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"Eine Regenbogenflagge ist kein Zeichen für Bedrohung": Kabarettist Markus Barth wird bei Rechtsextremismus deutlich
Bald steht der Comedian wieder in seinem Heimatort Zeil auf der Bühne. Im Interview spricht er auch über Themen, die ihn als offen homosexuell lebenden Menschen bewegen.
'Ich bin raus' – ein Kabarettabend mit Markus Barth findet am Donnerstag, 30. November, im Rudolf-Winkler-Haus Zeil statt.
Foto: Stefan Mager | "Ich bin raus" – ein Kabarettabend mit Markus Barth findet am Donnerstag, 30. November, im Rudolf-Winkler-Haus Zeil statt.
Michael Endres
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:57 Uhr

Markus Barth ist Kabarettist und Comedian, lebt in Nordrhein-Westfalen, ist aber in Zeil am Main im Landkreis Haßberge aufgewachsen. Am 30. November tritt der 46-Jährige dort mit seinem Programm "Ich bin raus!" im Rudolf-Winkler-Haus auf. Vorab haben wir uns mit Barth, der offen mit seiner Homosexualität umgeht, über die Auswirkungen durch den Rechtsruck bei der bayerischen Landtagswahl, die Relevanz von Toleranz und seine Vorfreude auf sein Heimspiel unterhalten.

Frage: Lieber Herr Barth, kürzlich wurde der bayerische Landtag sowie der Bezirkstag neu gewählt. Unter anderem hat dabei die AfD starke Ergebnisse eingefahren – besonders in ihrem Heimatkreis, den Haßbergen. Wie geht es Ihnen damit?

Markus Barth: Insgesamt finde ich das wenig überraschend und trotzdem schockierend. Man hat gesehen, wo die Reise hingeht und so kam es im Grunde auch. Wenn ich sehe, was eine rechtsextreme Partei in Bayern und auch in Hessen für Ergebnisse einfahren kann, erschreckt es mich trotzdem. Da werde ich mich nie dran gewöhnen. Das Lachen vergeht mir aber noch lange nicht.

Warum ist konservativ im Jahr 2023 wieder sexy?

Barth: Die AfD ist nicht konservativ, die AfD ist rechtsextrem. Das ist etwas anderes als konservativ, auch wenn ich zugeben muss, dass ich manchmal schon überlege, was konservativ ist. Die Trennlinie ist auch von der CSU und CDU nicht mehr ganz klar gezogen, aber die AfD ist keine konservative und bürgerliche Partei, sondern eine rechtsextreme. Wenn das sexy ist, haben wir wirklich ein Problem in Deutschland.

Beim Blick auf das Ergebnis in Kreis Haßberge haben 76,6 Prozent der Wählerschaft konservativ oder rechts gewählt. Ist Offenheit, Toleranz und Miteinander jetzt umso wichtiger?

Barth: Das wird nie unwichtig. Wir hören immer öfter, dass es schwieriger für die Mittelschicht wird und diese nach unten rutscht. Da kriegen Leute Angst und das kann ich verstehen. Es ist aber nicht richtig, die Schuld auf die zu schieben, die am wenigsten dafür können. Schuld daran, dass die Mittelschicht Sorgen hat, sind zum Beispiel nicht die Flüchtlinge. Wenn in Deutschland Geld gerechter verteilt wäre, hätten wir weniger Probleme. Es ist nicht fair, wie in Deutschland Steuern bezahlt oder eben nicht bezahlt werden. Das ist aber nicht die Schuld der Flüchtlinge, der Queeren oder der trans-Gender-Personen, es ist die Schuld einer ungerechten Steuerpolitik. Die AfD tut exakt nichts dafür, dass sich das ändert. Es geht ihr nicht um den kleinen Mann oder die kleine Frau.

Bundesweit gibt es seit geraumer Zeit einen Rechtsruck, der nun auch in Bayern sichtbar geworden ist. Welche Gedanken machen Sie sich als queerer, weltoffener Mensch, wenn man diesen gesellschaftlichen Wandel beobachtet?

