
Es liegt im Wesen des Menschen, unangenehme Dinge auszublenden. Ein Schutzmechanismus, der gut sein kann. Aber nicht immer. Denn immer häufiger landen Wahrheiten im Abseits, nur weil sie dem eigenen Weltbild zuwiderlaufen. Ignoranz ist die Folge: "Nazis? Wo sind hier Nazis?", fragte etwa einer der sogenannten "Spaziergänger" lautstark, als plötzlich eine kleine Gruppe von Gegendemonstranten auf den Plan trat und die Parole "Nazis raus!" in den vorweihnachtlichen Eberner Abendhimmel rief. Die Antwort: Die Rechtsextremen waren direkt unter den rund 500 Teilnehmenden. Sie marschierten an diesem Abend gar vorneweg.
Bürger holen Nazis in ihre Mitte - und schützen sie so
Ob der Mittvierziger mit Kinderwagen - auf den ersten Blick die Verkörperung des deutschen Normalbürgers, wie wohl die meisten der 500 an diesem Abend - es wirklich nicht besser wusste? Unwahrscheinlich angesichts der zuvor öffentlich gewordenen Bedenken des Verfassungsschutzes, die Demo in Ebern könnte von Rechten unterwandert sein. Hatte er es verdrängt? Oder war es ihm schlichtweg egal? Letztlich ist die Antwort auf diese Frage irrelevant. Wichtig ist das Ergebnis dieser Ignoranz durch die Bürgerinnen und Bürger der Mitte. Denn sie machen sogenannte "Spaziergänge" wie jenen in Ebern zu einem wahren Weihnachtsgeschenk für Neonazis. Sie holen sie in ihre Mitte. Schützen sie. Und helfen so - ob willentlich oder nicht-, dass der Plan der Rechtsextremen aufgeht.
Die wiederum machten nur wenige Stunden nach dem Ende der Demonstration keinen Hehl daraus, dass sie an diesem Abend mitmarschiert sind. Das vom Verfassungsschutz im Vorfeld als "rechtsextremistische Gruppierung" eingestufte "Kollektiv - Zukunft schaffen, Heimat schützen" schrieb in seinem Forum, dass "Brüder und Schwestern" den Aufzug in Ebern "begleitet" hätten.

Und auch die rechtsextreme Partei "Der III.-Weg", seit Jahren im Blick der Verfassungsschützer, propagierte auf ihren Kanälen, dass Mitglieder sich unter die Menschen gemischt hätten. Gesicherte Recherchen legen nahe, dass sie es gar waren, die den Protestzug unter lautem Getöse angeführt haben. Die Hemmungen der Rechten scheinen zusehends zu schwinden. Auch wegen des Rückhalts innerhalb der sogenannten Querdenker-Bewegung. Oder durch Aufzüge wie jenem in Ebern.
Es geht nicht um den Protest an sich, sondern mit wem man demonstriert
Die Strategie der Rechten, unter dem Deckmantel der Corona-Proteste mit ihrer menschenverachtenden Ideologie langsam aber sicher in die Mitte der Gesellschaft einzusickern, scheint zu funktionieren. Ob das grundsätzliche Anliegen - der Protest gegen die Corona-Politik - nun richtig oder falsch ist, ist an diesem Punkt nicht die Frage. Es geht auch nicht darum, alle Teilnehmenden als Nazis zu brandmarken. Bei all den gegenläufigen Meinungen, einhergehend mit der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung, sollte es jedoch den einen gesellschaftlichen Konsens geben: Mit Nazis zu marschieren kann keine Option sein!
Es gab übrigens mal die sehr schöne Aktion, aus solchen Aufmärschen Spendenläufe zu machen. Pro gelaufenen Meter wird dann gespendet - an anti rechts Initiativen.