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Untermerzbach
Es grünt so grün: Warum immer mehr Äcker im Landkreis Haßberge im Winter grün sind und nicht braun
Die Landwirte bauen Zwischenfrüchte an. Denn sie kämpfen gegen die Bodenerosion, die in Zeiten des Klimawandels immer dramatischer wird.
Kampf der Erosion: Dieter und Felix Reisenweber begrünen ihre Flächen, um der Bodenabtragung durch Wind und Wasser vorzubeugen.
Foto: Wolfgang Aull | Kampf der Erosion: Dieter und Felix Reisenweber begrünen ihre Flächen, um der Bodenabtragung durch Wind und Wasser vorzubeugen.
Wolfgang Aull
 |  aktualisiert: 15.07.2024 16:55 Uhr

So grün wie in diesem Winter war es auf den Ackerflächen im Landkreis Haßberge schon lange nicht mehr. Der Anbau von Zwischenfrüchten hat augenscheinlich Hochkonjunktur. Und dies aus gutem Grund, meint Dieter Reisenweber, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes Haßberge. Die Redaktion hat ihn getroffen.

80 Prozent der Ackerflächen müssen bedeckt sein

Reisenweber berichtet, dass die Ursache für das Grün im Landkreis Haßberge in Brüssel zu finden sei, namentlich bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union. Denn diese zeichne verantwortlich für den vorgegebenen Weg: "Im Zeitraum vom 15. November bis zum 15. Januar, also über einen achtwöchigen Zeitraum, muss eine Bodenbedeckung auf Ackerflächen sichergestellt sein."

Die Vorgaben zur Mindestbodenbedeckung müssten erstmalig ab Herbst 2023 eingehalten werden. 80 Prozent der Ackerflächen hätten demnach eine Bodenbedeckung aufzuweisen, für die restlichen 20 Prozent der Ackerfläche gilt dieses nicht und diese könnten "schwarz" beziehungsweise unbedeckt bleiben.

"Bodenerosion gefährdet langfristig unsere Ernährungssicherkeit"
Dieter Reisenweber, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes Haßberge

Als Mindestbodenbedeckung zählten insbesondere Winterkulturen, mehrjährige Kulturen, Zwischenfrüchte, Mulchauflagen, also Belassen von Ernteresten auf der Fläche, weiterhin begrünte Brachen und, beispielsweise bei Mais, sogenannte Stoppelbrachen. Für Ackerflächen, auf denen frühe Sommerkulturen wie Sommergetreide, Leguminosen, Kartoffeln und Rüben bis zum 31. März ausgesät werden, gelte der Zeitraum vom 15. September bis zum 15. November.

Über 100 Jahre, bis ein Zentimeter Humus entsteht

Die Vorteile dieser Maßnahmen liegen laut Reisenweber, auf der Hand: Bodenabtrag sei das Schlüsselwort, diesem sei gegenzusteuern. Denn er entwickle sich zunehmend als besorgniserregend. Humus, "die dünne Haut der Erde", sei verletzlich. Der Kreisobmann zitiert das Umweltbundesamt, wonach "jede Krume zählt." Der Oberboden sei nährstoffreich, locker und wasserspeichernd.

Eine neue Vorgabe aus der EU verlangt: 80 Prozent der Ackerflächen müssen eine Bodenbedeckung aufweisen.
Foto: Wolfgang Aull | Eine neue Vorgabe aus der EU verlangt: 80 Prozent der Ackerflächen müssen eine Bodenbedeckung aufweisen.

Wenn nun Erosionserscheinungen stärker werden als Bodenaufbauprozesse, sind langfristig fatale Folgen unvermeidbar: Es dauere mindestens 100 Jahre, bis ein Zentimeter Humus entsteht, und auf unbestellten Böden nur wenige Minuten, bis ein starker Gewitterregen ihn wegschwemmt. Reisenweber sieht dringenden Handlungsbedarf, er formuliert den Ernst der Sache: "Bodenerosion gefährdet langfristig unsere Ernährungssicherkeit."