Barth: Da macht man sich viele Gedanken. Es ist nicht selten, dass ich darüber nachdenke, ob meine Zukunft wirklich hier in Deutschland stattfindet. Aber wo soll man denn hingehen? Populismus, Rechtspopulismus oder extrem rechte Politik ist kein ur-deutsches Problem, wir haben es halt auch. Es ist ein pan-europäisches, wenn nicht sogar weltumspannendes Problem. Ich muss zugeben, ich als schwuler Mann mache mir noch mehr Gedanken. Ich wohne hier in Köln im schwulen Elfenbeinturm, ich trete aber auch anderswo auf. Mir ist jetzt noch nichts passiert, aber natürlich denke ich mir, wenn ich in ein Bundesland fahre, in dem 30 Prozent die AfD wählen würden: Was mache ich hier eigentlich, bin ich hier willkommen, bin ich hier richtig? Aber, ich bin Optimist und da eher noch in kämpferlaune, weil ich mir denke, jetzt erst recht. Mir wird so schnell niemand den Mund verbieten.

"Ich habe einen riesen Respekt vor den Organisatoren und Organisatorinnen."
Markus Barth, über den CSD in Haßfurt
Muss man sich damit abfinden, dass dieser Prozess nie aufhört?

Barth: Als die Ehe für alle durchgesetzt wurde, dachte ich mir, dass es vom Tisch ist. Ist es offensichtlich aber nicht. Ich merke jetzt selber, dass der Kampf für Gleichberechtigung, egal ob das für Migranten, Frauen, queere Menschen, nie aufhört und Anfeindungen in Wellen kommen. Und diese Welle müssen wir auch wieder bekämpfen.

Wo sollte man da ansetzen?

Barth: Kurz gesagt: überall. Es sind nicht Oma und Opa, die das Problem sind. Ich merke das auch in meinem Umfeld, dass plötzlich Leute anfangen von Alice Weidel zu schwärmen. Da fällt mir das Glas aus der Hand, weil ich es nicht nachvollziehen kann. Aber es gibt tausend Möglichkeiten, selbst etwas zu tun. Man kann sich politisch, in der Gesellschaft, oder in der eigenen Kommune engagieren oder Leuten helfen, die Hilfe benötigen. Der erste und wichtigste Schritt ist, den Mund aufzumachen, und zwar im direkten Umfeld. Manchmal habe ich das Gefühl, dass vielen Leuten niemand mehr widerspricht. Ich sag's ganz ehrlich, ich bin da selbst kein Held. Lange Zeit bin ich in solchen Situationen aufgestanden und gegangen. Das mache ich jetzt nicht mehr, ich versuche jetzt wirklich zu widersprechen. Das ist teilweise sehr unangenehm und führt dazu, dass Bekanntschaften und Freundschaften leiden, ich möchte es aber einfach nicht mehr stehen lassen.

Fehlt Ihnen auch manchmal die Kraft dafür?

Barth: Ja, das passiert mir ständig. Das ist aber vollkommen normal. Man sollte sich da auch nicht überfordern. Als die Landratswahl in Sonneberg war, die der AfD-Kandidat gewonnen hat, zu sehen, dass da plötzlich jemand aus einer rechtsextremen Partei im Landratsamt hockt, hat mich fertig gemacht – ganz ehrlich.

In Haßfurt fand 2023 zum zweiten Mal ein Christopher-Street-Day (CSD) statt. Wirklich viele Menschen waren nicht dort. Hat sowas im ländlichen Raum überhaupt eine Relevanz?

Barth: Ich finde das super wichtig und war ganz stolz, habe das auch getweetet. Ich habe einen riesen Respekt vor den Organisatoren und Organisatorinnen und finde es gerade wichtig, das auch im ländlichen Raum zu machen. Die Menschen sind viel weiter, als man manchmal glaubt und es auch in der Politik widergespiegelt wird.

Sie treten viel im ländlichen Raum auf, hatten sie da noch nie Probleme mit Leuten bezüglich Ihrer Homosexualität?

Barth: Nein. Ich wurde durchaus schon beschimpft, aber das war eher im Internet oder der Großstadt. Aber auch auf dem Land würde es vielen Leuten helfen, wenn nicht mehr gesagt werden würde, die Zwei wohnen da zusammen, sondern wenn einfach gesagt werden würde, das ist sein Mann oder das ist ihre Frau. Warum soll es also keinen CSD im ländlichen Raum geben? Ich habe großen Respekt vor jedem, der hingeht, gerade vor Leuten, die nicht aus der LGBTQ-Community kommen. Du kannst als homosexueller oder bisexueller Mensch so viele CSDs oder Demonstrationen veranstalten, wie du willst, wenn du nicht auch die Heterosexuellen hast, die da mitmachen und uneingeschränkt dahinter stehen.

