
Es ist 6 Uhr, als auch im Landkreis Haßberge die große Blockade der Bauern beginnt. Im Schritttempo schleichen Traktorenkonvois über die Straßen und bremsen den Verkehr aus. Es ist der erste bundesweite Aktionstag, mit dem die Landwirte gegen drohende Subventionskürzungen demonstrieren. Und gegen die in ihren Augen verfehlte Agrarpolitik der vergangenen Jahre.
Im Blick haben die Bauern aus dem Haßbergkreis am Montagmorgen neuralgische Verkehrsknotenpunkte: die Anschlussstellen zur A70 im Maintal, die Bundesstraßen 303 und 279 im Norden. In Königsberg findet am Nachmittag schließlich eine große Kundgebung statt.
Knetzgau: Hunderte Schlepper blockieren Autobahnzubringer
"Wir Landwirte sind das frühe Aufstehen gewohnt", ruft ein Mann lachend von seinem Traktor. Die Warnleuchte blinkt in der Dunkelheit, er hupt. Der Bauer steht mit seinem Fahrzeug auf der Staatsstraße 2276. Der Zubringer zur Autobahnauffahrt bei Knetzgau ist besonders in den Morgenstunden vom Pendlerverkehr stark frequentiert. Es ist 7.35 Uhr, schon seit eineinhalb Stunden ist die Straße in Fahrtrichtung Zell weitgehend dicht.

"Ich schätze, dass sich etwa 150 Fahrzeuge an der Blockade beteiligen", sagt Daniel Diehm. Der Landwirt aus Zeil hat die Kundgebung gemeinsam mit zwei Kollegen angemeldet. "Unsere Anliegen werden sonst nicht wahrgenommen", begründet der 43-Jährige den Protest. "Wir alle sind rechtschaffende Leute, die jetzt eine starke Lohnkürzung verordnet bekommen." Diehm möchte das nicht hinnehmen. Und er bekommt Unterstützung. Auch Handwerker, Bauunternehmer und Spediteure schließen sich an diesem Tag dem Protest an.

Ab 7.45 Uhr blockieren die Bauern mit ihren Traktoren schließlich auch den gegenüberliegenden Fahrstreifen, sie reihen sich bis kurz vor die Auffahrt in Richtung Bamberg. "Der Zeitplan ist mit der Behörde so abgesprochen, dass die Schulbusse noch durchkommen", erklärt Diehm. Der Kompromiss sei für alle Beteiligten eine gute Lösung. Doch die Verkehrsteilnehmenden müssen sich auch in den kommenden Tagen auf massive Beeinträchtigungen einstellen. Bis zum 12. Januar sind Kundgebungen an der Anschlussstelle Knetzgau offiziell angemeldet.
Wonfurt: Landwirte klagen über "Verfehlungen der Politik"
Auch die Autobahnzufahrten bei Theres bleiben am Montagmorgen von den Protesten nicht verschont. "Wir sind ungefähr seit 8 Uhr hier", sagt Silvia Greß aus Donnersdorf, die mit ihrem Sohn am Rand der Staatsstraße 2426 steht. Beide tragen Warnwesten, wie alle Demonstranten an diesem Tag, eine Art gemeinschaftliches Erkennungssymbol. Greß, selber keine Landwirtin, solidarisiert sich mit den Bauern. "Einen gerechten Lohn für gerechte Arbeit halte ich für sehr wichtig, das gilt für alle Berufsgruppen", sagt sie. Die Demo sieht Greß als "sanftes, aber dennoch deutliches Zeichen" an die Politik.

Etwa 80 Fahrzeuge – Traktoren, Lastwagen, Autos – blockieren den Autobahnzubringer bei Theres. Am Kreisel hat die Polizei die Zufahrt über die Main-Brücke gesperrt. Einige Autofahrer finden trotzdem Wege vorbei an der Demo.
Matthias Pfeil ist Mitorganisator der Kundgebung. Der Landwirt aus Altershausen bei Königsberg sieht "Verfehlungen der Politik" als Ursache für den Frust seines Berufsstands. Immer mehr Verordnungen seien in den vergangenen Jahren hinzugekommen. "Inzwischen sitze ich die Hälfte der Arbeitszeit im Büro", sagt er. Seit die Ampel regiere, habe sich die Taktung "dieser Tiefschläge" erhöht.

