Stefan Paulus (SPD/Christliche Wählergemeinschaft) ist seit 2008 Bürgermeister von Knetzgau im Landkreis Haßberge. Die Gemeinde hat mit allen Ortsteilen rund 6500 Einwohner. Der gebürtige Knetzgauer Paulus lebt in Bamberg, ist verheiratet und Vater eines elfjährigen Sohnes. Zum Interview erwischten wir den 52-Jährigen im Familienurlaub bei einer Radtour in Finnland. Dennoch nahm sich der Kommunalpolitiker Zeit für ein Gespräch über die Herausforderungen, die das Bürgermeisteramt mit sich bringt, und er gibt einen Rat: "Leute, seid doch auch mal zufrieden."
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Herr Paulus, Sie waren einer von 124 unterfränkischen Bürgermeistern, die sich an unserer Umfrage beteiligt haben. Sie sind seit knapp zwölf Jahren Bürgermeister von Knetzgau und haben angegeben, dass in den vergangenen Jahren die persönlichen Anfeindungen stark zugenommen haben. Wie begründen Sie das?
Stefan Paulus: Das größte Problem sind die Halbwahrheiten aufgrund von Gerüchten, die oft in den Sozialen Netzwerken verbreitet werden. Einzelne Bürger machen sich oftmals nicht mehr die Mühe, sich zu informieren. Wer geht heute schon noch auf eine Bürgerversammlung und beteiligt sich an Diskussionen? Zudem steigt das Anspruchsdenken: Oftmals wird der Bürgermeister als Person gesehen, die nur den Wunsch des Einzelnen zu erfüllen hat.
Betroffen sind nicht nur Bürgermeister, sondern oftmals auch Verwaltungsmitarbeiter . . .
Paulus: Natürlich, und alles soll immer gleich und schnell umgesetzt werden. Dieses Anspruchsdenken macht es uns manchmal schwer. Ich glaube, es würde allen gut tun, wenn sich die Erregungszustände etwas abkühlen würden und alle ein bisschen zufriedener wären. Jeder hält sein Problem immer für das Wichtigste. Es ist aber manchmal nicht deckungsgleich mit der Problematik, wie sie sich aus Sicht der Gemeinde darstellt. Dann werden Bürgermeister, Gemeinderäte, Verwaltungsmitarbeiter schnell einmal beschimpft. Wobei ich herausstreichen möchte, dass das nur ein kleiner Teil macht. 90 Prozent der Bürger hält sich an die Regeln.
Das hört sich nach einem schwierigen Spagat für Sie an.
Paulus: Ja, das ist so. Deshalb finde ich es auch sehr gut, dass die Main-Post die Herausforderungen, die ein Bürgermeisteramt mit sich bringt, mit ihrer Umfrage einmal so in den Fokus rückt. Wir Bürgermeister stehen total im Spannungsfeld. Wir müssen auf der einen Seite Entscheidungen der Bundes- und Landespolitik umsetzen und sind auf der anderen Seite für den Bürger zuständig, der vielleicht Probleme mit dem Straßenausbau, dem Kindergartenpersonal oder dem Ausbau für schnelles Internet hat. Das sind schwierige Rahmenbedingungen. Dabei sollte jeder bedenken: Wir sind auch nur Menschen. Ich glaube, ich spreche für alle meine unterfränkischen Kollegen, wenn ich sage: Wir Bürgermeister tun unser Bestes, um das Zusammenleben in den Gemeinden zu verbessern. Das soll aber keinesfalls jämmerlich klingen: Mir macht der Job als Bürgermeister nach wie vor viel Spaß.
Welche Möglichkeiten bieten Sie in Knetzgau den Bürgern zur Beteiligung an kommunalen Entscheidungen?
Paulus: Wir haben erkannt, dass Bürger ihre Heimat mitgestalten wollen. Wir bieten daher im Rahmen eines Bürgerforums die Mitwirkung etwa an der Errichtung von Bürgertreffs, dem Bau eines Skaterparks und weiteren Projekten an.
Und dennoch haben offenbar viele Gemeinden gerade jetzt vor der Kommunalwahl 2020 Probleme, geeignete Kandidaten zu bekommen. In manchen Orten werden sogar Anzeigen geschalten.
Paulus: Das ist richtig. Es wird immer schwieriger Menschen zu finden, die sich engagieren. Deshalb müssen wir gerade denen, die es tun, den Rücken stärken und sie unterstützen. Ich sehe da auch ein gesellschaftliches Problem. Nehmen Sie die Fälle, in denen Feuerwehrleute im Einsatz beschimpft werden. Oder in denen Elternbeiratsvorsitzende jeden Einzelwunsch erfüllen sollen und dann kritisiert werden, wenn das nicht funktioniert. Wir hören das auch von ehrenamtlichen Mitarbeitern aus Kirchen oder Vereinen. Das macht mir ehrlich gesagt etwas Angst: Denn was passiert in unserem Land, wenn es uns wirtschaftlich einmal etwas schlechter gehen sollte als derzeit? Im Moment haben wir fast Vollbeschäftigung. Aber was, wenn wir Einbußen hinnehmen müssen und alles noch teurer wird? Ich kann nur hoffen, dass das demokratischer Lager auch in einer wirtschaftlichen Schieflage stark genug sein wird.
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Was sollten Politik und Gesellschaft tun?
Paulus: Ich würde mir mehr Respekt aus der Bundes- und Landespolitik für die Arbeit auf kommunaler Ebene wünschen. Viele Projekte scheitern, weil die Auflagen und die Bürokratie zu umfangreich und kompliziert geworden sind. Wir müssen dann den Kopf hinhalten, obwohl die Schuld woanders liegt. Gesellschaftlich wäre es schön, wenn es mehr politisches Engagement gäbe. Natürlich darf in den Sozialen Medien auch mal Hasskommentaren widersprochen werden. Wenn das mehr Menschen täten, würde ich mich darüber freuen. Was mir aber am Wichtigsten ist: ,Leute, seid doch auch mal zufrieden.' Wir leben in Frieden, Wohlstand und Freiheit. Dass das so bleibt, dafür sind nicht nur wir Politiker verantwortlich, sondern jeder Einzelne.
Ihre Leidenschaft am Job des Bürgermeisters ist in jedem Wort zu spüren.
Paulus: Wir kämpfen auf jeden Fall weiter und ich bin mir auch sicher, dass wir das schaffen.
- Kommentar: Es fehlt an Anstand und Respekt
Auf Bürgerversammlungen sollen nämlich die Bürger sprechen und der Bürgermeister soll daraus lernen, was die Bürger denken und wollen. So herum wird ein Schuh daraus. DAs haben viele Bürgermeister verlernt. Wenn sie dann noch nicht mit Kritik umgehen können, sollten sich solche Bürgermeister in der Tat fragen, was sie in diesem Job eigentlich wollen.