Bereits zweimal ist die Regenbogenflagge am Caritas-Haus in der Haßfurter Innenstadt angezündet oder gestohlen worden. Wie ordnen Sie solche Vorfälle ein?

Barth: Wenn jemand explizit eine Regenbogenflagge abreißt oder anzündet, dann macht er das nicht ohne Grund. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber da haben sehr konservative Medien und Politiker ihren Teil dazu beigetragen, dass seit einigen Jahren den Leuten wieder eingeredet wird, dass man schwul oder lesbisch wird, wenn man eine Regenbogenflagge sieht. Das ist natürlich Bullshit und passiert einfach nicht. Und eine Regenbogenflagge ist kein Zeichen für Bedrohung, sondern für Akzeptanz, Toleranz und ein friedliches Miteinander leben. Das wird aber momentan absichtlich falsch verstanden.

"Ich stand auf der Bühne und habe gemerkt, ich gucke gerade durch die Fenster in mein altes Grundschul-Zimmer."
Markus Barth, über seinen letzten Auftritt in Zeil
Ihr Comedy-Kollege Dieter Nuhr fühlt sich oft eingeschränkt, in dem, was er sagen dürfe, beschwert sich über eine sogenannte Cancel Culture. Haben Sie Angst, bei ihrem Auftritt in ihrer Heimatgemeinde Zeil am Main nicht mehr alles sagen zu dürfen?

Barth: Nein, die habe ich wirklich nicht. Die Leute, die zu mir ins Programm kommen, wollen ja etwas von mir hören. Bisher hat mir noch niemand den Mund verboten, auch wenn ich durchaus im Anschluss Mails mit dem Inhalt bekomme, die Show fand ich super, aber das eine Thema hat mir nicht so gut gefallen. Das passiert, ist für mich aber auch kein Grund, die Themen nicht mehr anzusprechen. Mit dem Ausdruck 'Cancel Culture' bin ich sehr vorsichtig. Vor allem bei Comedians, die über Cancel Culture klagen, habe ich oftmals das Gefühl, dass die dafür ganz schön präsent sind. Ich stehe da nicht so drauf. Damit schafft man ein Klima, das auch von den rechten Parteien aufgriffen wird, wir würden kurz vor der Diktatur stehen – und das finde ich eben nicht. Meine Devise ist da immer, du darfst in Deutschland fast alles sagen. Es gibt ganz wenige Ausnahmen, und die haben gute Gründe, wie Holocaustleugnung. Du darfst nur nicht immer uneingeschränkte Zustimmung erwarten. Und damit muss man umgehen können.

Am 30. November ist es mal wieder so weit: Sie spielen in Ihrer Heimatgemeinde Zeil. Was bedeuten Ihnen Auftritte in ihrer Heimat?

Barth: Es ist immer eine Frage, ob meine Eltern im Publikum sitzen. (lacht) Ich habe schon aus meinen Büchern Geschichten in meinem Heimatkreis vorgelesen. Da dachte ich mir auch: "Aiaiai, als ich das geschrieben habe, dachte ich auch nicht, dass mein Vater in der dritten Reihe sitzt und zuhört." Als ich das letzte Mal im Rudolf-Winkler-Haus aufgetreten bin, stand ich auf der Bühne und habe gemerkt, ich gucke gerade durch die Fenster in mein altes Grundschul-Zimmer. Das ist da über den Hof, gegenüber. Da saß ich in der ersten, zweiten und dritten Klasse. Das macht für mich schon eine besondere Stimmung aus. Ich freue mich immer darauf, bringe auch manchmal Freunde aus Köln mit, die sich mit dann mit großen Augen die Gegend angucken. Es ist ein bisschen ein Ritt in die Vergangenheit, der mir aber immer einen riesigen Spaß macht.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Barth.

Weitere Informationen und Tickets zum Auftritt von Markus Barth in Zeil finden Sie unter: markus-barth.de.

 
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