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Haßfurt/Horhausen
"Kein Mordmerkmal": Prozess um tödlichen Unfall mit Fahrerflucht bei Horhausen geht nicht ans Landgericht Bamberg
Nach Beratung hat das Schöffengericht Haßfurt entschieden, dass der Fall in Haßfurt bleibt. Damit wird die Hauptverhandlung am Donnerstag fortgesetzt.
Er bleibt Herr der Verfahrens gegen den Verursacher des tödlichen Unfalls bei Horhausen im April 2022: Christoph Gillot, Direktor des Amtsgerichts Haßfurt.
Foto: Lukas Reinhardt | Er bleibt Herr der Verfahrens gegen den Verursacher des tödlichen Unfalls bei Horhausen im April 2022: Christoph Gillot, Direktor des Amtsgerichts Haßfurt.
Martin Sage
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:41 Uhr

Es ist für alle Prozessbeteiligten ein Satz von höchster Bedeutung, den das Amtsgericht Haßfurt am Freitagvormittag so nüchtern formuliert: Es sei mitzuteilen, "dass nach Beratung des Schöffengerichts das Verfahren wie geplant am Amtsgericht Haßfurt am kommenden Donnerstag seinen Fortgang finden wird".

Hinter diesem Satz verbirgt sich eine entscheidende juristische Bewertung: Das Gericht unterstellt im Falle des tödlichen Verkehrsunfalls auf der Mainbrücke bei Horhausen (Lkr. Haßberge) dem Angeklagten weiterhin keine Tötungsabsicht und sieht kein Mordmerkmal erfüllt. Was am Abend des 10. April 2022 zum Tode einer 55-Jährigen aus dem Landkreis Haßberge führte, fällt für den Vorsitzenden Richter Christoph Gillot und seine beiden Schöffen nach wie vor in den Bereich der fahrlässigen Tötung. 

Damit ist der am ersten Prozesstag gestellte Antrag der Nebenkläger abgewiesen: Sie hatten verlangt, dass der Fall eine Instanz höher, am Landgericht Bamberg, verhandelt wird. Die Anwälte der Hinterbliebenen des Unfallopfers sehen beim Verursacher einen "bedingten Vorsatz" und im schweren SUV die "Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels". Ein Mordmerkmal sei damit gegeben. Am Donnerstag hatten die Anwälte Thomas Gärtner und Alexander Wessel zudem deutlich gemacht, dass sie die maximal mögliche Freiheitsstrafe von vier Jahren, die das Schöffengericht verhängen kann, für zu niedrig halten.

Es ist wahrscheinlich, dass Nebenkläger Urteil nicht akzeptieren werden

Eine Erklärung, warum die Hauptverhandlung in Haßfurt fortgeführt wird, liefert das Amtsgericht am Freitag nicht. Nur eine Verweisung nach Bamberg hätte man, so das Gericht, begründen müssen.  Schon jetzt deutet sich an, dass die Nebenkläger gegen einen Schuldspruch des Amtsgerichts  vermutlich Berufung einlegen werden. 

Am kommenden Donnerstag werden nun unter anderem ein Unfallgutachter und medizinisch-psychologische Sachverständige zu Wort kommen. Am ersten Verhandlungstag hatte vor allem die Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen breiten Raum eingenommen, die als erste am Unfallort waren. Und die den heute 33-jährigen Angeklagten kurz vor dem Unfall beobachtet hatten. 

"Ich habe gedacht, das Auto kann nie und nimmer durch die Baustelle kommen."
Eine Zeugin zu ihrem Beobachtung Sekunden vor dem Unfall

Darunter ein Arbeiter, der gerade an einem Baustellenkran in unmittelbarer Nähe des Unfallorts eine Beleuchtung anbrachte. Und ein Paar, das auf dem Heimweg von einer Feier war, und jetzt schilderte, wie der Beschuldigte ihnen im Kreisverkehr zwischen Ober- und Untertheres mit hoher Geschwindigkeit und Hupen die Vorfahrt genommen hatte. Tenor aller Aussagen: Der Angeklagte sei mit extremen Tempo und höchst risikoreicher Fahrweise unterwegs gewesen.

