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Castell
Weltmarke aus Franken: Faber Castell macht richtig bunte Bleistifte ohne Blei
Von Schäfern in England zur Erfolgsgeschichte im fränkischen Stein: Wie kam es zur Bleistift-Dynastie Faber-Castell? Besuch in der Fertigungsstätte am Schloss.
Buntstifte soweit das Auge reicht. Die Stifte von Faber-Castell bilden das gesamte Farbspektrum ab.
Foto: Ivana Biscan | Buntstifte soweit das Auge reicht. Die Stifte von Faber-Castell bilden das gesamte Farbspektrum ab.
Sebastian Strauß
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:38 Uhr

Als Mitte des 16. Jahrhunderts in England ein seltsam fettig-dunkles Gestein entdeckt wird, weiß zunächst niemand so recht etwas damit anzufangen. Bald stellt sich heraus, dass das rätselhafte Material auf die Hände der Bergbauarbeiter abfärbt. Fortan verwenden die ortsansässigen Hirten die dunkle Substanz, um ihre Schafe zu markieren. Was ihnen noch nicht klar ist: Dem geheimnisvollen Material steht eine beispiellose Erfolgsgeschichte bevor.

Die Fertigungsgebäu-de in Stein sind ein Stück Industrie-geschichte. Nur die bunten Fenster lassen erahnen, dass im Innern moderne Maschinen ihre Arbeit ver-richten.
Foto: Ivana Biscan | Die Fertigungsgebäu-de in Stein sind ein Stück Industrie-geschichte. Nur die bunten Fenster lassen erahnen, dass im Innern moderne Maschinen ihre Arbeit ver-richten.
Zwischen den Lackierungen muss die Farbe der Buntstifte trock-nen. Die Außenfarbe stimmt übri-gens nicht immer mit der Minenfar-be überein.
Foto: Ivana Biscan | Zwischen den Lackierungen muss die Farbe der Buntstifte trock-nen. Die Außenfarbe stimmt übri-gens nicht immer mit der Minenfar-be überein.

Aus einer zurecht gesägten Stange des bleiartigen Materials und zwei zusammengebundenen Holzstücken entsteht Ende des 16. Jahrhunderts in England der erste Vorläufer des heutigen Bleistifts. Erst Ende des 18. Jahrhunderts sollte sich herausstellen, dass es sich bei der geheimnisvollen Substanz keineswegs um Blei, sondern um Grafit handelt. Die angestrebte Umbenennung in "Grafitstift" scheitert allerdings kläglich, zu etabliert war der Bleistift bereits im Volksmund.

Die holzgefassten Stifte durchlaufen den Lackiervorgang sechs bis sieben Mal.
Foto: Ivana Biscan | Die holzgefassten Stifte durchlaufen den Lackiervorgang sechs bis sieben Mal.
Sogenannte Holzsandwiches auf ihrem Weg durch die Fertigung.
Foto: Ivana Biscan | Sogenannte Holzsandwiches auf ihrem Weg durch die Fertigung.

In England beginnt bald ein regelrechter Bleistift-Boom. Doch fast hundert weitere Jahre vergehen, bis sich 1761 in Deutschland ein junger Schreiner in Stein, einer Kleinstadt vor den Toren Nürnbergs, mit einer kleinen Bleistiftproduktion selbständig macht. Fünf der hölzernen Schäfte mit eingelegter Grafitmine, sogenannten "Bleysteffte", kann Kaspar Faber wöchentlich herstellen, seine Frau verkauft sie in Nürnberg auf dem Markt.

Es sollte der Beginn einer Dynastie sein, die bis heute besteht. Von Generation zu Generation wird das Schreibgeräte-Unternehmen an den ältesten Sohn der Familie Faber weitervererbt. Zunächst ist der Erfolg nicht abzusehen, die Qualität der Bleistifte leidet unter fehlenden Rohstoffen und deren Beschaffenheit. Jahrelang werden die Fabers in Stein Stifte herstellen, die nur durch ihr äußeres Erscheinungsbild an Bleistifte erinnern. Um den Eindruck einer vollständigen Mine zu erwecken, werden Holzstäbchen verkauft, deren Enden mit Grafit gefüllt sind. 

Zwei Zedernholzblättchen und neun Minen werden zu einem Sandwich zusammengepresst.
Foto: Ivana Biscan | Zwei Zedernholzblättchen und neun Minen werden zu einem Sandwich zusammengepresst.
 Hier erzählt Mitarbeiterin Nadège Hungerecker etwas zu der Geschichte von Faber-Castell.
Foto: Ivana Biscan |  Hier erzählt Mitarbeiterin Nadège Hungerecker etwas zu der Geschichte von Faber-Castell.

