In Jeder Kläranlage fällt Klärschlamm an. Bislang wurden diese durchaus menschlichen Hinterlassenschaften als Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Die neue Abfallklärschlammverordnung und die Fortschreibung der Düngeverordnung stellen die Gemeinden, Märkte und Städte nun aber vor das Problem: Wohin mit dem Klärschlamm? Dabei ist eines sicher: Aus Gründen des Grundwasser- und des Bodenschutzes hat der kommunale Klärschlamm nichts mehr auf Äckern und Feldern zu suchen. Im Landkreis Haßberge beschreiten deshalb die Stadt Haßfurt sowie mehrere Kommunen verschiedene Wege, um dieses Problem zu lösen.
In diesem Monat konstituiert sich ein "Zweckverband Klärschlammtrocknung und -verwertung Haßberge". Die 26 Gründungsmitglieder kommen aber nicht nur aus diesem Landkreis, sondern auch aus den benachbarten Regionen Schweinfurt, Bamberg und alleine acht Kommunen aus Rhön-Grabfeld. Zukünftig soll nun der Klärschlamm aus diesen 26 Städten und Gemeinden zentral in der Biogasanlage Hofheim getrocknet werden.
Standort Hofheim ist ideal
Die Abwärme aus dieser Anlage werde derzeit nicht genutzt, so dass sich hier der Bau einer Schlammtrocknungsanlage geradezu anbietet, wie Dieter Möhring im Gespräch mit der Redaktion unterstreicht. Der Bürgermeister von Aidhausen ist als Vorsitzender des Zweckverbandes vorgesehen. In dieser Funktion "tingelte" Möhring in den letzten zwei Jahren regelrecht über die Lande, um in den Gemeinderatsgremien ringsum für "seinen" Zweckverband zu werben. Und das mit Erfolg.
Der Landkreis Haßberge, selbst kein Produzent von Klärschlamm, da die Abwasserreinigung ja in den Aufgabenbereich der Kommunen fällt, hat beim Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt (GKS) als Gesellschafter ein Kontingent von 2600 Tonnen Klärschlamm gebucht. Das wird durch die angelieferten Mengen der 26 Kommunen ziemlich genau erreicht, so dass weitere Beitritte vorerst nicht mehr möglich sind, so Dieter Möhring. Die Mengenangabe gilt für getrockneten Klärschlamm. Zunächst ist die Konsistenz des Materials ja deutlich wässriger. Deshalb erfolgt in den jeweiligen Kommunen schon eine Entwässerung des Klärschlamms vor der Anlieferung nach Hofheim.
Den ursprünglich nur gering - fünf bis stichfeste 30 Prozent - ausgetrockneten Schlämmen müssen insgesamt 90 Prozent ihrer Flüssigkeit entzogen werden, damit sie im GKS thermisch verwertet werden können. Hier können gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, denn bislang verwendet das GKS drei Fraktionen zur Aufrechterhaltung des Verbrennungsvorgangs. Ein Teil ist der Müll, der angeliefert wird, und zwei Teile sind Steinkohle.
10.000 Tonnen Klärschlamm jährlich
Das GKS wurde 1990 ursprünglich als Kohleheizkraftwerk gebaut, in dem umweltfreundlich in Kraft-Wärme-Kopplung Fernwärme bereitgestellt werden sollte. In das Heizkraftwerk wurde eine thermische Abfallbehandlungsanlage integriert. Seit 1994 werden die im Bereich Main-Rhön anfallenden Restabfälle hier entsorgt. Und künftig soll der getrocknete Klärschlamm in einer Größenordnung von 10 000 Tonnen jährlich die Hälfte der Steinkohle ersetzen. Außer dem Zweckverband Haßberge mit seinen 2600 Tonnen liefern künftig Schweinfurt Stadt und Land, Rhön-Grabfeld und Aschaffenburg Klärschlamm ans GKS.
Bei der Verbrennung des getrockneten Klärschlamms soll besonders auf die Rückgewinnung wichtiger Rohstoffe wie zum Beispiel Phosphor geachtet werden. Kläranlagenbetreiber, so Möhring, seien ab 1. Januar 2023 verpflichtet, ein Konzept vorzulegen, wie sie Phosphor zurückgewinnen können. Die bei der Verbrennung des Klärschlamms entstehende Klärschlamm-Asche, sagt Möhring, enthalte reichlich Phosphor und könnte somit wieder als Düngemittel eingesetzt werden.
Anlage in Hofheim soll noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen
Der Bau der Trocknungsanlage in der Hofheimer Biogasanlage ist für das laufende Jahr vorgesehen. Für das dritte Quartal ist die Inbetriebnahme geplant. "Da muss man aber abwarten", so Möhring, ob aufgrund der Pandemie und der Auslastung der beteiligten Firmen der Bau so zügig vorangehe.
Bei der Gründung des Zweckverbandes in diesem Monat wird die Kreisstadt nicht mit am Tisch sitzen. Haßfurt plant nämlich einen eigenen Weg, worüber Dieter Möhring aber keinesfalls böse ist, wie er gegenüber der Redaktion erklärt. Denn er habe sein Team beisammen und gar keine Kapazitäten mehr frei. Die Haßfurter hatten ohnehin von Anfang an geplant, den Klärschlamm aus der Kreisstadt mit Stadtteilen sowie den Allianzkommunen Gädheim, Königsberg, Theres und Wonfurt im Bereich der Haßfurter Kläranlage zu trocknen. "Wir haben da ein Blockheizkraftwerk", so Bürgermeister Günther Werner, und mit der dort entstehenden Abwärme könne der Klärschlamm getrocknet werden.
Neu ist allerdings, dass der Klärschlamm aus der Haßfurter Trocknungsanlage nicht mehr zum GKS nach Schweinfurt geliefert und dort thermisch verwertet werden soll. Die Kreisstadt stellt im Rahmen ihrer Klärschlammtrocknung sogenannte Pellets her. Die sehen zunächst aus wie harmlose Hustenbonbons, haben es aber nicht nur aromatisch faustdick hinter ihrer Bruchstelle. Diese "Bonbons" sind nämlich Bestandteil eines Projektes mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.
Projekt mit der Technischen Hochschule Aachen
Wenn die Hochschule nach der Beurteilung der Pellets Grünes Licht gibt, dann wird die Stadt Haßfurt, deren Kläranlage in den nächsten Jahren komplett erneuert und auf 40 000 Einwohnergleichwerte ausgebaut wird, diese Pellets nicht nur selber herstellen, sondern auch die thermische Verwertung in Eigenregie übernehmen. Auf dem Gelände der Kläranlage würde ein Gebäude errichtet werden, in dem die Klärschlammtrocknung und auch die Verbrennung in einem Ofen mit Wirbelbefeuerung erfolgen sollen.
Bei der Verbrennung der Klärschlamm-Pellets entstehen elektrische Energie und Wärme. Diese Wärme wiederum kann verwendet werden, um neuen Klärschlamm zu trocknen. "Dadurch sparen wir beim Einsatz von fossilen Energieträgern wie Erdgas", erklärt Bürgermeister Werner. Voraussetzung für den Start dieser umweltschonenden wie klimafreundlichen Technik ist allerdings die Genehmigung durch das Landratsamt. "Der Antrag liegt aber schon vor", zeigt sich der Bürgermeister optimistisch, dass in Haßfurt bald wieder ein weiteres "grünes" Modellprojekt starten kann.