Dass schreckliche Ereignisse auch Positives auslösen können, das erlebten die 140 Helferinnen und Helfer, die vergangenen Donnerstag auf dem Betriebshof Stappenbacher in Trossenfurt Hilfsgüter für die Ukraine sortierten und verpackten – und noch viel mehr die 24 Fahrerinnen und Fahrer, die am Freitagmorgen nach Krakau starteten. Gemeinderat Roland Baumann und Christian Nickles, Geschäftsführer der Stappenbacher Group, schilderten anschließend ihre Erfahrungen. Und es soll nicht die letzte Hilfe gewesen sein, die für Kriegsopfer von Oberaurach ausgeht.
"Ich kann noch gar nicht schlafen", sagt Christian Nickles am Samstag am Telefon, seit zwei Stunden zurück aus Krakau. Die Erfahrungen der letzten Tage überwältigen ihn immer wieder. "Ich kann gar nicht so viel Danke sagen, wie es eigentlich bräuchte – und bestimmt vergess' ich dann wieder jemanden", sagt Nickles. Doch diejenigen, die sich aus den verschiedensten Richtungen in die Hilfsaktion einbrachten, erwarten gar keinen Dank. Denn wohl allen geht es so wie dem Stappenbacher-Geschäftsführer sowie den beiden Familien Stappenbacher und Nickles: das Gefühl, bei aller Ohnmacht gegenüber einem Krieg etwas Sinnvolles zu tun und direkt betroffenen Menschen zu helfen.
Das bestätigt auch Roland Baumann, der von Beginn an zum engen Planungskreis gehörte, als der Spendenaufruf auf mehr und mehr Resonanz stieß. "Der Roland war als Bub mein Oberministrant und seitdem sind wir befreundet", sagt Christian Nickles. Mit einem Bus und Anhänger wollte Dawid Heil, Bauleiter bei Stappenbacher, in seine polnische Heimat fahren, um dort ukrainischen Geflüchteten zu helfen. Am Ende waren es zwölf Fahrzeuge, darunter einige große Lkw, die 250 Paletten und fast 100 Big Packs nach Krakau brachten. 450 Kubikmeter oder 100 Tonnen umfassten die Hilfsgüter schließlich.
Weiße Fahnen an allen Fahrzeugen
Nach der riesigen Sortieraktion am Donnerstag setzte sich der Konvoi am Freitagmorgen um 3 Uhr in Bewegung Richtung Krakau, wo die Stadtverwaltung im Fußballstadion ein großes Hilfszentrum eingerichtet hat. Weiße Fahnen flatterten an allen Fahrzeugen – Zeichen für einen humanitären Hilfstransport, aber auch Zeichen für die enorme logistische Leistung drumherum.
"Ich bin so froh, dass wir als Familie so ein großes Netzwerk haben bis hin zu THW und Feuerwehr. Und dazu kamen noch befreundete Firmen und wildfremde Leute, die auf die Posts in Sozialen Netzwerken reagiert haben", sagt Christian Nickles. Zahlreiche Firmen stellten Fahrzeuge und Fahrer – doch bis die Fahrzeuge beladen werden konnten, gab es tausend Dinge zu regeln und zu organisieren – von ausreichend Verpackungsmaterial und der korrekten Einrichtung eines Spendenkontos bis zu Zoll und Sicherheitsbestimmungen. So sind für humanitäre Hilfstransporte derzeit aufgrund einer Verordnung der Bundesregierung und des Bundesamtes für Güterverkehr die Lenk- und Ruhezeiten außer Kraft gesetzt.
Viele Freiwillige haben mitgeholfen
Wenn über 100 Menschen zusammenkommen, um zu helfen, braucht es auch Verpflegung, die unter anderem von der Metzgerei Böllner in Dankenfeld und der benachbarten Brauerei Roppelt kamen. Frauen brachten Kuchen. Bürgermeister Thomas Sechser installierte kurzerhand eine Außenstelle des gemeindlichen Covid-Testzentrums zu Stappenbacher, um jeden Helfer und jede Helferin vor Beginn zunächst zu testen. Der gesamte Bauhof war mit im Einsatz, Rathausbedienstete verbrachten mindestens die Mittagspause im Helfereinsatz. Alle Altersklassen waren beim Sortieren vertreten und allen war eines gemeinsam: "Das ist doch das Wenigste, was man tun kann". Niemand hätte damit gerechnet, dass die riesigen Berge von Kleidersäcken und Schachteln am Nachmittag komplett palettiert wären. Fein säuberlich nach Warengruppen sortiert.
Gemeinschaftsgefühle auf der Autobahn
"Da waren sie in Krakau regelrecht platt. Wir seien nicht nur der bisher größte privat organisierte Hilfstransport gewesen, sondern auch der am besten sortierte", erzählt Christian Nickles. "Normalerweise sortieren sie dort das, was am Donnerstag bei uns stattgefunden hat". Auf der Autobahn Richtung Krakau habe man wieder ein großartiges Gemeinschaftsgefühl gehabt, berichtet Roland Baumann, denn aus vielen europäischen Ländern waren ebenfalls weiß beflaggte Fahrzeuge Richtung Osten unterwegs. "Da konnte man sehen, was ein wirklich vereinigtes Europa leisten kann", freut sich der Kommunalpolitiker rückblickend.
Freitagabend waren die Fahrzeuge aus dem Landkreis Haßberge an den Abladestationen rund um das Stadion in Krakau. "Da waren enorm viele polnische Helfer, wir wurden bestens betreut und waren richtig happy beim gemeinsamen Abendessen", erzählt Roland Baumann. Viele der Fahrer traten wenig später die 850 Kilometer Rückfahrt an. Er selbst und Kollege Mario Pfaff entschieden sich für ein paar Stunden Schlaf und mieteten sich in einem Hotel ein.
Noch am Wochenende jedoch wurde der Grundstein dafür gelegt, dass das Projekt, das in der Fahrer-Crew den Spitznamen "Stappi-Care" hat, weitergehen soll. In Oberaurach war nämlich inzwischen die Überlegung gereift, ob man nicht Wohnraum für Geflüchtete anbieten könnte. "Das ist wirklich notwendig, denn in Polen wurde uns gesagt, dass die Kapazitäten inzwischen ausgereizt sind – was Verpflegung, Unterkunft und medizinische Versorgung betrifft", erklärt Roland Baumann. Deshalb saßen er, Christian Nickles und Bürgermeister Thomas Sechser schon am Sonntag zusammen.
Die Gemeinde Oberaurach fordert ihre Bevölkerung auf, freie Zimmer oder (Ferien)Wohnungen unter der Mailadresse gemeinde@oberaurach.de oder bei Andrea Hornung im Rathaus unter Tel.: (09522) 72119 zu melden. "Wenn wir sie unterbringen können, holen wir in zwei Wochen 50 oder auch 100 Geflüchtete, um ihnen ein bisschen Geborgenheit und vor allem Sicherheit zu geben", sagt Christian Nickles. Der nochmals wiederholt: "Ich danke allen, allen, allen, die uns hier unterstützt haben!"