Das schlechte Ansehen deutscher Bleistifte ändert sich in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts mit Lothar von Faber. Ihm gelingt die Sicherung von Grafit-Abbaurechten in Sibirien. Mit einem Schlag endet der jahrelange Rohstoffmangel. Das wirkt sich auf die Qualität der Bleistifte aus. Unter der Geschäftsführung von Lothar Faber werden Bleistiftlänge, Stärke und Härtegrade normiert - und so von nahezu allen anderen Fabrikanten übernommen. Fortan beträgt die Länge eines Bleistifts 17,4 cm - also 7 Zoll.

Als es am Ende des 19. Jahrhunderts nach mehreren Todesfällen keinen männlichen Nachfolger mehr gibt, geht der Familienbesitz an die älteste Enkelin Freiin Ottilie "Tilly" von Faber über. 1898 vermählt sie sich mit Alexander Graf zu Castell-Rüdenhausen. Aus der Ehe geht der neue Familien- und spätere Unternehmensname hervor: Faber-Castell.

Seit einigen Jahren werden die Stifte mit dem gesund-heits- und umweltfreundlichen Was-serlack lackiert.
Foto: Ivana Biscan | Seit einigen Jahren werden die Stifte mit dem gesund-heits- und umweltfreundlichen Was-serlack lackiert.
Die Farbminen bestehen wie die her-kömmlichen Bleistifte hauptsächlich aus Grafit und Ton.
Foto: Ivana Biscan | Die Farbminen bestehen wie die her-kömmlichen Bleistifte hauptsächlich aus Grafit und Ton.

Heute, 260 Jahre nach der Gründung durch Kaspar Faber, beschäftigt das fränkische Unternehmen weltweit knapp 8000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und hat nach eigenen Angaben ein Jahresumsatz von 555 Millionen Euro. Jährlich gehen in den Fertigungsstätten in zehn Ländern über zwei Milliarden Blei- und Farbstifte vom Band.

Der Stammsitz des Familienunternehmens liegt bis heute in Stein. Auf einer Fläche von etwa 14 Fußballfeldern erstreckt sich dort, vom Faberwald gesäumt, das Gelände. Im Mittelpunkt der Anlage:  das geschichtsträchtige Faber-Castell'sche Schloss, das Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. 

Im Trockenraum lagern die Stifte mehrere Tage. Auf dem Bild ist der Bleistift Castell 9000 zu sehen.
Foto: Ivana Biscan | Im Trockenraum lagern die Stifte mehrere Tage. Auf dem Bild ist der Bleistift Castell 9000 zu sehen.

Unscheinbarer, doch einzigartig ist die L-förmige Fertigungsstätte auf dem Firmengelände: ein zweistöckiges, markantes Ensemble, bei dem die Zeit stehengeblieben scheint. Außen ein Stück Industriegeschichte, ist der 100 Jahre alte Komplex innen ausgerüstet mit allen heutigen Standards. Mit einer Ausnahme: In der Fertigung in Stein ist vieles bunter als in herkömmlichen deutschen Fertigungshallen. Kein Wunder, täglich verlassen die Fertigung hier zwischen 500.000 und 700.000 Stifte. Darunter viele Buntstifte in allen vorstellbaren Farben.

Bis zu 72 Stunden benötigt die Fertigung einer dieser holzgefassten Stifte: Zwei Zedernholzblättchen und sieben Minen werden zu einem sogenannten "Sandwich" zusammengeleimt und bei 60 Grad erwärmt. Sind die Holzsandwiches getrocknet, fräst eine eigens dafür entwickelten Maschine die sieben Stifte aus. Ihre Lackierung erhalten die Rohstifte in einem aufwendigen Lackiervorgang. Sechs bis sieben Mal durchläuft ein Stift den Wasserlack, wiederholte Trockenvorgänge inklusive. 

Auf ihrem Weg durch die Fertigungsstätte erhalten die Stifte anschließend ihre Prägung - das unverkennbare Markenzeichen und Unternehmensemblem der Faber-Castell-Stifte. Der wohl bekannteste Stift von Faber-Castell, der grüne Castell 9000, stammt übrigens aus dem Jahr 1905. Die grüne Farbe des Klassikers geht auf die Farbe des Militärregiments von Alexander Graf von Faber-Castell zurück.

Wer die Bleistift-Fertigung in Stein selbst erleben will: Auf der Webseite www.faber-castell.de kann man zweistündige Führungen buchen.

Nach Voranmeldung kann jeder bei Faber-Castell die Fertigung besichtigen.
Foto: Ivana Biscan | Nach Voranmeldung kann jeder bei Faber-Castell die Fertigung besichtigen.
 
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