
Ein Raunen wandert durch die Turnhalle in Aidhausen, als Bürgermeister Dieter Möhring (Freie Wähler) eine Tabelle mit Zahlen auf die Leinwand neben sich wirft. "Das ist unmoralisch, ihr wisst das, und ihr macht es trotzdem", ruft eine Frau und erntet für ihre Aussage den Applaus der Menge.
Das Zahlenwerk an der Wand ist der Grund, warum der Unmut vieler Bürgerinnen und Bürger seit Wochen wächst. Es zeigt die künftigen Einnahmen der Gemeinde aus der Grundsteuer B. Statt bislang 134.016,50 Euro sollen es ab diesem Jahr 339.254,56 Euro sein, das Zweieinhalbfache. Doch das Geld kommt nicht von irgendwo her. Für die Mehreinnahmen greift die Gemeinde tief in den Geldbeutel der Aidhäuserinnen und Aidhäuser. Zu tief, wie viele finden: "Ich muss künftig das Sechsfache bezahlen", klagt ein Mann im Publikum. Aus dem Unmut ist bei manchen längst auch Wut geworden.
Möhring stellt sich an diesem Abend Anfang Februar dem Ärger seinen Bürgerinnen und Bürger. Und der ist derart groß, dass die Verwaltung kurzfristig auf die Turnhalle als Veranstaltungsort für die eigens anberaumte Bürgersprechstunde ausweichen musste, um die rund 150 Menschen unterzubringen. Immerhin gut zehn Prozent der Bevölkerung. "Wir tun mit dem Geld viel Positives für die Gemeinde, das überwiegt die Belastung", verteidigt Möhring das eigene Vorgehen. Er erntet Kopfschütteln und Gelächter. Gehör findet der Bürgermeister an diesem Abend keines.
November 2024: Gemeinderat legt Hebesatz fest
Wer den Ärger in Aidhausen verstehen möchte, muss zu dessen Ursprung am 28. November vergangenen Jahres zurückgehen. Es ist der Tag, an dem der Gemeinderat seine neuen Hebesätze festlegt. Nötig gemacht hatte das die Reform der Grundsteuer. Doch statt dem Gebot der Aufkommensneutralität zu folgen, also die Hebesätze so anzupassen, dass Eigentümerinnen und Eigentümer nicht zusätzlich finanziell belastet werden, entscheidet sich das Gremium für einen folgenschweren Schritt. Zwar senkt es den Berechnungsfaktor von 420 auf 390 Prozent. Weil sich aber mit der Reform in Bayern auch die Bemessungsgrundlage verändert hatte, bleibt unterm Strich eine saftige Steuererhöhung.
Dass sich angesichts einer solchen Entscheidung Unmut regen würde, hatte sich bereits im Herbst 2024 abgezeichnet. Ende Oktober wandte sich etwa Raymund Mayer als Vorsitzender der "Eigenheimer-Vereinigung-Aidhausen" mahnend an die verantwortlichen Kommunalpolitikerinnen und -politiker. In seinem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, bat er Möhring und den gesamten Gemeinderat darum, bei der Festsetzung des neuen Hebesatzes die Belange aller – der Eigentümerinnen, aber auch der Mieter – nicht aus den Augen zu verlieren. Und sich an das Gebot der Aufkommensneutralität zu halten. "Die Belastung für alle Haushalte sind in letzter Zeit ohnehin stark gestiegen", argumentierte Mayer damals.
Jürgen Plettner: "Das ist einfach zu viel!"
Einer, der wie Mayer das Vorgehen der Gemeinde nicht nachvollziehen kann, ist Jürgen Plettner. Er steht Anfang Februar ebenfalls in der vollen Aidhäuser Turnhalle und hört zu. In die teils hitzige Debatte mischt er sich an diesem Abend nicht ein. Vier Tage später sitzt Plettner am Esstisch seines Wohnhauses im Ortsteil Friesenhausen. Vor ihm liegen Dokumente: ein Grundsteuerbescheid, Vergleichstabellen mit Hebesätzen aus der Region, Widerspruchsschreiben. Der 54-Jährige wählt seine Worte lieber sorgsam. "Ich zahle gerne Grundsteuer", beginnt Plettner. Von den Investitionen durch die Einnahmen profitiere schließlich auch er als Einwohner. Die Mehrheit der Menschen im Ort sehe das so. "Aber das ist einfach zu viel!"