Der Wind wird als Erosionsfaktor unterschätzt

Der Obmann nennt zwei Quellen für Erosion, Wasser als Hauptursache, aber auch nicht zu unterschätzen seien Verwehungen, also die Winderosion. Deren Wirkung, meint er, würde häufig unterschätzt, da "Bodenschäden auf der Auswehungsfläche weniger sichtbar werden". Und hier komme die Klimaveränderungen ins Spiel: Die warmen trockenen Sommer führen auch zum Humusabbau, indem Wasser verdampft, der Boden austrocknet und an Bodenaktivität verliert. "Ausgetrockneter Boden hält bei Weitem nicht so fest zusammen wie wassergebundener." Wie das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung schreibt, reicht eine Austrocknung der obersten Millimeter der Bodenoberfläche bereits aus, um die Erodierbarkeit eines Standortes deutlich zu erhöhen.

Archivbild Wolfgang Aull: Humuserosion durch Wasser: Die 'dünne Haut der Erde' ist verletzlich, 'jede Krume zählt'.
Foto: Wolfgang Aull | Archivbild Wolfgang Aull: Humuserosion durch Wasser: Die "dünne Haut der Erde" ist verletzlich, "jede Krume zählt".

In den vergangenen Wochen, so Reisenweber weiter, habe das Konzept seine Bewährungsprobe bestanden. Erst der Schnee, dann die Regengüsse; die begrünten Flächen hätten das Wasser aufgenommen, es sei durch das Erdreich in das Grundwasser gelangt. Ganz anders als auf unbestellten Böden, wo sich die Wassermassen zusammenfinden und abgeleitet werden, wertvollen Humus mit sich reißend.

Kein Nebel, sondern Staubbildung durch Winderosion: eine Austrocknung der obersten Millimeter der Bodenoberfläche reicht aus, um die Erodierbarkeit eines Standortes deutlich zu erhöhen. (Archivfoto)
Foto: Wolfgang Aull | Kein Nebel, sondern Staubbildung durch Winderosion: eine Austrocknung der obersten Millimeter der Bodenoberfläche reicht aus, um die Erodierbarkeit eines Standortes deutlich zu erhöhen. (Archivfoto)

Der Fachmann begrüßt in dieser Beziehung die Politik der Europäischen Union: Das Problem der Bodenerosion wurde erkannt, mit entsprechenden Vorgaben habe sie gegengesteuert. Und doch muss er mit der Politik aus Brüssel hadern: "Seit 1992 werden wir mit Vorgaben in Sachen Bearbeitung und Fruchtfolgen unserer Böden bevormundet."

Unkraut wächst schneller als die Rübe

Der Fachmann erklärt, dass Zielkonflikte unvermeidlich seien, denn die Zwischenfrucht müsse im Frühjahr in den Boden: entweder durch den Einsatz von Glyphosat, oder per Bodenbearbeitung, was wiederum die Erosionsprobleme fördere. "Die Zuckerrübe will ein feines Saatbeet in der Reihe, Unkraut wächst jedoch schneller als die Rübe, und das wird ihr zum Verhängnis."

Sein 22-jähriger Sohn Felix berichtet, dass es dem Familienbetrieb seit fünf Jahren gelinge, die ganzjährige Begrünung zu erhalten: Entweder mit Winterkulturen oder mit Sommerfrüchten, verbunden mit Zwischenfrüchten.

Wie auch immer sich EU Vorgaben und Klimawandel entwickeln, meinen sie, bleibe zu hoffen, dass es den Landwirten großflächig gelingt, den Belastungen, denen die Böden ausgesetzt sind, standzuhalten und ihre Leistungsfähigkeit zur Erzeugung von Nahrungsmitteln und Energiepflanzen langfristig zu erhalten.

 
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