Einen überdimensionalen Farbstift von neun Metern Länge für den Weltkonzern Faber-Castell zu überarbeiten, das ist nicht alltäglich. Die Schreinerei Brückner in Hofheim hat sich zwar überwiegend auf den Möbel- und Innenausbau sowie auf die Fertigung von Hotel- und Ladeneinrichtungen spezialisiert. Doch für Rainer Ziegler, Inhaber des Betriebes, und sein Team sind solche Spezialaufträge Herausforderungen, die reizen.
Die Schreinerei Brückner kann im kommenden Jahr auf eine 100-jährige Geschichte zurückblicken. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Beruf des Schreiners deutlich gewandelt. Grund genug für Rainer Ziegler, zu einem Rundgang durch den Betrieb einzuladen.
1923 wurde die Schreinerei unter dem Namen "Gebrüder Brückner" gegründet
Doch zurück zum Anfang: Bis die Schreinerei so modern wurde, wie sie es heute ist, dauerte es. Die Geschichte der "Gebrüder Brückner" – so der ehemalige Name der Firma, – reicht weit zurück. Die Liebe zum Holz wurde den Brückners schon vor Generationen in die Wiege gelegt. So absolvierte Heinrich Brückner 1917 bis 1920 die Schreinerlehre beim Vater in Walchenfeld und wurde nach der Tischlerfachschule in Detmold diplomierter Werkmeister und Techniker im Bau- und Möbeltischlerfach.
1930 zog es ihn für einige Jahre in die Ferne und er erweiterte seine berufliche Erfahrung und sein Wissen in Amerika, hauptsächlich in New York. Ab 1963 übernahm er die Firma "Gebrüder Brückner". Aufgrund seiner Entwürfe und Zeichnungen wurden Möbel in Kleinserien gefertigt, die in den Möbelhäusern Brückner in Schweinfurt und Hofheim verkauft wurden.
2002 übernahm Rainer Ziegler den Betrieb
1968 übernahmen dann seine drei Söhne Hans, Heinrich und Gustav das Erbe. Hans und Heinrich leiteten die Schreinerei, vergrößerten und modernisierten diese, bis sie den Betrieb aus Altersgründen im Jahr 2002 an ihren damaligen Angestellten Rainer Ziegler übergaben.
Auch Hans Brückner hat am Rundgang durch seinen alten Betrieb teilgenommen. Bei ihm werden Erinnerungen wach, während er durch die Werkshallen läuft. "Viel Handarbeit war früher zu leisten. Die wichtigsten Werkzeuge des Schreiners waren die Säge und der Hobel", erklärt er. Nach dem 2. Weltkrieg arbeiteten 45 Beschäftigte in der Firma, erinnert er sich.
"Bei meinem Großvater in Walchenfeld kamen schon Maschinen zum Einsatz, die durch einen Motor über eine Transmission angetrieben wurden." Eine aufwändige Arbeit: Immer wieder musste der Antriebsriemen zwischen den Maschinen hin und her gewechselt werden. Schon damals ging es in der Hofheimer Schreinerei viel moderner zu als anderswo, berichtet er.
Im damaligen Maschinenraum standen neben der Kreissäge die Abrichtmaschine, der sich wiederum die Hobelmaschine anreihte. "Die Arbeitsstücke wurden so immer von einer Maschine zur anderen weitergegeben", so der 84-Jährige. Danach folgten Bandsäge, Fräs-, Messerschleif- und Langlochbohrmaschine und natürlich die Hobelbänke.
Ohne Hightech-Maschinen geht es nicht
Für Rainer Ziegler war von Anfang an klar: "Ohne Hightech und weitere Modernisierungen geht es nicht." So hat der heutige Geschäftsführer nicht nur in neue Technologien investiert, sondern auch in einen Erweiterungsbau, einen neuen Lackierraum und in eine Absauganlage mit besseren Filtern, die auch zur Energieeffizienz beitragen sollen.
Anders als damals bei Heinrich Brückner, der seine Skizzen und Modellzeichnungen detailgetreu per Hand anfertigte, entstehen die heutigen Zeichnungen durch Hilfe modernster Software. Und Werkstücke werden von Maschinen angefertigt, die elektronisch gesteuert werden. Die Technik dahinter nennt sich "Computerized Numerical Control", kurz CNC.
CNC: Arbeit wie von Geisterhand
Schon früh erkannte Ziegler das Potenzial dahinter. Die erste solche Maschine kaufte der 51-Jährige im Jahr 2007. Eine Technik, die mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist. Das Herzstück der heutigen Fertigung ist eine für den Durchlaufbetrieb automatisierte CNC-Maschine, die wie von Geisterhand formatiert, bohrt, fräst und den Verschnitt optimiert.
Einer, der mit den neuen Maschinen arbeitet und genau weiß, wie diese funktionieren, ist Manuel Grunwald. Er ist seit 15 Jahren im Betrieb. Während Grunwald die Maschinen in Gang setzt, erklärt Ziegler deren Arbeitsweise. Beispielsweise versieht Grunwald jedes fast fertige Möbelteil mit einem Etikett. Ein großer Bildschirm zeigt ihm, wo das gerade ausgedruckte Etikett aufzukleben ist.
"In der Regel werden mit dem Gabelstapler die Rohformatplatten aufgelegt, so ersparen wir uns den mühsamen Weg vom Plattenlager, wobei die Anlage die größeren Platten im Ladenbauformat verarbeiten kann", so Ziegler. Basierend auf diesem Verfahren arbeiten in Zieglers Werkstatt momentan 17 Angestellte, darunter fünf Meister und ein Lehrling im Berufsgrundbildungsjahr (BGJ).
Aufbau in Hotels, Arztpraxen und Krankenhäusern
Die Möbelstücke, die in der Hofheimer Firma entstehen, werden im Übrigen nicht sofort komplett fertig gebaut. "In der Regel schraubt das Team die gedübelten Möbel durch vorgebohrte Löcher erst beim Auftraggeber vor Ort zusammen", erklärt Ziegler. Und das passiert eben je nachdem, wohin die Möbelstücke bestellt worden sind. Etwa in Hotels, in Arztpraxen oder auch in Krankenhäusern.
Ziegler ist überzeugt: "Das Schreinermetier hat Zukunft, auch wenn es schwierig ist, junge Menschen für handwerkliches Tun zu motivieren und zu begeistern." Noch vor zwanzig Jahren sei vieles manuell gemacht worden, was heute automatisiert ablaufe.
Aufträge kommen auch aus London
"Das bedeutet nicht, dass der Schreinerberuf einfacher geworden ist", macht Ziegler klar. "Die Herausforderungen haben sich geändert und schließen Hintergrundwissen, ein technisches Grundverständnis und den Umgang mit komplexen Techniken mit ein."
Trotz der derzeitigen Krisen in Europa ist er optimistisch: "Schreiner wie wir, die individuelle Lösungen bieten können, werden immer gesucht". Der Kundenkreis der Firma erstrecke sich von Hofheim bis London. Viele Aufträge erhalte das Unternehmen über öffentliche Ausschreibungen. Und auf die Frage, ob der ständige Auftragsdruck ihn nicht belaste, hat der Firmenchef schnell eine Antwort parat: "Wir sind ständig am Reagieren, aber es macht Spaß."