Da ist die ältere Frau, der es mulmig ist, weil die "jungen Araber" immer in Gruppen auftreten. Besonders bei Dunkelheit wirke das bedrohlich. Da sind die Nachbarn, die darüber grübeln, warum in dem Haus mit den Asylbewerbern Tag und Nacht die Rollläden herunter sind. Was geschieht da im Verborgenen? In Westheim sind seit ein paar Wochen an zwei verschiedenen Stellen im Ort Menschen aus Syrien untergebracht, einmal eine Familie, und in einer anderen Immobilie die Gruppe von Männern im Alter zwischen 19 und 38 Jahren. Das sind die mit den stets geschlossenen Rollos.
Eine dritte Unterkunft im Ort ist geplant, alsbald könnten es bis zu 50 Syrerinnen und Syrer in dem 800-Seelen-Dorf sein. In jedem Fall gilt: Beide Seiten, Einheimische und Geflüchtete, müssen zumindest auf Zeit miteinander auskommen. Doch es gibt Vorurteile und Berührungsängste hier wie dort. Wie lassen sich solche Barrieren überwinden?
Die Gemeinde Knetzgau hat am vergangenen Donnerstag einen doppelten Ansatz gewählt: Sie ist im Schwarzen Adler in Westheim erstens in den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern aus Westheim gegangenen. Mit dabei waren Dieter Sauer, der für die Aufnahme und Unterbringung der Asylbewerberinnen und -bewerber zuständige Leiter des Sozialamts am Landratsamt Haßberge, und die beiden Integrationslotsinnen des Landkreises, Siza Zaby und Cornelia Klaus.
Besondere Begegnungen am ersten Tag des Fastenmonats Ramadan
Zweitens hatte Bürgermeister Stefan Paulus (SPD) im Rahmen eben dieses Bürgerdialogs die Gelegenheit des gegenseitigen Kennenlernens geschaffen: Die aus ihrer Heimat Geflüchteten hatten nicht nur – übrigens am ersten Tag des Fastenmonats Ramadan – für ihre deutschen Nachbarinnen und Nachbarn ein orientalisches Menü gekocht nach dem Motto "Völkerverständigung geht durch den Magen."
Deutlich nachhaltiger dürfte vielmehr für die Westheimerinnen und Westheimer das gewesen sein, was sie von den "Neuen" im Dorf erfuhren, als diese sich einzeln vorstellten und ihr Schicksal nach dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat skizzierten. Da ist die Familie, die in den letzten Jahren ein elendes Dasein in der Türkei gefristet hatte und schließlich noch bei dem schweren Erdbeben einen Großteil der Verwandtschaft verloren hat. "Wir sind hierhergekommen, weil wir einfach nur leben wollen", übersetzt Siza Zaby die Worte einer jungen Frau, die danach in Tränen ausbricht und nicht weitersprechen kann.
Da sind die jungen Männer, die – so unterschiedlich sie auch sein mögen – wie mit einer Stimme sprechen: Die Regierung, gemeint sind die Truppen von Staatschef Assad, habe sie bombardiert, und der Islamische Staat abgeschlachtet, erklären sie. Sie hätten in ihrer Heimat kaum Überlebenschancen und sicher keine Zukunft gehabt. Für den Weg nach Europa hatten sie alle ganz bewusst den Tod in Kauf genommen, schon im Vorfeld habe es geheißen: "Sterben oder ankommen." Alle sind frustriert darüber, wie rechtlos sie in der Türkei waren – und wie sehr sie die arabische Welt im Stich gelassen hat.
Das Publikum ist erstaunt über das hohe Bildungsniveau der "Neubürger"
Die Zuhörerinnen und Zuhörer sind beeindruckt vom Bildungsniveau der "Neubürger", wie sie Stefan Paulus nennt. "Ich hätte nie gedacht, dass die alle so eine Ausbildung haben", sagt ein älterer Herr zur Redaktion: Die Syrer hatten ausnahmslos ein Studium absolviert oder begonnen, ehe der Bürgerkrieg ihr Leben auf den Kopf stellte. Einer von ihnen, er hat Frau und Kind seit fünf Jahren nicht mehr gesehen, erzählt, wie schön das Leben davor war. Nie im Leben habe er sich vorstellen können, jemals seine Heimat verlassen zu müssen.
Übervoll ist der große Saal im Schwarzen Adler, eiligst werden noch Stühle herangeschafft, doch es reicht nicht, einige Leute müssen doch stehen. Das Interesse an den "Neuen" und an der Flüchtlingsthematik im Allgemeinen ist groß. Die Stimmung ist friedlich, sie wird umso freundlicher, je mehr aus den anonymen Asylantinnen und Asylanten Menschen aus Fleisch und Blut werden. Und sich manche Fragen klären:
Das mit den heruntergelassenen Rollos zum Beispiel: In dem Haus seien keine Vorhänge angebracht, die gehörten nicht zur Ausstattung für Asylbewerber, erklärt Siza Zaby, die selbst vor 25 Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen ist. Den jungen Bewohnern sei es da einfach nur peinlich, wenn man sie von außen sehen könne. Hier soll bald Abhilfe geschaffen werden, dann gehen die Rollläden hoch.
