Es war ein buntes Fest auf dem Haßfurter Marktplatz: Rund 300 Menschen gingen am vergangenen Wochenende beim ersten Christopher Street Day (CSD) im Kreis Haßberge friedlich auf die Straße. CSDs, das sind seit 1969 Gedenk- und Demonstrationstage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen. Allesamt Menschen, die einer über Jahrhunderte hinweg unterdrückten Minderheit angehören – und nun gleiche Rechte für sich einfordern.
Am Rande der Veranstaltung in Haßfurt hielt eine kleine, offenbar bibeltreue Gruppe ein Plakat in die Höhe mit der Aufschrift: "Gott schuf Mann, Gott schuf Frau und für beide schuf Gott die Ehe". Es sei an dieser Stelle betont: Die Zeilen dieses Kommentars stellen nicht das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung infrage. Außenstehende forderten jedoch, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Haßfurter CSDs diese bibeltreue Botschaft tolerieren müssten. Doch das ist mitnichten so. Aber warum?
Keine Toleranz gegenüber den Rücksichtslosen
Eine Antwort liefert der Philosoph Karl Popper. Er schreibt: "Wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen."
Popper unterscheidet zwischen Intoleranz gegenüber den Sitten und Gebräuchen eines Menschen, weil sie fremd sind – oder weil diese intolerant und gefährlich sind. Letztere, so der Philosoph, schütze die Friedlichen und grundsätzlich Toleranten vor den Rücksichtslosen, die sich über die Freiheitsrechte anderer hinwegsetzen. Und genau darum geht es hier.
Plakatträger fordern Entrechtung einer Minderheit
Nämlich um die fundamentalistische Auslegung eines Buches – der Bibel –, die den Lesben und Schwulen über Jahrhunderte die gleichen Rechte vorenthalten hat – und das offenbar weiterhin fordert. Dabei hat der Bundestag vor fünf Jahren die "Ehe für alle" zu deutschem Recht gemacht. Die Plakatträger unterstützen mit ihren Worten also nichts anderes als eine erneute Entrechtung einer Minderheit. Eine gefährliche Sache, der gegenüber man nicht tolerant sein darf. Es wäre auch ein Schaden für unsere offene Gesellschaft.
Das Plakat der Bibeltreuen schloss mit den Worten: "Gott liebt alle Menschen! Und wir auch!" Für Menschen, denen nur einen Satz zuvor das gleiche Recht zur Ehe aberkannt wurde, mag das wie Hohn klingen. Wie christliche Toleranz und Akzeptanz wirklich aussieht, zeigten jüngst der katholische Diakon Manfred Griebel und die evangelische Lektorin Cynthia Derra. Beide hielt für rund 100 Menschen einen ökumenischen Gottesdienst – und segneten dabei auch queere Menschen.
L.G. Martin Dobat