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Zeil
Der Zeiler Bahnhof: Er ist und bleibt eine Katastrophe für Reisende mit Handicap, Kinderwagen oder Fahrrad
Die Bahn denkt nach Auskunft einer Sprecherin derzeit nicht an den barrierefreien Ausbau – für Edwin Oppelt, den Behindertenbeauftragen des Landkreises, ein No-Go.
Es könnte so einfach sein, am (überwachsenen) Gleis 1 ein- oder auszusteigen. Doch der Zug hält in Zeil nur an Gleis 2 oder 3. Dorthin geht es per Unterführung - und die ist alles andere als barrierfrei. 
Foto: Martin Sage | Es könnte so einfach sein, am (überwachsenen) Gleis 1 ein- oder auszusteigen. Doch der Zug hält in Zeil nur an Gleis 2 oder 3. Dorthin geht es per Unterführung - und die ist alles andere als barrierfrei. 
Martin Sage
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:07 Uhr

Mittwoch, 7. Juni, halb zwei Uhr nachmittags. Kurz bevor die Regionalbahn Richtung Bamberg in den Zeiler Bahnhof einfährt, ertönt am Bahnsteig der Lautsprecher mit einer Info zum besagten Zug. "Heute fehlt die behindertengerechte Einrichtung". Es ist eine Aussage, die hier, am Bahnhalt Zeil, fast albern wirkt. Denn wer ein Handicap hat, schafft es ohnehin kaum zu Gleis 2 und 3, wo die Regionalbahn Richtung Bamberg und Würzburg hält. Bahnreisende erleben in Zeil das pure Gegenteil von Barrierefreiheit. Und über Gleis 1, das direkt an das leer stehende Bahnhofsgebäude grenzt, wachsen Gras und Büsche.

Wer auf ÖPNV setzt und gut zu Fuß ist, der mag sich freuen, dass die Stadt Zeil überhaupt noch einen Bahnanschluss hat. Wo doch so viele Kommunen deutschlandweit ihren Bahnhof oder Bahnhalt verloren haben. Behinderte, Eltern mit Kinderwagen oder Passagiere mit Fahrrad haben am Bahnhalt Zeil indes kaum Freude: Hier führt der Weg vom Bahnhofsvorplatz zum Bahnsteig oder in umgekehrte Richtung stets durch eine Gleisunterführung. Das bedeutet: Treppe hinab und Treppe wieder hinauf, keine Rampen, kein Aufzug, nur steile Stufen, 47 an der Zahl. 

Regionalbahnhalt in Zeil: Eigentlich ein attraktives Angebot

Die Regionalbahn auf der Bahnstrecke Bamberg-Würzburg fährt von den frühen Morgenstunden bis in den späten Abend hinein etwa einmal pro Stunde in jede Fahrtrichtung. Für die Stadt Zeil und ihr Hinterland sind die leuchtend roten Züge durchaus ein attraktives Angebot, bringen sie doch Pendlerinnen und Pendler in die großen Nachbarzentren und wieder heim. Auch für die Freizeitgestaltung kommt man so schnell bis nach Schweinfurt oder Bamberg. 

Ein Kraftakt für Radfahrerinnen und Radfahrer, vor allem, wenn es sich um E-Bikes handelt: Der Weg vom Bahnsteig Richtung Stadt Zeil oder umgekeht.
Foto: René Ruprecht | Ein Kraftakt für Radfahrerinnen und Radfahrer, vor allem, wenn es sich um E-Bikes handelt: Der Weg vom Bahnsteig Richtung Stadt Zeil oder umgekeht.

Genau deshalb ist für Edwin Oppelt, den Behindertenbeauftragten des Landkreises Haßberge, die Situation am Zeiler Bahnhof ein "totales No-Go". Wieder einmal treffe es die Schwächsten und Ärmsten in der Gesellschaft, etwa die auf den Rollstuhl Angewiesenen. Wieder einmal werde so Leuten mit Handicap die Mobilität und damit die Teilhabe am Leben erschwert oder unmöglich gemacht.  

