
Irgendwer hat hier in den letzten Tagen am Rande der Grundstücke einen Streifen ins hohen Gras gemäht. Ins Gras jener Ausgleichsflächen, die die Stadt Haßfurt aus ökologischen Gründen am Rande der Neubaugebiete im Westen angelegt hat. Und der kurz geschnittene Wiesenstreifen lässt erkennen, wie stark ausgerechnet jenes Anwesen in den städtischen Grund übergreift, dessen Teileigentümer Haßfurts Dritter Bürgermeister Berthold Albert (Wählergemeinschaft Haßfurt, WG) ist:
Auf einer Länge von 20, vielleicht 25 Meter verläuft die Nordwestseite des besagten Grundstücks an der Ausgleichsfläche entlang. Jemand hat hier die an den Privatgrund angrenzende Flutmulde geschätzt zwei Meter breit und wohl knie- bis hüfthoch aufgeschottert. Und die Schotterfläche nach Südwesten hin mit einer Mauer aus Kalksteinen gesichert, am anderen Ende hingegen mit einer Sichtschutzwand verblendet. Zur Wiesenseite hin begleitet ein in der Ausgleichsfläche exotisch wirkender Erdwall den Schotterstreifen, bepflanzt mit Blumen, Kräutern, Sträuchern.
"Das sind alles andere als Kleinigkeiten, es handelt sich nicht nur um einen Hasenstall oder ein Trampolin", findet Christian Schneider, Ortsvorsitzender der CSU Haßfurt, denn es steht der Verdacht des Schwarzbaus im Raum. Zumal Schneider die Vermutung hat, dass auch "fest mit dem Erdboden verbundene bauliche Anlagen", es mag sich um Wärmepumpen oder Lüftungsanlagen für den Betrieb von Heizungen handeln, hier nicht auf privatem, sondern öffentlichen Boden stehen. Auf Schotter eben.
Im Prinzip glaubt der Haßfurter CSU-Chef zu wissen, wo die Grenze des Grundstücks verläuft, das Albert zusammen mit engen Familienangehörigen besitzt. Eine Garagenseite, eine Sichtschutzwand und eine Gabionenwand bilden hier auf der "Gartenseite" des Schotterstreifens eigentlich eine durchgehende und klare Grenzlinie.
Wenn dies zutrifft, dann muss es sich um Schwarzbau handeln. Davon ist die Haßfurter SPD längst überzeugt. Weswegen ihr Ortsvorsitzender Stephan Schneider im Namen der Mitglieder Albert schon vor Tagen den Rücktritt vom Bürgermeisterposten nahegelegt hat. Weil er seine Vorbildfunktion als Lokalpolitiker eingebüßt habe.
Genehmigung oder nicht: Was stimmt denn nun?
So weit wollte sein Bruder Christian Schneider bisher nicht gehen. Er und die CSU wollen erst wissen, ob die Grundstückeigentümer hier nicht eine Sondernutzungserlaubnis oder andere Genehmigungen vergleichbarer Art erhalten haben. So soll es Albert erklärt haben, während Bürgermeister Werner irgendwelche Absprachen oder Genehmigungen bisher bestritten habe, behauptet Schneider. Ja was stimmt denn nun?
Dass die Haßfurter CSU jetzt mehr und mehr auf Distanz zur Stadt und ihren drei Bürgermeistern geht – alle drei, Stadtoberhaupt Günther Werner und seine Stellvertreter Norbert Geier und Berthold Albert sind von der WG – hat folglich vor allem mit dem Fragenkatalog zu tun, den der Ortsverband in der "Causa Albert" am 10. Juni an Werner oder Stellvertreter im Amt gerichtet hat.

"Verarschen können wir uns selbst", kommentierte am Freitagabend Schneider im Gespräch mit der Redaktion kurz und bündig die Antworten (datiert vom 14. Juni), die er aus dem Rathaus bekommen hat. Keine Aussagen über die Eigentumsverhältnisse, kein Wort über eine mögliche Genehmigung, keine Andeutung, wie ein möglicher Schwarzbau sanktioniert werden könnte. Dafür der Hinweis: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine Behandlung des komplexen Themas primär in den zuständigen Gremien des Stadtrats erfolgen muss." Und auch seither keinerlei Aufklärung.