"Ich dachte, ich beobachte ein Rennen auf einer Kartbahn", sagte eine Zeugin, sie sei in gewisser Weise beeindruckt gewesen, "dass jemand überhaupt so schnell fahren kann". Eine andere Autofahrerin, die dem Unfallverursacher auf dem geraden Brückenabschnitt entgegengekommen war, sprach von blankem Entsetzen. Sie habe sich gedacht, "das Auto kann nie und nimmer durch die Baustelle kommen". Sekunden später habe sie im Rückspiegel schon Trümmer fliegen sehen. Wer immer an jenem Aprilabend den Wagen des Beschuldigten rasen sah, konnte sich das nur mit einem Notfall erklären. 

Freund des Angeklagten als Zeuge: Gericht zweifelt an seinen Aussagen

Trotz der großen emotionalen Belastungen für die Familie der Verstorbenen, aber auch für den beschuldigten 33-Jährigen und seine Angehörigen, verlief die Verhandlung am Donnerstag ruhig und auf sachlicher Ebene. Nur einmal erhoben der Vorsitzende Richter Christoph Gillot und vor allem Staatsanwalt Julian Schmidt ihre Stimmen: Sie zweifelten stark an den Aussagen jenes Freundes, in dessen Haus in Traustadt der Angeklagte am Morgen nach seiner Unfallflucht aufgegriffen worden war.

Der Zeuge will weder gewusst haben, wo sich der Flüchtige in der Nacht aufgehalten hatte, noch warum er ausgerechnet zu ihm gekommen war. Fragen, auch nach einem möglichen Alkoholkonsum, will er dem Freund nicht gestellt haben. Selbst nach Androhung eines Strafverfahrens wurde der Zeuge kaum gesprächiger. Er musste jedoch einräumen, dass er vom Vater des Angeklagten allmonatlich Geld für eine Tätigkeit in dem Sportverein erhält, in dem auch der Beschuldigte aktiv ist.

Fortsetzung am Amtsgericht Haßfurt - mit der bekannten Anklage

Viele Fragen sind offen. Etwa, warum das Handy des Angeklagten direkt nach dem Unfall noch eingeloggt war, wenige Minuten später aber ausgeschaltet wurde und seither verschwunden ist. Am 9. März geht die Verhandlung, am Amtsgericht Haßfurt, weiter mit den Hauptanklagepunkten  wie bisher: "verbotenes Autorennen mit Todesfolge" und "unerlaubtes Entfernen vom Unfallort".

 
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Kommentare
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  • O. P.
    Ich hoffe, die Familie geht in Revision.
    Warum werden die Zeugen so ignoriert? Unverständlich.
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  • J. Z.
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  • J. B.
    mein großes Mitgefühl und ganz viel Kraft an die Familie und Angehörigen, die nach diesen tragischen Verlust eines lieben Menschen (Ehefrau+Mutter+Tante usw) die schmerzliche Trauer und Hilfslosigkeit die Sie durch diesen Prozess nocheinmal durch machen müssen, durchzustehen. Ich bin in meinen Gedanken bei Ihnen.
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  • M. A.
    Na hoffentlich hat der ganze Prozess kein gschmeckle
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  • M. S.
    Ekelhaft, Handy verschwunden, Freund wartet mit fragwürdigen Aussagen auf.

    Da tut ja jemand soch zu Prozessbeginn alles dafür sich seiner Schuld zu stellen (Ironie aus).

    Insofern kann man die emotionalen Belastungen für den Angeklagten anzweifeln.

    Zitat: Trotz der großen emotionalen Belastungen für die Familie der Verstorbenen, aber auch für den beschuldigten 33-Jährigen und seine Angehörigen..."

    Wenn man dann noch von einer Zeugenaussagen hört, dass der Angeklagte schon im Vorfeld des Unfalls einem anderen Verkehrsteilnehmer hupend die Vorfahrt nahm kann man davon ausgehen, dass sich so eine Straftat schon abzeichnete.

    Jeder kennt in seinen Umkreis Fahrer bei denen man sich nicht wundert wenn es mal kracht! Ich spreche solche Personen immer an. Wer da schweigt macht sich ein Stück weit mitschuldig wenn es zum Unglück kommt.
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