Das sieht auch Kollege Harald Hümmer so. Der Landwirt aus Geusfeld, Rauhenebrach, hält eine Liste mit politischen Entscheidungen aus den vergangenen zwei Jahren in der Hand, unter denen die Bauern seiner Meinung nach leiden: darunter höhere CO2-Abgaben, vermehrte Flächenstilllegungen, Schäden durch Wolf und Biber. "Der Schritt, die Vergünstigungen zu streichen, hat das Fass jetzt zum Überlaufen gebracht", sagt der 54-Jährige. Die deutschen Landwirte, so Hümmer, drohen ihre Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU zu verlieren.
Pfaffendorf: Veranstalter lehnen extreme Gesinnung ab
Im Norden des Landkreises, unweit von Paffendorf, haben sich hunderte Menschen in neonfarbenen Westen auf einer Wiese versammelt. Feuer brennen in Schalen, sie sollen die eisige Kälte etwas erträglicher machen. Auf einer Bühne sprechen drei Männer. Nur einen Steinwurf entfernt kreuzen sich die Bundesstraßen 303 und 279, sie verbinden Schweinfurt und Coburg sowie Bamberg und Bad Königshofen miteinander. Seit 5 Uhr in der Früh sorgen rund 300 Fahrzeuge für massive Verkehrsbeeinträchtigungen am wichtigen Knotenpunkt.

Die Demonstration angemeldet haben unter anderem Hannes Rügheimer, 22, und Sebastian Kuhn, 31. Beide kommen aus Pfarrweisach. "Inzwischen braucht man Fortbildungen, um sich durch die ganze Bürokratie kämpfen zu können", sagt Rügheimer. Doch der Rückhalt sei groß, den die beiden aus der Bevölkerung spüren, ergänzt Kuhn. "Die Menschen auf dem Land haben Verständnis für das Anliegen von uns Landwirten – anders als bei den Klimaklebern." Innerhalb kürzester Zeit hätten die Organisatoren 1400 Unterstützerinnen und Unterstützer in zwei Whatsapp-Gruppen zusammengetrommelt.
Zuletzt hatten Sicherheitsbehörden vor Unterwanderungsversuchen der bundesweiten Bauernproteste durch rechtsextreme Kräfte gewarnt. Eine offenbar in Teilen begründete Sorge. So schrieb etwa die vom Verfassungsschutz beobachtete neonazistische Gruppierung "Zukunft schaffen - Heimat schützen" aus dem Raum Ebern am Sonntag über den Nachrichtendienst Telegram: "Morgen (...) gehen wir nicht als Bauern, Logistiker oder Handwerker auf die Straße, sondern als deutsches Volk."

Klaus Pieroth, Geschäftsführer des Bayerische Bauernverbands (BBV) Schweinfurt-Haßberge, hatte angesichts der Warnungen bereits am Freitag Flagge gezeigt. "Wir wollen keine Unterwanderung durch rechtsradikales Gedankengut", machte er bei einer Mahnwache in Steinsfeld, Wonfurt, deutlich. "Ich will niemanden da haben, der extrem ist", sagt auch Sebastian Kuhn. Und Rügheimer ergänzt: "Wir Bauern sind grundsätzlich friedliche Leute."
"Das Schlimmste wäre, wenn unsere Bewegung den Rückhalt aus der Bevölkerung verlieren", fährt er fort. Die Menschen müssen sich allerdings auf weitere Einschränkungen einstellen, denn eine Eintagsfliege soll auch die Demo am Pfaffendorfer Kreuz nicht sein. Sie ist vorläufig bis 14. Januar genehmigt. "Wir wollen zeigen, wie ernst wir es meinen", sagt Rügheimer.
Königsberg: Auch die große Politik versammelt sich
Dicht an dicht stehen am Montagnachmittag rund 100 Traktoren und andere Fahrzeuge auf dem Festplatz in Königsberg. Die Hofheimer Geschäftsstelle des BBV hatte in Abstimmung mit dem Verein "Landwirtschaft verbindet Bayern" zu einer Protestaktion gegen die Berliner Streichungspläne aufgerufen. Rund 300 Menschen waren dem gefolgt.
Dieter Reisenweber, der Kreisobmann des Bauernverbandes im Landkreis Haßberge, steht an diesem Nachmittag gemeinsam mit dem Zweiten Bürgermeister der Stadt Königsberg, Alexander Krauser, BBV-Geschäftführer Klaus Pieroth, Kreisbäuerin Cäcilie Werner und Franz Böhm vom LSV auf dem Podium, einem Traktor-Anhänger. Gemeinsam fordern die Akteure die Bundesregierung zur Rücknahme der geplanten Streichungen auf. Auch der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel (CSU) ergreift das Wort. Er verdeutlicht, dass es den Bauern nur um den Erhalt des Status quo gehe.

Kreisobmann Reisenweber betont in Königsberg, dass sich der Bauernverband stets an die Regeln halte und friedlich demonstriere. Störenfrieden gebe man keine Bühne. Einer, der etwas Besonderes im Gepäck hat, ist Landwirt Siegbert Bartuschat aus Lendershausen. Er hat einen Kindertraktor auf eine Sackkarre gepackt, um satirisch einen alternativen Antrieb für Bulldogs zu demonstrieren. "Wenn es mal soweit kommt, können wir keine Lebensmittel mehr produzieren, die dann aus dem Ausland importiert werden müssen", so der Landwirt.
Im Anschluss an die einstündige Kundgebung fahren die Bauern schließlich sternförmig mit ihren Traktoren in Richtung Haßfurt, Hofheim und Ebern.