr da vor allem soziale Themen wie die Einrichtung von Jugendzentren oder Mehrgenerationenhäusern.

Entstanden aus den Corona-Protesten

Eigentlich verstehe sich dieBasis weniger als politische Vereinigung und vielmehr als Bewegung. Gegründet wurde sie am 4. Juli 2020 im Umfeld der Demos gegen Corona-Maßnahmen, bekannte Mitglieder sind unter anderem Wolfgang Wodarg und Sucharit Bhakdi.

Laut Wikipedia handelt es sich bei der Partei um den "politischen Arm der Querdenken-Bewegung". Wittrich widerspricht dieser Einordnung. Sie ist zwar eine massive Gegnerin der Corona-Maßnahmen, die sie als ungerechtfertigte Grundrechtseinschränkungen sieht. Dennoch rechnet sie sich und die meisten anderen in ihrer Partei nicht der Querdenken-Bewegung zu.

Der Protest gegen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung hat auch weit nach deren Ende Auswirkungen auf Wittrichs Privatleben. Früher habe sie gerne Flugreisen ins Ausland unternommen. Mittlerweile weigert sie sich, in einen Flieger zu steigen. Nicht aus Klimaschutzgründen, wie man meinen könnte. Der Grund ist, dass sie als Ungeimpfte in Pandemiezeiten nicht fliegen durfte. "Wer mich damals nicht wollte, braucht mich jetzt auch nicht mehr."

Mitglieder an die AfD verloren: Wie weit rechts steht dieBasis?

Und wie stehen sie und ihre Partei zum Extremismus? Immerhin standen die Corona-Proteste in der Kritik, weil Rechtsextreme – oft mit Erfolg – versucht hatten, sich an deren Spitze zu stellen und sie für ihre Zwecke zu missbrauchen. Von derartigen Ideologien distanziert sich Wittrich und bedauert auch, dass dieBasis zuletzt viele Mitglieder an die AfD verloren hat. "Denen sind wir wohl nicht radikal genug." Auch räumt sie ein, dass es ihr bei den Corona-Demos durchaus unangenehm gewesen sei, dass Personen dabei waren, die klar als Rechtsextreme zu erkennen waren. 

Glaubt man Fachleuten aus Politikwissenschaft, Soziologie und anderen Bereichen, ist diese klare Abgrenzung gegen Rechts in Wittrichs Partei allerdings nicht selbstverständlich. Einzelne Mitglieder sind bereits durch rechtsextreme und antisemitische Äußerungen aufgefallen, Expertinnen und Experten attestieren der Partei eine Nähe zur AfD und stufen sie zumindest als rechtsoffen ein.

Über die Basis-Kandidatin

Gabriele Wittrich wurde 1967 in Haßfurt geboren. Sie ist seit 1990 verheiratet, hat keine Kinder und arbeitet als Leiterin der Logistik in einem ortsansässigen Unternehmen. Sie ist Teil der Doppelspitze das Basis-Kreisverbandes Haßberge. Ehrenämter übt sie keine aus, als größtes Hobby bezeichnet sie die Zeit, die sie mit ihrem kleinen Hund verbringt, den sie seit Kurzem hat.
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  • Mike Rösler-Fischer
    Weder Fisch noch Fleisch. Dann lieber Frau weidel.
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