Verfasst hat das kritisierte Schreiben Zweiter Bürgermeister Norbert Geier, was Schneider regelrecht auf die Palme bringt. Warum antwortet nicht Günther Werner selbst? Warum dieser Übereifer von Geier? Christian Schneider wittert hier "Kompetenzüberschreitung" und echauffiert sich so, dass er an Moral und Anstand seines ehemaligen Parteifreunds appelliert. Geier solle als Zweiter Bürgermeister zurücktreten, findet Schneider; diese Forderung hatte es schon 2021 gegeben, als das einstige Urgestein der CSU erst nach seiner Wahl ins Bürgermeisteramt in die Wählergemeinschaft gewechselt war.
Der Kritisierte selbst schüttelt anhand solcher Vorhaltungen und Forderungen nur mit dem Kopf und lehnt Rücktrittsgedanken kategorisch ab. "Wo soll denn mein persönliches Verschulden bei der Sache sein?", stellt er im Gespräch mit der Redaktion am Freitag die Gegenfrage. Die Anfrage der CSU vom 10. Juni sei an den Bürgermeister oder seine Stellvertreter im Amt gerichtet gewesen; und in letzterer Eigenschaft habe er so schnell als möglich einen Zwischenbericht abgeben wollen, in dem zuoberst steht: "Nachdem eine Vielzahl von Fragen gestellt worden ist, wird die Prüfung und rechtliche Würdigung Ihres Schreibens eine geraume Zeit in Anspruch nehmen".
Es gibt in der Schwarzbau-Affäre zahlreiche Einzelfälle zu klären
"Wenn wir das Schreiben hätten liegenlassen, dann hätte man uns doch auch Vorwürfe gemacht, dass wir uns nicht darum kümmern wollen", glaubt Geier. So aber sei es ihm wichtig gewesen, möglichst schnell einen Zwischenbericht vorzulegen. Einmal mehr verweist der Zweite Bürgermeister darauf, dass das Thema viel komplexer sei, als es die Öffentlichkeit wahrnimmt. Betroffen von Schwarzbau-Vorwürfen sei ja nicht nur das Albert mitgehörende Grundstück, sondern zahlreiche Anwesen am Rande der Neubausiedlungen "Osterfeld II" und "Westlich der Sailershäuser Straße". Hier gelte es, in jedem Einzelfall zu klären, wer die Eigentümer seien, wo die Grenzen zwischen Garten und Ausgleichsflächen verlaufen und wer überhaupt für die Übergriffe aus städtischen Grund verantwortlich sei.
Insgesamt findet es Norbert Geier unfair, dass angesichts der nicht unerheblichen Zahl von "Grenzüberschreitungen" sein Parteifreund und Bürgermeisterkollege Berthold Albert nun so allein im Fokus der Kritik steht.
Doch eines ist wohl allen Beteiligten klar: Sollte nicht bald Lichts in Dunkel dieser mutmaßlichen Schwarzbau-Affäre rund um Berthold Albert gelangen, wird es in der Stadtpolitik zunehmend ungemütlicher. Schon länger ist vor allem das Verhältnis von CSU und SPD mit der "regierenden" Wählergemeinschaft angekratzt. Was eben daran liegt, dass Geier sein Bürgermeisteramt beim Wechsel von der CSU in die WG mitgenommen und nicht für eine andere Fraktion geräumt hat. Jetzt aber droht das Klima am Ratstisch mehr und mehr vergiftet zu werden, wenn nicht ein reinigendes Gewitter kommt.
Laut Albert gibt es mündliche Zusagen
Kurz vor Fertigstellung dieses Beitrags hat sich Berthold Albert am Sonntag telefonisch bei der Redaktion gemeldet, die eine Stellungnahme erbeten hatte. Er bleibe dabei, von Schwarzbau könne überhaupt nicht die Rede sein, nicht mal im Ansatz, wehrt sich der Lokalpolitiker. Er spricht von geringfügigen Eingriffen auf den benachbarten städtischen Grund und davon, dass die Stadt davon in Kenntnis gesetzt worden sei: "Wir hatten mehrere Gespräche mit der Verwaltung und auch mit dem Bürgermeister. Und es gab mündliche Zusagen", versichert Albert, räumt aber ein, dass ihm keine schriftliche Abmachung vorliege. Der Dritte Bürgermeister bot der Redaktion ein ausführliches Gespräch in der nahen Zukunft an.
Bürgermeister Günther Werner war im Zuge dieser Recherchen nicht zu erreichen. Im Briefkasten von Werner lag dieser Tage aber ein weiteres Schreiben von Christian Schneider. Ein persönliches, in dem dieser endlich Aufklärung fordert.
Eigentlich müsste die Untere Naturschutzbehörde am LRA tätig werden.