"Die Bahn bewegt sich null."
Edwin Oppelt, Behindertenbeauftrager des Landkreises, zum Zeiler Bahnhof

Oppelt spricht vom EU-Teilhabegesetz und davon, dass Gebäude und öffentliche Orte eigentlich so gestaltet sein müssen, dass sie für alle Menschen ohne fremde Hilfe zugänglich sind. Was auf den Bahnhalt in Zeil definitiv nicht zutrifft. Hier gibt es Oppelt zufolge auch kein taktiles Leitsystem, das Blinde oder Sehbehinderte sicher durch die Unterführung zum Bahnsteig führen würde. Oppelt stellt es "die Nackenhaare auf", wie ungerührt die Bahn mit einem zu geringen Fahrgastaufkommen argumentiert, das Investitionen in die Barrierefreiheit nicht rechtfertige. Für ihn sind das "faule Ausreden". Nach mehreren Gesprächen mit den Verantwortlichen stellt er mit Blick auf Zeil fest: "Die Bahn bewegt sich null". 

Ein Kraftakt: Mit dem schweren E-Bike zum Bahnsteig

Zu denen, die über die Hürden am Zeiler Bahnhof den Kopf schütteln, gehört zunehmend auch eine Gruppe, die im Alter vielleicht schon etwas fortgeschritten, aber höchst mobil ist: E-Bike-Fahrerinnen und Fahrer. Wie Hans Bedruna aus Bamberg, nach eigener Beschreibung passionierter Radfahrer. Trotz seiner weit über 70 Lebensjahre ist Bedruna viel auf dem Maintalradweg unterwegs. Da ist Zeil mit dem malerischen Rathaus-Ensemble, dem Käppele und seinen Gastwirtschaften für ihn wie für viele andere immer wieder ein attraktives Ausflugsziel. 

"Ich kann die Leute verstehen, die sich ärgern, dass sie mit dem Kinderwagen oder dem Rollstuhl nicht zum Bahnsteig kommen"
Thomas Stadelmann, Bürgermeister von Zeil am Main

Erst vor kurzem war Hans Bedruna wieder nach Zeil geradelt. Wegen der fortgeschrittenen Tageszeit wollte er dann aber mit der Regionalbahn zurück nach Bamberg. Da sei sein Verdruß groß gewesen, dass es für "Radler meiner Altersklasse" keinen vernünftigen Zugang zu den Bahnsteigen gibt, schreibt Bedruna der Redaktion. "Das Pedelec mehrere Stufen auf und ab zu schleppen ist ein gehöriger Kraftakt." Gerade auch wegen der vielen Ausflügler in die Wein- und Fachwerkstadt versteht er nicht, dass es hier keine bessere Lösung gibt. 

Wer mit dem Rollstuhl unterwegs ist, hat hier keine Chance, wer einen Rollator, einen Kinderwagen oder ein Fahrrad schiebt, steht vor einer Mammutaufgabe: Der Aufstieg zum Zeiler Mittelbahnsteig, von dem alle Regionalbahnen abfahren.
Foto: René Ruprecht | Wer mit dem Rollstuhl unterwegs ist, hat hier keine Chance, wer einen Rollator, einen Kinderwagen oder ein Fahrrad schiebt, steht vor einer Mammutaufgabe: Der Aufstieg zum Zeiler Mittelbahnsteig, von dem alle ...

Bürgermeister Thomas Stadelmann kennt den Frust seiner Bürgerinnen und Bürger und auch vieler Besucherinnen und Besucher der Stadt mit den Unzulänglichkeiten des Bahnhofs. "Ich kann die Leute verstehen, die sich ärgern, dass sie mit dem Kinderwagen oder dem Rollstuhl nicht zum Bahnsteig kommen", sagte Stadelmann dieser Tage auf Anfrage der Redaktion. Auch der Bürgermeister ist zunächst einmal froh, dass die Bahn den Bahnhalt nicht grundsätzlich in Frage stellt; und dass sie in Zusammenarbeit mit der Stadt zu Verbesserungen bereit ist. Gerade erst sind am Bahnhof moderne Fahrradabstellplätze entstanden.

Die Stadt Zeil will erneut an die Bahn herantreten

Doch das Problem Barrierefreiheit bleibt. Der Stadtrat habe sich jüngst mit dem Thema befasst. Und nun will die Stadt laut Stadelmann erneut auf die DB Station & Service AG zugehen, die für Bahnhöfe zuständig ist. Doch auch der Bürgermeister hat die Erfahrung gemacht, dass die Mühlen der Bahn sehr langsam arbeiten.