Wenige Jahre sei es her, dass er den einstigen Stall auf dem Familiengrundstück nebenan saniert und in Wohnraum verwandelt habe. Vieles mit den eigenen Händen. Bereits durch die Neubewertung sei die Steuerlast dann um mehrere hundert Euro im Jahr gestiegen. "Alles nachvollziehbar, alles gut", so Plettner. Doch mit dem aktuellen Hebesatz habe sich die Abgabe noch einmal verdoppelt. "Das muss auf die Miete umgelegt werden", erklärt er. Dabei sei Wohnraum im Ort ohnehin knapp, und der vorhandene verteuere sich zusätzlich. "Da überlegen sich junge Leute doch zweimal, ob sie in unsere Gemeinde ziehen", sagt Plettner.
Gegner verteilen Widerspruchsformulare im Ort
Plettner betont, dass es ihm nicht in erster Linie um sich und seine Familie gehe. Er wolle keinen Unmut schüren, keine Konflikte heraufbeschwören. Ihn treibe vielmehr die Frage der sozialen Verträglichkeit und Gerechtigkeit an. "Es gibt viele Menschen im Ort, die von einer kleinen Rente leben und die diese Erhöhung deutlich stärker trifft als mich." Plettner und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter hatten deshalb im Dorf selbst entworfene Widerspruchsformulare gegen den Grundsteuerbescheid der Gemeinde Aidhausen verteilt.
Wirklich vielversprechend ist dieses Vorgehen aber nicht. Denn ein Widerspruch gegen die Hebesatzpolitik der Gemeinden, die in ihrer Festlegung frei entscheiden können, hat kaum Chancen auf Erfolg. Das zeigen vergleichbare Fälle aus der Vergangenheit. Und das weiß auch Plettner. Was bleibt, ist die Symbolkraft dieser Aktion. Mit ihr hoffen die Gegnerinnen und Gegner der Grundsteuererhöhung auf Einsicht im Aidhäuser Rathaus und im Gemeinderat, und auf mehr Augenmaß. "Wir hoffen, dass sie diesen Fehler korrigieren", sagt Plettner. "Dass sie diese Steuererhöhung zumindest sozialverträglich abmildern."
Änderung des Hebesatzes bis Ende Juni möglich
Die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Umkehr wären tatsächlich gegeben. Laut Artikel 25 des Grundsteuergesetzes sollen Gemeinden ihren Hebesatz "bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres" festsetzen oder ändern. Doch wo ein Weg ist, ist nicht zwingend ein Wille. Denn im Aidhäuser Rathaus sieht man einen dringenden Bedarf für die Mehreinnahmen aus der Grundsteuer: "Wir haben es getan in dem Wissen, dass wir in diesem Jahr eine hohe finanzielle Belastung haben", erklärt Dieter Möhring im Gespräch.

Gemeint ist unter anderem die Investition in den Glasfaserausbau in Aidhausen und seinen Ortsteilen, der eigentlich Ende 2025 abgeschlossen sein sollte. 360.000 Euro muss die Gemeinde dafür selber berappen. "Das betrifft jedes Haus, deswegen halte ich es für sinnvoll, das über die Grundsteuer abzuwickeln", sagt Möhring. Über Stimmen bei der Bürgerversammlung, die Aidhausens Anschluss an das schnelle Internet als "Luxus" bezeichneten, könne er nur den Kopf schütteln. Wichtige Investitionen aufzuschieben, sei ungerecht für künftige Generationen.
Er selbst sei von der Erhöhung betroffen, sagt Möhring: "Ich zahle das Vierfache und jammere nicht." Eine genaue Summe möchte er nicht nennen. Ganz Aidhausen will der durchaus als streitbar bekannte Bürgermeister beim Thema Grundsteuer nicht gegen sich wissen. "Die Versammlung war für mich nicht repräsentativ für die Stimmung im Ort." Eine willkürliche Hebesatzpolitik weist er zurück. Möhring sieht das Problem vielmehr in der Reform selbst. Im Flächenmodell etwa, für das sich Bayern bei der Grundsteuer entschieden hat. Das soll einfacher sein, unbürokratischer. Doch es gibt Zweifel an der Fairness, auch bei Möhring. "Uns wurde wieder eine Suppe aufgetischt, die wir als Kommune auslöffeln müssen", klagt er.
