Welche Klinik nimmt die schwerverletzte Puppe auf? Wer schient das gebrochene Bein des alten Küchenstuhls? Und wer macht, dass aus dem maroden vorsintflutlichen Plattenspieler endlich wieder Elvis trällern kann? Was für Fachgeschäfte zu einer illusorischen Aufgabe werden würde, da die genannten Malheure dort als wirtschaftlicher Totalschaden gölten, wird im Reparaturcafé Hofheimer Allianz zu einer echten Herausforderung für die inzwischen elf hochmotivierten Reparateure. "Reparieren statt wegwerfen" ist das Motto, das sich alle Beteiligten - derzeit zwanzig - auf die Fahnen geschrieben haben.
Start im Jahre 2018
Elektromeister Theophil Giebfried wollte mit dem beginnenden Rentnerdasein sein geballtes Fachwissen nicht einfach versauern lassen. "Ich wollte es weitergeben", sagt der Unruheständler im Gespräch mit dieser Redaktion. Als er eines schönen Tages im Wertstoffhof mitansehen muste, was alles von seinen Mitbürgern weggeworfen wurde, reifte in ihm der Gedanke, ein Reparaturcafé zu gründen. Der Bürgermeister wurde mit ins Boot geholt und nach rund einem Jahr Vorbereitung startete das Projekt im Jahre 2018 mit einem achtköpfigen Spezialistenteam.
"Wir haben Schreinermeister, Elektromeister, Ingenieure, Restauratoren, Uhrmacher - wir machen alles professionell", schwärmt Giebfried von der Einrichtung. "Wir konnten bisher 80 Prozent der Sachen, die uns gebracht wurden, wieder instandsetzen." Und mit einem Schmunzeln erklärt er warum: "Männer sind halt irgendwo doch immer Sammler und Jäger. Und wir auch, wir haben alles aufgehoben, vom Schräubchen bis zur Beilagscheibe. Da staunen die Leute oft, wo wir die ganzen Ersatzteile herhaben."
Oft hohe ideelle Werte
Philipp Lurz, Allianzmanager Hofheimer Land, sieht das Besondere des Hofheimer Reparaturcafés "in der Kombination mit dem sozialen Aspekt". Einerseits werde durch das gemeinsame Reparieren ein "Kontrapunkt zur Wegwerfmentalität" gesetzt und die Wertschätzung für handwerkliches Arbeiten gestärkt, so Lurz gegenüber dieser Redaktion. Zusätzlich werde der soziale Austausch innerhalb der Gemeine-Allianz Hofheimer Land gefördert. "Das ist eine eingeschworene Truppe", so Lurz, "die haben eine Heidenfreude daran, anderen Menschen zu helfen." Bei vielen Sachen, die ins Reparaturcafé gebracht werden, sei der ideelle Wert oft viel höher als der materielle. Ob es sich um ein Hochzeitsgeschenk handelt, das mit der Zeit aus dem Leim gegangen ist, oder die alte Schrankuhr, die nicht mehr zeigt, was die Stunde geschlagen hat - die Freude ist riesig, wenn die Reparateure Erfolg hatten.
"Und dazu gibt es noch Kaffee und selbstgebackenen Kuchen", schildert Philipp Lurz, was neben der Nachhaltigkeit der Einrichtung deren Charme ausmacht. Die Frauen von der Hofheimer Stadtbücherei kümmern sich um Kaffee und Kuchen für die Wartenden. Und manchmal kommen sogar "Kunden" vorbei, die gar keine sind - nur weil der Kuchen und der Kaffee so gut sind. Für die Reparateure gibt es außer einem dicken Lob kein Honorar, nur um eine kleine Spende wird gebeten. Die fließt - ebenso wie der Erlös aus den kulinarischen Leckereien - zu hundert Prozent in die Stadtbücherei, die damit schon manch neuen Lesestoff für ihre Kunden anschaffen konnte.
Im Internet und auf Listen
Ab sofort kann bis 27. Oktober unter www.deutscher-engagementpreis.de/publikumspreis für das Reparaturcafé Hofheimer Allianz - "dieser Name steht sogar auf unseren Shirts", stellt Theophil Giebfried klar - abgestimmt werden. Vorgeschlagen wurde es von der Main-Post, die das Reparaturcafé schon im Jahre 2019 bei der Aktion „Zeichen setzen“ mit dem Förderpreis der Mediengruppe für ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet hatte. Der Publikumspreis des Deutschen Engagementpreises ist mit 10 000 Euro dotiert. Die 50 Erstplatzierten gewinnen außerdem die Teilnahme an einem Weiterbildungsseminar in Berlin. Unterstützer des Reparaturcafés müssen dafür aber nicht unbedingt ins Internet. Es liegen auch Listen aus in der Stadtbibliothek und im Büro des Allianzmanagers im Interkommunalen Bürgerzentrum. Geplant ist zudem, die Listen auch in den Dorfläden und Bäckereien im Allianzgebiet auszulegen. Jetzt heißt es nur noch abstimmen, damit das Reparatuercafé einen weiteren Aufschwung nimmt.
Ausweg aus dem Corona-Dilemma?
"Derzeit können wegen Corona keine Veranstaltungen durchgeführt werden", sagt Theophil Giebfried. Aber wie heißt es so ähnlich wie bei Paulchen Panther? "Heute ist nicht alle Tage, das Reparaturcafé kommt wieder, keine Frage." Deshalb macht sich der Kopf der tollen Helfertruppe auch schon länger Gedanken darüber, auf welche Art und Weise diese schöne Einrichtung bald wieder aktiv werden kann. Er hat auch bereits ein paar Ideen, aber die muss er erst noch mit dem Bürgermeister beratschlagen, mehr darf hier nicht verraten werden.
Noch bis 27. Oktober kann unter www.deutscher-engagementpreis.de/publikumspreis für das Reparaturcafé Hofheimer Allianz abgestimmt werden.