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Bamberg
Pfarrersehepaar vor Gericht: Strafbefehl wegen Kirchenasyl
Das Hallstadter Pfarrersehepaar Andreas Schlechtweg und Susanne Wittmann-Schlechtweg haben ihre Schützlinge im Kirchenasyl als Bereicherung empfunden.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Das Hallstadter Pfarrersehepaar Andreas Schlechtweg und Susanne Wittmann-Schlechtweg haben ihre Schützlinge im Kirchenasyl als Bereicherung empfunden.
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 23.07.2021 02:15 Uhr

Nein, unnötig dramatisieren wollen sie die bevorstehende Verhandlung vor dem Amtsgericht Bamberg nicht: "Die Frage stellt sich uns nicht, ob wir auch ins Gefängnis gehen würden", sagen Pfarrer Andreas Schlechtweg und seine Ehefrau Pfarrerin Susanne Wittmann-Schlechtweg im Gespräch mit dieser Redaktion. Ihnen ist aber schon klar, dass sie den Kopf hinhalten müssen für eine vom zwölfköpfigen Kirchenvorstand der Hallstadter evangelischen Johannesgemeinde einmütig getroffene Entscheidung, Menschen in höchster Not Kirchenasyl gewährt zu haben.

Und das in den vergangenen Jahren dreimal. Zuletzt – von Februar bis Oktober 2020 – für eine junge Frau aus dem Iran, die aufgrund der Dublin-Vereinbarung nach Kroatien abgeschoben werden sollte, was eine erneute Trennung von ihrem Mann bedeutet hätte, der bereits in Bamberg lebte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wollte die Ehedokumente der beiden nicht anerkennen.

"Wir würden es als Schuld anerkennen, wenn wir zahlen würden!"
Andreas Schlechtweg,
evangelischer Pfarrer in Hallstadt

Für dieses iranische Ehepaar ging das Kirchenasyl letztlich positiv aus: Nach erneuter Prüfung des Falls wohnt es jetzt zusammen in einem oberfränkischen Ort, die Frau befindet sich im deutschen Asylverfahren. Und doch ist es genau dieser Fall, der das Pfarrersehepaar nun vor Gericht verantworten muss.

Wenige Tage vor Weihnachten 2020 eröffnete die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren: "Jeder von uns sollte 4000 Euro, also wir zusammen 8000 Euro, in die Justizkasse zahlen", erklärt Pfarrer Schlechtweg. Doch dagegen hätten sie Einspruch eingelegt: "Wir würden es als Schuld anerkennen, wenn wir zahlen würden!"

Auch wenn es nach der Gesetzeslage "richtig ist, dass wir bei einem unerlaubten Aufenthalt geholfen haben, können uns Einzelschicksale nicht kalt lassen".

Pfarrerin Wittmann-Schlechtweg sieht sich als Christin in der Pflicht: "Wir können sonntags nicht von Barmherzigkeit predigen und zugleich die Augen vor Not verschließen – hier vor Ort oder vor einem Flüchtlingsboot im Mittelmeer!", betont sie. Es sei „der Grundstock unseres Glaubens, sich der Schwachen, Fremden anzunehmen“, fügt die Pfarrerin hinzu. "Wir waren gefragt, jemanden aufzunehmen und hatten die Möglichkeit dazu, da war der  Schritt zum Tun aus einer Gewissensentscheidung heraus nicht weit", ergänzt Pfarrer Schlechtweg.

"Diese gelebte Ökumene hat mich schwer beeindruckt!"
Mechthild Thürmer,
(ebenfalls angeklagte) Äbtissin aus Kirchschletten

Das Appartement im Gemeindeheim mit Dusche, WC und Waschmaschine wurde für die Schutzsuchenden ein vorübergehendes Zuhause: "Bei den Behörden und im Einwohneramt gemeldet!" betont das Pfarrersehepaar: Es sei kein „Untertauchen oder Verstecken“ gewesen. Die Johannesgemeinde machte sich die Aufgabe zu Eigen: Viele Ehrenamtliche hätten um die Schützlinge einen Unterstützerkreis gebildet, der sich täglich mit Besuchen, Einkaufen, Kochen, Deutsch-Kursen bis hin zum Schachspielen gekümmert hätten. "Das war keineswegs belastend, sondern bereichernd für uns alle!", blickt Pfarrer Schlechtweg zurück.

Nun kam am 19. Mai 2021 der Strafbefehl "wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt". Die Verhandlung vor dem Amtsgericht beginnt am 26. August um 13 Uhr. Dem Ehepaar Wittmann-Schlechtweg steht ein erfahrener Rechtsanwalt zur Seite, der auch die bisherigen Gerichtsverhandlungen gegen Ordensleute begleitet hat, die wegen der Gewährung von Kirchenasyl angeklagt waren. Die jeweiligen Urteile gegen einen Benediktiner aus Münsterschwarzach und eine Oberzeller Franziskanerin aus Würzburg gingen in Revision, die noch aussteht.

Die Johanneskirche in Hallstadt.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Die Johanneskirche in Hallstadt.

Ein prominentes Beispiel ist auch die Kirchschlettener Äbtissin Mechthild Thürmer, die ebenfalls wegen Kirchenasyl vor Gericht soll: "Es ist unglaublich, ich habe immer noch keinen Termin!", beklagt sie die monatelange Verzögerung. Auf jeden Fall habe das Hallstadter Pfarrerehepaar "meine volle Solidarität", sagt die Äbtissin unserer Zeitung. Es seien die ersten gewesen, die ihr geschrieben und sie ihres Gebetes versichert hätten, so Mutter Mechthild: "Diese gelebte Ökumene hat mich schwer beeindruckt!"

Zutiefst betroffen von dem Gerichtsverfahren gegen die Ordensleute und nun gegen das Pfarrersehepaar aus Hallstadt zeigt sich Hans-Martin Lechner, Dekan des evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirks Bamberg: "Hier stehen keine Verbrecher vor Gericht, sondern Menschen, die sich in tiefster christlicher Verantwortung für andere Menschen in schlimmen Notlagen einsetzen."

Es sei eine "Bewährungsprobe für den Glauben", so der Dekan, der dem Pfarrersehepaar Wittmann-Schlechtweg und dem Hallstadter Kirchenvorstand "höchsten Respekt" bekundet. Sowohl er als auch Regionalbischöfin Dorothea Greiner aus Bayreuth seien über dieses Kirchenasyl stets informiert gewesen.

Nachdrücklich unterstreicht Dekan Lechner, dass die Kirche keinen rechtsfreien Raum beanspruche. Kirchenasyl sei in seiner Jahrhunderte langen Tradition jedoch ein letzter legitimer Versuch und immer eine Ausnahme, Flüchtlingen durch zeitlich befristeten Schutz beizustehen, um auf eine erneute, sorgfältige Prüfung ihres Schutzbegehrens hinzuwirken.

Auch Andreas Schlechtweg und Susanne Wittmann-Schlechtweg sagen ganz klar: "Wir stellen uns nicht gegen das staatliche Recht. Jedes Kirchenasyl hat doch das Ziel, dass deutsche Recht dem Flüchtling zugutekommen zu lassen. Dahinter steht die Achtung und Wertschätzung des deutschen Rechts."

 
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