Laut dem Verkehrsunternehmen steht das Signal für irgendwelche Verbesserungen momentan eh auf Rot: "Derzeit bestehen für den Bahnhof Zeil am Main keine Pläne für einen barrierefreien Ausbau", antwortet eine Bahnsprecherin auf Anfrage der Redaktion. Sie verweist auf nationales und europäisches Eisenbahnrecht, demzufolge "das Erreichen einer Reisendenzahl von 1000 Ein-/Aussteigern pro Tag grundsätzlich Voraussetzung für den barrierefreien Ausbau eines Bahnhofs ist", schreibt die Sprecherin. Zeil liege unter dieser Grenze; wie weit, war nicht zu erfahren.

Es gebe Ausnahmen von dieser Regelung, etwa wenn der Bund Sonderprogramme für kleinere Bahnhöfe auflegt. Bei den aktuell laufenden Ausbauprogramme hätten Bund und Freistaat jedoch andere Bahnhöfe identifziert, "die über eine höhere Priorität bezüglich eines barrierefreien Ausbaus verfügen."

"Derzeit bestehen für den Bahnhof Zeil am Main keine Pläne für einen barrierefreien Ausbau."
Eine Sprecherin der Deutschen Bahn

Fahrradreisende werden ihr Gefährt am Zeiler Bahnhof also auf längere Sicht noch die Treppen hinauf- und hinabschleppen müssen; Menschen im Rollstuhl wohl eher auf den inzwischen barrierefrei ausgebauten Haßfurter Bahnhof oder den bald in Teilen barrierefreien Bahnhalt Ebelsbach-Eltmann ausweichen. In Zeil sind nicht einmal Metallschienen an den Treppen zum Schieben der Räder möglich, die sich Hans Bedruna wünschen würde, weil er an einen Aufzug ohnehin nicht glaubt. Der Senior hatte gehofft, die Stadt Zeil könnte hier die Initiative ergreifen, weil er von der Bahn eh nichts erwartet.

Viel zu schmal ist laut Auskunft der Bahn in Zeil der Treppenaufgang zum Bahnsteig, als dass hier Schienen für das Schieben von Fahrrädern angebracht werden könnten. Was die Bahn wegen der Stolpergefahr eh nicht mehr macht.
Foto: René Ruprecht | Viel zu schmal ist laut Auskunft der Bahn in Zeil der Treppenaufgang zum Bahnsteig, als dass hier Schienen für das Schieben von Fahrrädern angebracht werden könnten.

Doch auch hier winkt die DB AG ab. Das Aufbringen einer Metallschiene als Fahrradrinne in Form einer Neueinrichtung sei "wegen zu hoher Unfall- und Stolpergefahr nicht zulässig", teilt das Unternehmen mit. Und: Die Zeiler Treppe ist in Relation mit dem dortigen Fahrgastaufkommen nicht breit genug für den Einbau, um im Falle eines Falles noch ihre Funktion als Fluchtweg zu erfüllen.

 
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Kommentare
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  • micher11390705
    Das Landratsamt wo Herr oppelt arbeitet müsste auch mehr auf die Bahn einwirken. Aber der Landrat ist ja nur Meister im schönreden und drückt sich vor schwierigen Dingen. Der Landkreis ist stellenweise ein Scherbenhaufen.
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  • frier
    Bei den derzeit meist übervollen Zügen überhaupt Bahn fahren – nicht nur Behinderte? Immer wieder die gleichen Fehler? Nicht erst die Voraussetzungen schaffen? Das 49-Euro-Ticket ist grundsätzlich der richtige Weg, aber nicht so. Die Bahn spart sich kaputt und vergrault seine Fahrgäste und macht es Behinderten nur noch schwerer? Absicht? . Motto: Es lebe der „umweltfreundliche“ PKW – sorry … =?
    Behinderte bekommen im Nahverkehr keine Sitzplatzreservierung. Alternativen zu den Nahverkehrszügen, wo eine Sitzplatzreservierung möglich wäre, dürfen von Behinderten mit Wertmarke nicht benutzt werden. Alles super Bahn?
    In Haßfurt macht man den 3ten Ausgang dicht, anstatt den an den Fußweg der Nordtangende anzubinden. Und und und 
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  • juerwer@gmx.de
    Einmal ist das Fahrgastaufkommen zu niedrig, für den barrierefreien Ausbau. Für den Einbau von Schienen ist das Fahrgastaufkommen zu hoch. Die Bahn dreht sich hier im Kreis. Warum macht man einfach nicht den Ausbau. Vielleicht steigt dann auch das Fahrgastaufkommen, da ja der angesprochene Personenkreis größer ist. Wohl ein Henne Ei Problem.
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