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Knetzgau
Der Traum vom Studium lebt weiter: Der Ukrainer Oleksii Prostiakov hat in Knetzgau den besten Gesamtquali geschafft
Vor zwei Jahren floh der heute 17-Jährige mit seiner Familie vor dem Krieg. In Knetzgau hatte er schon eine Lehrstelle. Doch sein Ziel ist jetzt das Abitur.
Oleksii Prostiakov hat in Knetzgau den besten Quali geschafft. Das reicht dem jungen Ukrainer nicht. Er will ans Gymnasium und anschließend Jura studieren.
Foto: Christiane Reuther | Oleksii Prostiakov hat in Knetzgau den besten Quali geschafft. Das reicht dem jungen Ukrainer nicht. Er will ans Gymnasium und anschließend Jura studieren.
Christiane Reuther
 |  aktualisiert: 08.08.2024 02:45 Uhr

Oleksii Prostiakov hat einen Kindheitstraum: "Ich möchte gerne Anwalt werden". Dafür müsste der junge Mann Jura studieren. Vor zwei Jahren schien der Traum von einem Tag auf den anderen zu zerplatzen. Da floh der Jugendliche mit seinen Eltern und den beiden jüngeren Schwestern vor dem Krieg aus der Ukraine nach Deutschland. Manchmal gibt das Leben Wege mit Umleitungen vor, die ebenfalls ans Ziel führen. Denn mittlerweile stehen die Chancen für den 17-Jährigen sehr gut, doch noch ein Studium anzustreben. Oleksii Prostiakov schaffte an der Mittelschule der Dreiberg-Schule in Knetzgau mit einem Notendurchschnitt von 1,7 den besten Quali, den qualifizierenden Mittelschulabschluss.

"Unser Haus in der Ukraine steht noch, aber alle Nachbarhäuser sind kaputt."
Oleksii Prostiakov

Zunächst hatte sich der junge Mann im Laufe der neunten Klasse um einen Ausbildungsplatz als Fachlagerist bei einer Firma in Knetzgau beworben und auch eine Zusage erhalten. "Dafür habe ich die freien Ausbildungsplätze in Knetzgau näher unter die Lupe genommen". Da der junge Ukrainer ab der achten Klasse die Mittelschule in Knetzgau besuchte, absolvierte er ein Praktikum im Verkauf. Ansonsten können mehrere Praktika während der achten Klasse absolviert werden. Kurz vor dem Schulende dann eine Planänderung: Der Mittelschulabsolvent besucht eine weiterführende Schule. Dem Ausbildungsbetrieb in Knetzgau teilte der junge Mann zeitgleich seine neuen Pläne mit.

Lehrer und Eltern empfehlen die schulische Weiterbildung

"Die Lehrer und meine Eltern haben mir empfohlen, mich schulisch weiter zu bilden". Ab dem kommenden Schuljahr besucht der junge Mann die M10 an der Albrecht-Dürer-Mittelschule in Haßfurt. Hier möchte er die Mittlere Reife erlangen und anschließend auf das Gymnasium wechseln, um sein Abitur abzulegen und den Traum von einem Jurastudium doch noch zu verwirklichen.

Wie kommt der junge Ukrainer nach Knetzgau? Oleksii Prostiakov ist in der Südukraine in der 480.000 Einwohner zählenden Stadt Nikolaev aufgewachsen. Nikolaev, laut Wikipedia auch Mykolajiw genannt, ist die Hauptstadt der Oblast Mykolajiw, am Zusammenfluss des südlichen Bugs mit dem Inhul im Küstengebiet des Schwarzen Meeres gelegen. "Es war schwer, die Heimat, die Familie und die Freunde zu verlassen", blickt Oleksii mit Wehmut zurück.

Oleksii musste Hündchen "Nuscha" zurücklassen

Den besten Freund, sein Hündchen "Nuscha", musst er zurücklassen und in die Obhut der Großmutter geben. In seiner Heimatstadt besuchte der junge Ukrainer ein Lyzeum mit dem Fächerschwerpunkt Physik und Mathematik. "Ich musste während des Schuljahres die Schule verlassen und einen Schnitt machen", erzählt Oleksii mit einem Gefühl von Traurigkeit.

Zerstörung, Elend, Tod oder Vertreibung bringt der russische Angriffskrieg vielen Städten (hier Sloviansk) und Menschen in der Ukraine. Auch der jetzt in Knetzgau lebende Oleksii Prostiakov musste fliehen. (Symbolfoto)
Foto: Efrem Lukatsky, dpa | Zerstörung, Elend, Tod oder Vertreibung bringt der russische Angriffskrieg vielen Städten (hier Sloviansk) und Menschen in der Ukraine. Auch der jetzt in Knetzgau lebende Oleksii Prostiakov musste fliehen. (Symbolfoto)

"Unser Haus in der Ukraine steht noch, aber alle Nachbarhäuser sind kaputt", erzählt der 17-Jährige. Die Heimatstadt des jungen Mannes wird fast täglich aus rund 25 Kilometern Entfernung von der russischen Armee mit Raketen beschossen. "Meine Mama hat einen Monat nach Kriegsbeginn entschieden, dass wir aus der Ukraine herausgehen", sagt der junge Mann. Das Ziel war erstmals unbekannt. Zunächst lebte die Familie zwei Tage lang bei Bekannten in Nürnberg. Danach ging es in eine Flüchtlingsunterkunft in der Nähe von Schweinfurt mit anschließender Umverteilung in die Turnhalle des Knetzgauer Gemeindeteils Hainert. Jetzt wohnt Oleksii Prostiakov in einem Haus in Knetzgau und fühlt sich dort mit seiner Familie wohl.

Integration sei für den Ukrainer ganz wichtig: "Integrieren heißt für mich, die Sprache des Landes zu lernen, in dem ich wohne und mich einzufügen". Innerhalb von zwei Jahren hat Oleksii Prostiakov die deutsche Sprache erlernt. Dafür bekam er drei Monate lang Förderunterricht an der Mittelschule und Unterstützung durch alle Lehrkräfte und Mitschülerinnen und Mitschüler. Es sei rückblickend eine gute Schulzeit an der Mittelschule in Knetzgau gewesen. Das deutsche Schulsystem sei ihm leichter gefallen als das am Lyzeum seiner Heimatstadt in der Ukraine. "Die Unterrichtseinheiten wurden hier so erklärt, dass sie alle verstehen konnten". Auf seinen Mittelschulabschluss habe sich der junge Mann gut vorbereitet.

Handball und Kickboxen statt Football

Oleksii Prostiakov erzählte, dass er in seinem Heimatland ein guter Footballspieler gewesen sei. Hier in der Region findet er für seinen Lieblingssport kaum Trainingsmöglichkeiten. Durch einen Mitschüler ist er zum Handballspiel gekommen, wo er jetzt beim TV Königsberg trainiert. Außerdem geht er regelmäßig zum Kickboxen nach Schonungen. Der junge Mann möchte in Deutschland dauerhaft sesshaft werden und hier ein Studium anstreben. Mit seinen Angehörigen in der Ukraine hält er den Kontakt täglich aufrecht.

Er vermisse seine Familienangehörigen. Auch wenn es so keine befriedigende Lösung sei, möchte er nicht mehr in die Ukraine zurückgehen. Die Mama und die Schwestern würden immer wieder mal in die alte Heimat reisen. Aber für Oleksii und seinen Papa gehe das nicht. Sie müssten sich beide registrieren lassen und in den Krieg ziehen. Kaum vorstellbar für den jungen Ukrainer, der auf dem besten Weg ist, eine neue Heimat zu finden.

 
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