Der Verkehrssicherheitsbericht des Landkreises liegt vor. Die Entwicklungen, die darin teils zum Vorschein treten, bezeichnet auch die Polizei als "dramatisch". Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen und ordnen die Zahlen ein.
Wie viele Menschen sind bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen?
Zwölf Menschen haben im vergangenen Jahr bei insgesamt 2.344 Verkehrsunfällen im Landkreis Haßberge ihr Leben verloren. Damit starben auf den Straßen der Region dreimal so viele Personen wie noch 2021. Mehr Verkehrstote, nämlich 15, verzeichneten die Polizeiinspektionen Haßfurt und Ebern zuletzt nur im Jahr 2004.
Wie hoch die aktuelle Zahl tatsächlich ist, zeigt auch der Blick auf ganz Unterfranken. Dort kamen im vergangenen Jahr bei 38.580 Unfällen (Anteil Lkr. Haßberge: sechs Prozent) 55 Menschen ums Leben (Anteil: 22 Prozent).
Gibt es einen räumlichen Schwerpunkt für die tödlichen Unfälle?
Der Blick auf die Landkarte zeigt: Die tragischen Vorfälle mit tödlichem Ausgang verteilen sich über die gesamte Region. Sie ereigneten sich auf der Staatsstraße zwischen Rügheim und Römershofen (28. Februar), nahe der Mainbrücke Horhausen (10. April), zwischen Hellingen und Römershofen (14. Mai), in Unfinden (31. Mai), in Knetzgau (20. Juni, 5. August), in Untermerzbach (17. Juli), zwischen Hohnhausen und Königsberg (31. Juli, zwei Unfalltote), bei Bundorf (15. August), in Wüstenwelsberg (16. August) und in Haßfurt (4. Oktober).
Einen räumlichen Schwerpunkt, dem die vielen Unfalltoten zuzuschreiben wären, gibt es im Landkreis Haßberge laut Polizei also nicht, was auch die Präventionsarbeit erschwert.
Was ist laut Verkehrssicherheitsbericht die Ursache?
Die Polizei schreibt in ihrem Bericht von sogenannten Hauptrisikogruppen, nämlich von Seniorinnen und Senioren sowie Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern. Tatsächlich waren fünf der zwölf verstorbenen Menschen älter als 60 Jahre. Sechs waren außerdem entweder auf dem Motorrad (4) oder dem Kleinkraftrad (2) unterwegs. In diesen beiden Gruppen soll nach Angaben der Polizei künftig stärker Präventionsarbeit geleistet werden.
Doch ob die Polizei damit das Problem wirklich bei der Wurzel packt, ist fraglich. Denn die Verunglückten waren in mindestens der Hälfte der Fälle nicht die Unfallverursacherinnen oder -verursacher. Zudem schreibt die Polizei in ihrem Bericht, dass es sich beinah ausnahmslos um sogenanntes "Augenblicksversagen" gehandelt habe, also den kurzen Moment der Unaufmerksamkeit einer Person. Und in diesem Bereich sei "jeglicher Präventionsansatz fast unmöglich".
Wie haben sich die Unfallzahlen grundsätzlich entwickelt?
Immerhin: Es krachte seltener im Landkreis Haßberge, wenn auch geringfügig. Das zeigt die Statistik aus 2022. Die Zahl der Unfälle in der Region nahm demnach um 2,3 Prozentpunkte ab, von 2.393 im Jahr 2021 auf 2.344. Der häufigste Grund war laut Polizei fehlender Abstand (15 Prozent). Jeder zehnte Verkehrsunfall ereignete sich durch Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren. Und in sechs Prozent der Fälle lag die Ursache in der Missachtung von Vorfahrts- und Vorrangregelungen.
Verringert – ebenfalls nur geringfügig – hat sich auch die Anzahl der Verletzten durch Unfälle, von 384 im Jahr 2021 auf 375 in 2022. Das entspricht einem Rückgang um 2,3 Prozentpunkte. Zudem zählte die Polizei im vergangenen Jahr weniger Schwerverletzte (99) als in 2021 (105).
Welche Rolle hat Alkohol 2022 bei Unfällen im Straßenverkehr gespielt?