Apropos Wohnung: Im Landkreis Haßberge werden Asylbewerber dezentral untergebracht, in der Regel sucht das Landratsamt für sie Häuser oder Wohnungen. Dass sich dadurch die Lage am Wohnungsmarkt dramatisch zuspitzen würde, wie oft befürchtet, kann Sozialamtsleiter Sauer nicht bestätigen.
In vielen Fällen handele es sich um Wohnraum, zumal sehr einfache, sparsame Unterkünfte, die die Eigentümerinnen und Eigentümer eigentlich nicht vermieten wollten, erklärt er und verweist auf die vielen Leerstände gerade in den Dörfern. Nur durch die seitens der Behörden garantierte Miete und die Übernahme eventueller Schäden ließen sie sich dazu bewegen.
Ab April ist weitere Integrationshilfe geplant
Bürgermeister Paulus stellt heraus, dass die Geflüchteten in Zukunft stärker in der Pflicht sind, was die Integration anbelangt, etwa wenn es um Kontakte zu Sportvereinen, um Fortbildungsmöglichkeiten oder Behördengänge anbelangt. Eine so starke Belastung von Behörden und Ehrenamtlichen wie zwischen nach der ersten Flüchtlingswelle dürfe es nicht mehr geben.
Klar ist: Der Landkreis rechnet mit vielen weiteren Menschen, die aus Afghanistan, dem Irak oder Iran, aus Syrien oder woher auch immer nach Deutschland kommen. Immerhin: Ab April wird in jeder Landkreiskommune ein Alltagsbetreuer den Asylbewerberinnen und Asylbewerbern bei der Integration helfen.
Bürgermeister Paulus wird auch in Knetzgau einen Bürgerdialog abhalten
Gegen Ende der Veranstaltung gesteht ein junger Mann aus Knetzgau: "Viele haben Vorurteile. Da nehme ich mich nicht aus." Da habe der Abend viel Aufklärungsarbeit geleistet, dankt er den Akteuren; im Vorfeld habe er ein mulmiges Gefühl gehabt, die Deutschen hätten eben Angst angesichts der vielen Asylsuchenden. Diese Angst scheint dem Redner jetzt genommen.
Seinem Wunsch, auch im Kernort so einen Bürgerdialog abzuhalten, will Bürgermeister Stefan Paulus gerne nachkommen. Schon bald soll es auch einen runden Tisch der Gemeinde mit Vertreterinnen und Vertretern der Schulen, der Vereine, der Wohlfahrtsverbände und weiteren Beteiligten geben. "Und selbstverständlich müssen da unsere Neubürgerinnen und Neubürger wieder dabei sein und sich einbringen", pocht der Rathauschef auf die Zweiseitigkeit der Integration.
Wieso verteidigen sie nicht ihr Land gegen so einen Tyrannen wie Assad?
Diese Form des miteinander Lebens braucht echt niemand, egal, woher man kommt.
Ist es nicht eher üblich, die Zeit mit Landsleuten ohne Sprachbarrieren zu verbringen oder Menschen aus dem eigenen Kulturkreis.
Wäre ich in Syrien, würde ich vermutlich eher nicht alleine durch die Straßen spazieren, sondern eher mit Begleitung.
Aber sollten wir nicht aus ökologischen Gründen Energie sparen?
Somit sollten so schnell als möglich Vorhänge angeschafft werden.
Man sollte den Neubürgern bitte auch mitteilen, dass es vollkommen üblich ist, dass man in einem fränkischen Dorf als Fremder eher misstrauisch beäugt wird. Das geht ja selbst Deutschen so.
In diesem Zug sollte man den Neubürgern auch gleich mitteilen, dass es völlig normales Hobby ist, die dümmsten und blödsinnigsten Gerüchte in die Welt zu setzen - meist betrieben von älteren eher einfach gestrichten Personen.
Vorgänge wie zugezogene Rolläden dienen hier bestens als Ideengeber um daraus die blödsinnigsten Theorien zu entwickeln.
Wir haben selbst auch keine Vorhänge an den Fenstern und trotzdem offene Rollos. Von außen sieht man dennoch so gut wie nichts.
Eigentlich sollten das die Neubürger auch wissen. Sichtbar werden sie von außen nur, wenn Rollos oben und Licht an ist.
Es ärgert mich jeden Tag zu sehen, dass in diesem besagten Haus NIE Rollos geöffnet sind.