Möhring schließt Senkung auch für 2025 nicht aus
Bleibt der Vorwurf der Steuererhöhung durch die Hintertür. "Ohne Reform hätten wir angesichts der immer stärkeren finanziellen Mehrbelastungen für die Gemeinden auch über eine deutliche Anhebung des Hebesatzes nachdenken müssen", sagt Möhring. "Zumindest für dieses Jahr."
Bereits bei der Bürgerversammlung Anfang Februar hatte Möhring angekündigt, dass der Gemeinderat sich Ende 2025 mit einer Anpassung des Hebesatzes beschäftigen würde. Für das laufende Jahr, so betonte er, könne es keine Änderungen mehr geben. Doch hier scheint Bewegung in die Sache zu kommen. So schließt Möhring auch eine Senkung für 2025 nicht mehr aus – die "aber nichts mit der Kritik aus der Bevölkerung zu tun" habe, wie er betont. Stattdessen gebe es offenbar Bestrebungen bei der Telekom, den Glasfaserausbau ins Jahr 2026 zu strecken. "Sollte der Fall eintreten, hätten wir mehr finanziellen Spielraum", sagt er. Etwa ein Drittel der Investitionssumme könnte ins nächste Jahr wandern.
Versprechen möchte Möhring nichts. "Wir müssen abwarten." Auch wann das Thema auf der Tagesordnung im Gemeinderat landet, steht noch nicht fest. "Vermutlich werden wir uns in der Sitzung im April offiziell damit beschäftigen", so Möhring. Das Thema aussitzen, dürfte angesichts des herrschenden Unmuts nur schwer möglich sein. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Bürgerinnen und Bürger schon bei der Gemeinderatssitzung am 6. März auf klare Aussagen pochen werden.
Aber jeder Bürger kann unter Verweis auf § 8 BayGrStG Erlaß der überhöhten Steuer beantragen. Die Verwaltung und der Gemeinderat müssen dann in jedem Einzelfall entscheiden, weshalb man das von der Regierung geforderte Gebot der Aufkommensneutralität und das vom BVerfG geforderte Gebot der gleichmäßigen Besteuerung unangemessen nicht einhalten will! - - - > das kostet nix !
Wer das also nicht überprüfen lässt ist selber schuld....
---> und dann kann man sich immer noch überlegen, diese Entscheidung vom Finanzgericht überprüfen zu lassen. Das kostet bei Gericht dann 312 EUR.
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Ich frage Sie nicht, wieviel Sie als Versicherungskaufmann verdienen, sondern stelle in Frage, dass Sie bei anderen ein Ehrenamtsengagement in Frage stellen oder fordern, während Ihre "Ehrenamtstätigkeit" als Bürgermeiste rund VG-Vorsitzender in der Höhe eines Full-timejobs entlohnt wird.
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nur nebenbei - in meiner Heimatgemeinde kostete das gleiche Grundstück 148 EUR und wir haben da schon eine Erhöhung von ca. 20% mit einkalkuliert! 160% lautet unser Hebesatz. Nicht weil wir mehr gekonnt hätten, aber mehr wäre unmoralisch - meinte die Frau!
---> Daher an ALLE Aidhäuser: Erweiterter Erlass nach § 8 BayGrStG beantragen und zwar ALLE Bürger: Das Gesetz schreibt: " Ansprüche aus dem Grundsteuerschuldverhältnis können erlassen werden, soweit nach dem durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Systemwechsel nach Lage des einzelnen Falles eine unangemessen hohe Steuerbelastung eintritt. - - > also eine mehr als Verdopplung ist sicherlich eine unangemessen hohe Steuerbelastung, wenn unsere Regierung die Kostenneutralität fordert und das Verfassungsgericht eine gleichmäßige Besteuerung fordert. In den Nachbargemeinden kostetes die Hälfte = ungleichmäßig ! wer keinen Antrag stellt ist selber schuld!