Neben den vielen Verkehrstoten im Landkreis Haßberge dürfte vor allem die Entwicklung beim Alkohol im Straßenverkehr unter den Verantwortlichen der Polizei Kopfzerbrechen verursacht haben. Denn hier hat sich die Zahl der Vorfälle mit einem Anstieg um knapp 86 Prozentpunkte beinahe verdoppelt. Registrierten die Polizistinnen und Polizisten im Jahr 2021 noch 21 Trunkenheitsunfälle mit insgesamt 18 Verletzten, so waren es im Jahr 2022 ganze 39 Fälle, bei denen 26 Menschen verletzt wurden und zudem eine Person getötet.
Zwar war dieser Trend auch überregional zu beobachten, etwa beim Blick auf ganz Unterfranken. Doch dort stieg die Zahl der Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss um 35 Prozent und damit nicht annähernd so stark wie im Landkreis Haßberge.
Um dem entgegenzuwirken, möchten die Polizeiinspektionen in Zukunft vermehrt auf Präventionsveranstaltungen und -programme in Zusammenarbeit mit der Verkehrswacht setzen, heißt es. Das hatte der neue Leiter der Dienststelle Haßfurt zuletzt auch in einem Interview mit dieser Redaktion betont. Zudem, so erklärte er damals, soll künftig die Kontrolltätigkeit verstärkt werden, auch um durch Abschreckung alkoholbedingte Verkehrsunfälle zu reduzieren. Tatsächlich geht die Zahl der folgenlosen Trunkenheitsfahrten, die der Polizei bei Kontrollen ins Netz gingen, seit Jahren zurück. Die Dunkelziffer dürfte hier aber deutlich höher liegen.
Wie hat sich die Zahl der Unfälle entwickelt, an denen Radfahrer beteiligt sind?
Einen festen Platz im Verkehrssicherheitsbericht nehmen inzwischen auch die Radfahrerinnen und Radfahrer ein. Besonders seit Ausbruch der Pandemie, als immer mehr Menschen auch auf E-Bikes und Pedelecs umgestiegen sind. Im Haßbergkreis kam es im vergangenen Jahr zu 89 Fahrradunfällen, bei denen 94 Menschen verletzt wurden. 2019, also vor dem E-Drahtesel-Boom, lagen die Zahlen noch deutlich niedriger. Damals registrierten die Polizistinnen 62 Unfälle mit 56 Verletzten. Aber auch vor der Pandemie zeigte der Trend nach oben, wie ein Blick auf die Zahlen seit 2015 zeigt.
Kam es 2022 zum Crash, waren mehrheitlich Radfahrerinnen und Radfahrer selbst Hauptverursacher, nämlich in 71 Prozent aller Fälle. Oft seien Kopfverletzungen die Folge gewesen, auch weil häufig kein Helm getragen worden sei, heißt es in dem Bericht. Haßfurts Dienststellenleiter Daniel Müller hatte sich auch deshalb im Interview mit dieser Redaktion für eine Helmpflicht ausgesprochen.
Derweil steigt auch der Anteil der Pedelecs an den Radunfällen deutlich. Laut Statistik lag er im vergangenen Jahr bei 44 Prozent, 2021 noch bei 36 Prozent. Die Polizei schreibt in ihrem Bericht von "altersüblichen körperlichen Beeinträchtigungen" von Seniorinnen und Senioren sowie von "Fehlern in der Handhabung" als Ursache.
Die Frage ist doch auch welchen Sinn es macht die tötlichen Unfälle bis hin auf Landkreisebene herunterzubrechen und zu versuchen daraus etwas abzulesen?
Jeder Unfall sollte inkl. den Gründen individuell betrachtet werden. Spätestens dann kommt man hoffentlich zu dem Ergebnis, dass die meisten Unfälle unter den gegebenen Umständen auch anderswo, in anderen Landkreisen hätten passieren können.
Eigentlich ist so etwas auch der Polizei bewusst, warum augerechnet von dort das Wort "dramatisch" stammt erschließt sich mir nicht.
Sollten sich die tötlichen Unfälle in ganz Bayern oder Deutschland innerhalb eines Jahres verdreifacht haben wäre das dramatisch. Auf Landkreisebene macht das aber wenig Sinn.
Zitat: "Beim Thema Alkohol am Steuer soll künftig aber härter durchgegriffen werden."
Hier gibt es doch absolut klare Gesetze und keinerlei Spielraum.