"Ihr habt Helfer angemeldet – können die gleich kommen?" Anna Stappenbacher steht auf dem Betriebshof in Trossenfurt inmitten eines großen Gewusels und versucht, der Massen Herr zu werden. Ihr Onkel Christian Nickles, einer der Geschäftsführer der Stappenbacher Group, hat ebenfalls das Handy am Ohr: "Habt Ihr noch Umzugskartons?" Ein Spendenaufruf für die Kriegsopfer aus der Ukraine hat die Stappenbachers in den Ausnahmezustand versetzt. Am Freitagmorgen startet ein Konvoi mit Hilfsgütern in Richtung Krakau.
"Dass das solche Dimensionen annimmt, haben wir nicht geahnt. Momentan ist es mir noch ein Rätsel, wie wir das bis heute Abend alles verpacken", gibt Christian Nickles zu, "aber es gibt auch so viel Unterstützung". Wie es dazu kam? David Heil und seine Frau Karolina sind beide Bauleiter bei der Firma Stappenbacher (Fassadengestaltung, Verputzer und Gerüstbau) und stammen aus dem Nordosten Polens. Dort gibt es große ukrainische Gemeinden und der Krieg im Nachbarland geht auch an ihnen nicht spurlos vorbei.
Vergangenen Samstag beim Nachmittagskaffee "hatten wir Langeweile und überlegten, ob wir nicht Hilfsgüter hinfahren. Ich hab den Chef angerufen und gefragt, ob ich einen Anhänger von der Firma leihen kann". Der grinst: "Ich hab dann gesagt: Nimmst einen Bus und den Sprit bezahlen wir". Damit der Bus "oder auch zwei" voll werden, startete Nickles einen Aufruf auf Facebook – und dann rollte die Hilfe an.
"Seit Montag bin ich alle zehn Minuten am Telefon, wir haben einen Azubi abgestellt, der nur dafür zuständig ist", sagt Anna Stappenbacher. Schon nach drei Tagen merkten Organisatoren, dass die Sachspenden riesige Ausmaße annehmen, und richteten ein Spendenkonto ein. "Vieles kann man ja auch in Polen direkt kaufen, dann fällt der Transportaufwand weg", sagt sie. Lebensmittel hat sie mit dem gespendeten Geld direkt nach Polen geordert.
Vor allem auch die Qualität der Spenden - ob Kleidung, Babynahrung, Hygieneartikel oder Tierfutter - überraschte. Arztpraxen lieferten Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel und Medikamente "und vom MVZ in Haßfurt kam auch eine große Spende, da war sogar OP-Besteck dabei - unglaublich".
Menschen aus der ganzen Region helfen mit
Für Donnerstag hatten die Organisatoren Helfer für das Verpacken eingeladen. Viele Menschen meldeten sich – auch ganze Gruppen. Örtliche Firmen stellten Mitarbeiter frei oder der Chef kam gleich selbst. Mittendrin der Trossenfurter Feuerwehrkommandant Stefan Keller, dessen Mannschaft auch Geld gesammelt hat, und Martin Mittelstädt, der als Mitglied beim Technischen Hilfswerk (THW) Profi ist für solche logistischen Herausforderungen. Aber auch aus Eltmann, Sand, Ebelsbach und vielen anderen Orten sind Helfer gekommen.
Die Säcke stapeln sich zu Bergen – auf dem Hof und drinnen in den Firmenräumen bis unter die Decke. Die Firma Stappenbacher hat durchaus viele Fahrzeuge, aber das sind vorwiegend Kleinbusse und offene Laster für den Gerüsttransport. Angesichts der Massen, die er auf den Postings der Stappenbacher Group sah, war für Manfred Eichhorn gleich klar: Da muss auch ein großer Lkw her. Und so ist ein 26-Tonner des Transport- und Entsorgungsunternehmens Eichhorn jetzt das Herzstück des Konvois. Dazu kommen zwei 7,5-Tonner und sechs Sprinter verschiedener Eigentümer, die sich auf die insgesamt 1700 Kilometer Strecke nach Krakau und zurück machen werden.
Auch die 18 dafür benötigten Fahrer waren schnell gefunden sowie zwei Ukrainer als Dolmetscher. Christian Nickles selbst ist dabei, aber auch Ebelsbachs Bürgermeister Martin Horn und der Oberauracher Gemeinderat Roland Baumann – als Lehrer hat er gerade Ferien und konnte spontan zusagen. Am Donnerstag saß er am Eingang zum Betriebshof und nahm zusammen mit Bürgermeister Thomas Sechser und dessen Frau vom gemeindlichen Testzentrum jedem Helfer erstmal einen Covid-Schnelltest ab, damit auch der Sicherheit Rechnung getragen war.
Karolina Heil hat mit der Stadt Krakau vereinbart, dass die Hilfsmittel dort zentral entgegengenommen und über die in Polen aufgebaute Hilfslogistik verteilt werden – an Flüchtlinge, aber auch direkt in die Ukraine. Alle Hilfsgüter müssen sortiert, beschriftet und verpackt werden. Dazu wurden Sortierstraßen in den Hof gebaut für Medizinbedarf, Kleidung, Bettwäsche, Schlafsäcke, Iso-Matten und vieles andere. Vor allem die Sortierung der Kleidung ist zeitraubend, aber notwendig, damit auch die Verteilung zielgerichtet ankommt - und es auch nicht zu Problemen beim Grenzübertritt kommt. Auch Hilfstransporte müssen Einfuhrbestimmungen einhalten.
Wenn man bedenkt, welch "kleine" Idee am Anfang stand, dann beeindruckt die professionelle Organisation umso mehr. Jedem der Helfer ist vor allem eines wichtig: schnell, unbürokratisch und direkt helfen. "Wenn alles gut geht, sind wir Samstag Nacht zurück", sagt David Heil mit einem Lachen im Gesicht und fährt eine fertig verpackte Palette zu einem Sprinter.