Haben beim Flächenverbrauch nicht gerade viele Kommunen versagt? Was Bayerns Gemeindetagspräsident dazu sagt und warum ihm die Forderung der Grünen nicht passt.
Frage: Innenstädte und Ortskerne veröden, auf der „grünen Wiese“ entstehen Gewerbegebiete mit riesigen Parkplätzen. Nun hat der Bayerische Gemeindetag ein Paket von Forderungen vorgelegt, um den Flächenverbrauch zu reduzieren. Haben viele Kommunen in der Vergangenheit versagt?
Uwe Brandl: Der Flächenverbrauch ist nicht nur den Kommunen anzulasten. Gerade für die überörtlichen Verkehrsplanungen des Landes und Bundes inklusive der Bahn werden erhebliche Flächen in Anspruch genommen.
Trotzdem kommt es auf die Städte und Gemeinden an. Sie haben auf ihrem Gebiet Planungshoheit.
Brandl: Nicht zu bestreiten ist, dass es vereinzelt Sündenfälle geben mag. Nicht zu bestreiten ist aber auch, dass zum Beispiel bei Verbrauchermärkten kein Vollversorger mehr bereit ist, unter 1200 Quadratmeter Verkaufsfläche zu bauen – nicht weil er so gerne mehr investiert, sondern weil der Verbraucher das volle Sortiment will. Da haben sie dann als kommunaler Entscheider die Wahl: keine Versorgung und Abwanderung, oder dem zu entsprechen, was der Investor bereit ist zu bauen. Daraus ein generelles Versagen der Kommunen abzuleiten geht an der Realität vorbei. Die Mehrheit der Kommunen nimmt ihre Planungsaufgaben sehr gewissenhaft und verantwortungsbewusst wahr.
Warum ist es so schwierig, die Ortskerne zu revitalisieren, Brachflächen und Baulücken zu nutzen. Hier liegt doch, wie Sie schreiben, eine Siedlungsfläche ungenutzt, die laut Statistik dem Flächenverbrauch von sieben Jahren (2008 bis 2015) entspricht?
Brandl: Die meisten Brachflächen gehören nicht den Gemeinden und können auch nicht erworben werden. Das Bauplanungs- und Ordnungsrecht gibt den Kommunen nahezu keine durchsetzbaren Möglichkeiten über diese Grundstücke gegen den Willen des Eigentümers zu verfügen. Die Rechtsprechung gibt den Eigentümern einen sehr starken Schutz, die Sozialpflichtigkeit bleibt auf der Strecke. Viele Grundstücke bleiben damit Spekulationsobjekte.
Sie schlagen vor, in Eigentumsrechte von Grundeigentümern einzugreifen, etwa wenn Bauruinen ungenutzt verfallen oder Bauland zu Spekulationszwecken missbraucht wird. Wie weit wollen Sie gehen?
Brandl: Es geht genau nicht um einen Eingriff ins Eigentum, sondern um die Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit. Wenn außergewöhnliche Spekulationsgewinne etwa durch eine Spekulationssteuer (Grundsteuer C) abgeschöpft werden können, wird das sicher dazu führen, dass Eigentümer darüber nachdenken, ob sie das Grundstück nicht besser einer Bebauung und Nutzung zuführen. Mit einem gemeindlichen Ankaufsrecht für bebaubare oder sanierungsbedürftige Grundstücke/ Gebäude könnte die Gemeinde den Eigentümer vor die Wahl stellen, das Grundstück oder Gebäude selbst zu bebauen beziehungsweise in Stand zu setzen oder zum Verkehrswert an die Kommune abzugeben. Wer eine echte Innenentwicklung will, und sich nicht auf Programmsätze und Empfehlungen beschränkt, der muss konsequent auch Instrumente zur Verfügung stellen, die diese gewünschte Entwicklung auch ermöglichen.
Wie stehen Ihrer Ansicht nach die Chancen, dass mit einer Grundsteuer C der Spekulation mit Grund und Boden Einhalt geboten wird?
Brandl: Wenn diese Grundsteuer entsprechend ausgestaltet ist, gibt es dafür gute Chancen.
In einigen Punkten sind ihre Forderungen deckungsgleich mit den Forderungen der Grünen, die in Bayern ein Volksbegehren gegen den hohen Flächenverbrauch betreiben – zum Beispiel die Forderung, Handelsunternehmen Tiefgaragen vorschreiben zu dürfen.
Brandl: Was mir aber nicht gefällt ist die Schwarz-Weiß-Malerei der Grünen und die Feindbilder die aufgebaut werden. Das Thema eignet sich zur Emotionalisierung. Das dicke Ende wird den Wählern verschwiegen. Auch die Kommunen wollen Flächen sparen. Die Grünen erklären den Menschen nicht, dass mit ihrem Ansatz eine Verwirklichung gleicher Lebens und Arbeitsbedingungen unmöglich gemacht wird.
Können Sie das konkreter erklären?
Brandl: Rechnen Sie selbst. Bei einem Tagesverbrauch von fünf Hektar inklusive Verkehrsflächen und Ausgleichsflächen, wie von den Grünen gefordert, wird einer Kommune von 5000 Einwohnern ein Entwicklungspotenzial von rund 3000 Quadratmeter pro Jahr zugebilligt. Damit kann sich keine Gemeinde mehr vernünftig entwickeln. Im Gegenteil: die Preise für Bauland werden explodieren und der Urbanisierungsdruck zunehmen. Der vorgeschlagene Verkauf von nicht verbrauchten Flächen wird dazu führen, dass sich nur die Gemeinden weiter entwickeln, die dafür die Kohle haben. Das ganze Konstrukt ist nach unserem Dafürhalten verfassungswidrig. Fazit: Flächensparen ja, aber angepasst und so, dass Entwicklungen möglich bleiben, die in einem Land mit dem Anspruch, Wohlstand zu erhalten, gerecht werden.
Würde es ohne das Volksbegehren nicht einfach so weitergehen wie bisher? Ihre Partei, die CSU, bekennt sich seit Jahren zum schonenden Umgang mit der Ressource Boden, besser geworden ist es aber nicht.
Brandl: Das ist nicht korrekt! Der Flächenverbrauch ist seit Jahren zurückgegangen und selbstverständlich muss unser Bemühen weiter gehen, Flächenverbrauch einzudämmen. Aber so einfach ist es nicht: Wir haben unstreitig eine Unterversorgung mit Wohnungen und Wohnraum, die Wohnraumversorgung ist auch ein Verfassungsziel. Wollen Sie aber einer Familie, die ein Grundstück sucht, um sich etwas zu schaffen, sagen: ,Sorry, wir können dir kein Grundstück geben, unser Flächenkontingent ist verbraucht?‘