Die Geburtenstation im Haus Haßfurt der Haßbergkliniken ist durch die Finanzspritze des Freistaats Bayern in Höhe von einer Million Euro vorerst gesichert. Doch Friede, Freude und Eierkuchen herrscht dort noch nicht. Dies musste die Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml, bei ihrem Besuch am Freitag erfahren. Bei einem Gespräch mit dem Stationspersonal, der Krankenhausleitung und Politikern machten die Hebammen auf die derzeitigen Probleme ihres Berufsstandes aufmerksam.
Hebammen benachteiligt
Petra Müller, die Leiterin der Hebammen am Krankenhaus in Haßfurt, bedankte sich zunächst bei der Ministerin für die Unterstützung der freiberuflichen Hebammen. Die in einer Klinik festangestellten Hebammen seien jedoch finanziell und arbeitsmäßig benachteiligt. Dabei sei das Risiko bei einer Geburt enorm und gleichzeitig seien die Hebammen immer häufiger mit Klagen konfrontiert. "Wenn ein Kind stottert, bin ich dran schuld", brachte Müller den Missstand auf den Punkt. Mit einem Nachtzuschlag von 15 Prozent locke man keine Hebamme ins Krankenhaus, sagte sie. Ihre Kollegin Annette Storkan beklagte, dass es zu wenige freiberufliche Hebammen gebe. Viele Hebammen arbeiteten gesundheitlich am absoluten Limit. Landtagsabgeordneter Steffen Vogel regte an, den Berufseinstieg zu erleichtern und auch Nicht-Abiturientinnen eine Ausbildung zu ermöglichen.
Melanie Huml verwies darauf, dass die Zahl der Hebammen in Bayern zugenommen habe. Viele von ihnen würden jedoch nur in Teilzeit oder in der Vor- oder Nachsorge arbeiten. Mit einem Geburtshilfeförderprogramm unterstütze die Staatsregierung über 20 Krankenhäuser mit bis zu einer Million Euro jährlich. Für jedes neugeborene Kind erhalte der Landkreis 40 Euro für seine Hebammen. Bei mehr als vier durchgeführten Geburtshilfen erhalte eine Hebamme zusätzlich 1000 Euro im Jahr. Bei Gründung einer Niederlassung erhalte eine Hebamme ein "Gründerpaket" in Höhe von 5000 Euro.
Die freiberuflich tätige Hebamme Petra Reichert-Wittke regte an, dass 40 Euro auch für außerklinische Geburten gezahlt werden sollten. Petra Müller ist zu 70 Prozent festangestellt und macht neben ihrer Arbeit in der Klinik auch Hausbesuche. Ein Zwölf-Stunden-Tag sei normal, sagte sie. Einfacher für sie wäre es, wenn die Mütter zu ihr kommen könnten. Auf diese Weise könne sie mehr Termine wahrnehmen. Melanie Huml regte an, es zu vermeiden, dass immer dieselbe Hebamme am Wochenende angerufen würde, um kurzfristig auszuhelfen. Dies sei in der Praxis schwer umsetzbar, sagte Müller, wenn beispielsweise durch Krankheit oder Urlaub die Personaldecke sehr dünn ist. Huml bekräftigte nochmals ihre Solidarität: "Geld darf kein Grund sein, Geburtshilfestationen zu schließen." Sie fand dabei in Steffen Vogel einen Mitstreiter: "Wenn es die Geburtenstation in Haßfurt nicht gäbe, müsste woanders, beispielsweise in Schweinfurt oder Bamberg, gebaut werden", meinte er.
Hebammen-Notfallsprechstunde
Benjamin Herrmann, Geschäftsstellenleiter Gesundheitsregion plus am Landratsamt, wies darauf hin, dass im Jahr 2019 eine Hebammen-Notfallsprechstunde eingerichtet wurde, um Wöchnerinnen mit ihren Neugeborenen eine Hilfestellung zu bieten. Mittlerweile habe man einen grundsätzlichen Beratungsbedarf festgestellt, sodass ab diesem Jahr die Hebammen nicht nur in Notfällen für Fragen oder Hilfeleistung zur Verfügung stehen. Die Hebammen-Sprechstunden finden ganzjährig an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 10 bis 14 Uhr im Ärztehaus II des Medizinischen Versorgungszentrums am Krankenhaus statt. Unter der Telefonnummer (09521) 282372 können sich Mütter an diesen Tagen anmelden. Mit Wartezeiten muss eventuell gerechnet werden. Die Mütter sollen ihre Krankenkassen-Versichertenkarte mitbringen, da die Hebammenhilfe eine Kassenleistung darstellt. Privatversicherte erhalten eine Privatrechnung.
Pilotprojekt Nachpflege
Landrat Wilhelm Schneider bedankte sich bei Ministerin Huml für die finanzielle Unterstützung aus München und regte - in einem ganz anderen Zusammenhang - an, im Krankenhaus in Ebern als Pilotprojekt eine Nachpflege auf der Kurzzeitpflegestation des Seniorenheims zu etablieren. Huml fand diese Idee "sinnvoll", da es Patienten gebe, die kein Krankenhausbett benötigten, aber daheim allein hilflos wären.