Wer pflegebedürftige Angehörige zu Hause versorgt, statt sie dauerhaft in ein Seniorenheim zu bringen, übernimmt eine schwere Aufgabe und große Verantwortung. Und so ist es wichtig, dass pflegende Angehörige auch manchmal die Möglichkeit bekommen, ihre Angehörigen für eine gewisse Zeit in eine Einrichtung zu bringen, um sich um ihre eigenen Dinge zu kümmern – sei es der Beruf, ein Behördengang oder auch einfach Zeit, die man für sich selbst braucht. In Zeil gibt es dafür seit kurzem eine neue Möglichkeit: Am Hans-Weinberger-Haus, das Wohn- und Pflegeheim der AWO in Zeil, steht nun ein zusätzliches Gebäude mit 20 Plätzen für die Tagespflege.
"Ich habe das Projekt von Anfang an begleitet", sagte stellvertretender Landrat Michael Ziegler (CSU). Denn irgendwie hatte es sich ergeben, dass er bei allen drei wichtigen Terminen den Landkreis vertrat: Beim Spatenstich im Sommer 2021, beim Richtfest und nun auch bei der offiziellen Eröffnung ab Freitag. Bei dieser beschloss Ziegler ganz spontan, seine vorbereitete Rede in der Jackentasche stecken zu lassen und stattdessen zu diesem Anlass frei zu sprechen.
Pflegekräfte mit viel Herzblut
So sprach der stellvertretende Landrat vom "Abgeben im positiven Sinne", denn die älteren Menschen würden dort nicht alleine gelassen, sondern "mit Herzblut versorgt", von Pflegekräften, denen es darum gehe, das Leben lebenswert zu machen. "Denn zu Hause kann es auch langweilig werden", sagte Ziegler. Ein großes Dankeschön richtete Ziegler auch an die Gäste der Einrichtung, denn es sei doch ein "großer Schritt", ein solches Angebot anzunehmen. "Danke, dass ihr kommt", sagte Ziegler, worauf eine Besucherin der Einrichtung laut rief: "Da ist es auch schön!"
Tatsächlich sieht der Innenraum des kleinen, flachen Gebäudes neben dem großen Hans-Weinberger-Haus sehr einladend aus: Mit großen Fenstern und hellen Farben wirkt alles sehr freundlich. Darüber sprach auch Einrichtungsleiterin Hilde Hückmann und skizzierte den Tagesablauf der älteren Menschen in der Tagespflege. So gibt es ein Angebot für die Kernzeit von 8 bis 17 Uhr. Der Tag beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück, weiter geht es mit einem "Aktivierungsprogramm", je nach Interessen und Biografie der Gäste. So gibt es Bewegungsangebote, Gedächtnistraining, Kochen, Backen oder auch einen Spaziergang durch den Garten.
Nach dem Mittagessen gibt es die Möglichkeit zu einer Ruhepause, danach stehen Basteln, Malen und Singen auf dem Programm, am Nachmittag gibt es dann Kaffee und Kuchen. "Ganz flexibel können unsere Gäste gute, anregende Stunden hier verbringen", sagte Hückmann. "Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, wissen die Angehörigen, dass ihre Pflegebedürftigen in den besten Händen sind."
Der Zeiler Bürgermeister Thomas Stadelmann (SPD) sagte mit Blick auf die Krisen und Unwägbarkeiten der letzten Jahre: "Ich habe mich immer gefragt: Zieht's die AWO durch?" Immerhin seien unberechenbare Zeiten und steigende Baukosten nicht gerade die besten Zeiten für ein solches Projekt. "Heute stehen wir in einem wunderschönen Ambiente", so der Bürgermeister.
Eine Einrichtung mitten im Ort mit viel Leben außenrum
Als er an diesem Tag zur Eröffnungsfeier gekommen sei, habe er die Gäste der Einrichtung gesehen und gemerkt, dass er fast alle von ihnen kenne. "Die Einrichtung ist natürlich nicht nur für Zeiler da", betonte Stadelmann, "aber es zeigt, dass es angenommen wird". Auch wenn die offizielle Eröffnung erst am Freitag stattfand, hatte die Tagespflege zu diesem Zeitpunkt schon seit ein paar Wochen geöffnet, sodass mittlerweile täglich zwölf bis 15 Gäste kommen, nannte Hilde Hückmann die Zahlen. Bürgermeister Stadelmann betonte, er finde es gut, dass die Einrichtung mitten im Ort gebaut wurde. "Da ist Leben außen rum", sagt er.
Den massiven Anstieg von Baukosten und die damit verbundenen Unsicherheiten, die auch Stadelmann angesprochen hatte, nahm AWO-Bezirksvorsitzender Gerald Möhrlein mit Humor: "Man muss beim Bauen mittlerweile 20 bis 25 Prozent Mehrkosten mitdenken", sagte er. Wenn man bedenke, dass es bei der Tagespflegeeinrichtung nur Mehrkosten von fünf Prozent gegeben habe, hätte die AWO sogar Geld gespart, sagte er lachend. Mario Söllner von der Baufirma kommentierte später, noch sei die Schlussrechnung nicht gemacht. Ob es also wirklich bei diesen fünf Prozent bleibt, sei noch abzuwarten.
AWO will Verlässlichkeit in Krisenzeiten bieten
Gerald Möhrlein erwähnte außerdem einen Zuschuss von 300.000 Euro von der deutschen Fernsehlotterie, den es für das Projekt gegeben habe und sprach auch über bauliche Vorzüge des Gebäudes. So sei es wichtig gewesen, energetisch vernünftig zu bauen, weshalb das Gebäude unter anderem eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach hat. Als es um die Aufgabe der AWO für die Gesellschaft ging, verwies er auf die Krisen der letzten Jahre. "Die Corona-Pandemie, ein Krieg, den keiner verstehen kann – und seit gestern sind wir nicht mal mehr Turniermannschaft bei der Fußball-WM." Gerade in dieser Zeit sei es wichtig, Verlässlichkeit zu bieten.
Den kirchlichen Segen gab es vom katholischen Pastoralreferenten Norbert Zettelmeier und der evangelischen Pfarrerin Claudia Winterstein, die an den Satz "Einer trage des anderen Last" aus dem Galaterbrief erinnerte und damit hervorhob, welche wichtige Rolle die Tagespflege für pflegende Angehörige spiele, die unter der Mehrfachbelastung leiden. Hier könnten sie die pflegebedürftigen Menschen "guten Gewissens herbringen".