Für Bühnenkünstler war gerade die Woche vom 9. bis zum 15. März eine recht chaotische Zeit. Denn noch gab es lediglich die Anweisung, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen. Alles, was weniger Publikum anzog, lag im Ermessen des Veranstalters. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte einen "Verzicht auf alle nicht notwendigen Veranstaltungen unter 1000 Leuten" empfohlen – eine Aussage, die viele Künstler und Veranstalter als unbefriedigend empfanden: "Was ist denn notwendig?", fragt Markus Barth. Am Freitag, 13. März, an dem Merkel diese Empfehlung aussprach, postete der Comedian auf Facebook einen Text, in dem er sich mit den Auswirkungen der Krise auf Kulturschaffende auseinandersetzt. Nun sprach Barth, der in Zeil aufgewachsen ist und heute in Köln lebt, auch mit dieser Redaktion über die Situation von Bühnenkünstlern.
"Ich war selbst in der Situation, dass ich nicht mehr auftreten wollte", sagt Barth. "Aber ich kann als Künstler nicht einfach absagen. Da steht auch ein Veranstalter hintendran." Gerade zum Wochenende hin war eine chaotische Situation entstanden: Niemand konnte die Gefahr richtig einschätzen und sollte selbst entscheiden, was noch stattfinden darf und was nicht. Einerseits wollten Künstler und Veranstalter das Publikum nicht enttäuschen, außerdem hängen von den Eintrittsgeldern oft Existenzen ab. Andererseits wollte niemand andere Menschen in Gefahr bringen.
"Wir lernen alle gerade dazu"
Hat die Politik es also versäumt, rechtzeitig klare Vorgaben zu machen, was erlaubt und was verboten ist? War es ein Fehler, so lange auf Empfehlungen statt auf Anordnunge zu setzen? "Ich bin kein Politiker", meint Markus Barth dazu. Daher könne er das nicht beurteilen. Grundsätzlich seien in solchen Fällen aber klare Anweisungen immer gut. Mit Merkels Aussage über "nicht notwendige" Veranstaltungen habe er jedenfalls nicht wirklich etwas anfangen können.
Auch er selbst habe am Freitagabend noch eine Lesung gehabt, bei der er nicht sicher war, ob er sie durchziehen sollte. Nach einem Gespräch mit seiner Agentin und der Zusage, dass es ein sehr kleiner Rahmen mit weniger als 50 Besuchern sein würde, die außerdem weit auseinandersitzen sollten, beschloss er, an dem Abend aufzutreten. "Im Nachhinein denke ich, man hätte es lassen sollen", sagt Barth – auch vor dem Hintergrund, dass ein solcher Auftritt ja nicht nur den Kontakt mit den Besuchern der Veranstaltung mit sich bringt. Da war auch die Zugfahrt zum Auftrittsort, auf der er mit anderen Menschen in einem Wagon saß. "Wir lernen alle gerade dazu", sagt Markus Barth.
Geld zurückfordern oder abwarten?
Mittlerweile stellen sich diese Fragen nicht mehr: Die Situation hat sich so sehr verschärft, dass das öffentliche Leben komplett zum Erliegen gekommen ist. Wer bereits Karten für Veranstaltungen gekauft hat, die in den nächsten Wochen stattfinden sollten, hätte damit einen Anspruch darauf, das Geld zurückzubekommen. Doch wie sinnvoll ist es, das gleich zurückzufordern? Markus Barth schließt sich einer Aufforderung an, die viele Kulturschaffende in den letzten Tagen verbreitet haben: "Erst mal abwarten." Die meisten Veranstalter suchen nun ohnehin nach Nachholterminen, Karten behalten üblicherweise ihre Gültigkeit.
Außerdem rufen momentan einige Künstler dazu auf, wer es sich leisten könne, solle das Geld für ausgefallene Veranstaltungen vorerst nicht zurückfordern. Denn die Einnahmen aus den laufenden Vorstellungen sind für Musiker, Kabarettisten und Schauspieler, aber auch für die Theater, in denen sie auftreten, wichtig, um über die Runden zu kommen. Nicht jeder hat die nötigen Rücklagen, um längere Ausfälle überbrücken zu können. "Ob man etwas zurückfordert, muss jeder für sich selbst wissen", sagt Markus Barth.
"Die Politik muss Wege finden, wie man Künstlern unter die Arme greifen kann", meint er. Zumal sich an die Corona-Krise recht schnell die Sommerpause anschließen dürfte, eine weitere Zeit, in der es für Kulturschaffende relativ wenig Gelegenheit gibt, Geld zu verdienen. "Ich selbst bin in einer guten Situation", sagt Barth. "Ich schreibe Bücher und Drehbücher." Wenn bei ihm also die Bühnenauftritte ausfallen, verbringt er eben mehr Zeit am Schreibtisch. Spannend werde es aber, wie es nun für Leute weitergeht, die nur von der Bühne leben und auf jede einzelne Veranstaltung angewiesen sind. Ähnliche Probleme hätten natürlich auch andere Branchen, "aber ich spreche halt über die, die ich kenne", sagt der Comedian.
Soforthilfe durch den Staat
Seit dem Gespräch hat sich hier schon etwas getan: Mittlerweile hat der Freistaat Bayern in Soforthilfeprogramm aufgelegt, das Freiberufler und Betriebe in Zeiten von Corona finanziell unterstützen soll. Betroffene können das entsprechede Antragsformular auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums unter www.stmwi.bayern.de finden. Auch die Bundesregierung arbeitet an einem ähnlichen Programm.
Derweil erlebt die Kunst- und Kulturszene einen Online-Boom. "Man kann viel machen", sagt Markus Barth. "Und man merkt: Die Leute wollen weitermachen." Ob Comedian oder Musiker: Viele veranstalten gerade in ihrem Wohnzimmer Live-Auftritte vor einer Kamera, bei denen das Publikum über das Internet zuschauen und zuhören kann.
"Bleibt zuhause!"
Daran beteiligt sich auch Markus Barth: Auf Instagram läuft derzeit jeden Abend um 19 Uhr seine "Stay the f*ck home"-Show, bei der er jeweils einen anderen Künstler zu Gast hat, mit dem er sich per Videochat unterhält. Die bisherigen Folgen gibt es auch auf seinem Youtube-Kanal zu sehen.
Und was sagt der Comedian zu dem in letzter Zeit mehrfach geäußerten Vorwurf, die Corona-Krise habe gezeigt, wie schlecht wir alle auf einen solchen Katastrophenfall vorbereitet sind? "Ich kann von mir sagen, dass ich es lange nicht ernst genommen habe. Jeder hat seine persönliche Lernkurve." Er könne nun lediglich auf die zuständigen Stellen vertrauen, "dass sie verantwortungsvoll damit umgehen". Allerdings ruft er die Leute auch dazu auf, besonnen mit der Situation umzugehen. "Hysterie hat noch nie irgendjemandem geholfen, Panik hat noch nie irgendjemandem geholfen, Angst hat noch nie irgendjemandem geholfen." Zum Schluss des Gesprächs betont er noch einmal: "Bleibt zuhause!"