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Haßfurt
Vor zwei Jahren brannte sein Haus nieder: Jetzt organisiert ein Haßfurter Hilfe für das Ahrtal
Ein halbes Jahr nach der Flutkatastrophe sammelt Werner Bergmann Baumaterial im Wert von 30 000 Euro und bringt es ins Krisengebiet. Warum das dringend nötig ist, erzählt ein Helfer vor Ort.
Werner Bergmann, Bauunternehmer aus dem Haßfurter Stadtteil Oberhohenried, hat Hilfslieferungen ins Ahrtal initiiert.
Foto: Lukas Reinhardt | Werner Bergmann, Bauunternehmer aus dem Haßfurter Stadtteil Oberhohenried, hat Hilfslieferungen ins Ahrtal initiiert.
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 13.02.2024 11:05 Uhr

Werner Bergmann stand im Januar 2020 selber vor dem Nichts. Nicht Wasser, sondern ein Feuer hatte ihm damals fast alles genommen: "Mein Haus brannte bis auf die Grundmauern nieder", erzählt der Bauunternehmer aus dem Haßfurter Stadtteil Oberhohenried. "Ich weiß, wie sich das anfühlt. Und ich weiß, wie glücklich ich beim Wiederaufbau über jede Hilfe war."

Heute hilft Werner Bergmann. Er initiierte und organisierte mit seinen Brüdern Unterstützung für die Betroffenen der Fluten im Ahrtal. Vor rund einem halben Jahr waren dort bei einem verheerenden Hochwasser 134 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 3000 Gebäude entlang des Flusses wurden beschädigt, so eine Schätzung der Behörden. "Der Wiederaufbau ist noch lange nicht abgeschlossen, der Bedarf an Baustoffen immens", weiß Bergmann.

Und so sammelte der Bauunternehmer Material im Wert von rund 30 000, wie er stolz schätzt, "alles Spenden von Privatpersonen und Unternehmern aus der Region". Am vergangenen Donnerstag schließlich brachten er und seine Mitstreiter die Hilfslieferung an ihren Bestimmungsort: Marienthal an der Ahr, Teil der Gemeinde Dernau.

Hilfsbereitschaft im Haßberkreis immens

Baumaterialien, die sind derzeit ein teures und gefragtes Gut. Nicht nur im Ahrtal. Das weiß Bergmann, der noch vor Weihnachten beschloss, die betrieblichen Geschenke diesmal etwas kleiner ausfallen zu lassen. "Die Summe, die blieb, wollten wir in Form von Material spenden und mit einem Lastwagen in das betroffene Gebiet transportieren", sagt er. Was zunächst im kleineren Umfang geplant war, löste einen Dominoeffekt aus: Über den Nachrichtendienst WhatsApp verbreitet sich Bergmanns Idee.

Der Hilfskonvoi erreicht sein Ziel: den 100-Seelen-Ort Marienthal, Teil der Gemeinde Dernau. Dort koordiniert Peter Kirchhoff die Vergabe der gespendeten Materialen.
Foto: Werner Bergmann | Der Hilfskonvoi erreicht sein Ziel: den 100-Seelen-Ort Marienthal, Teil der Gemeinde Dernau. Dort koordiniert Peter Kirchhoff die Vergabe der gespendeten Materialen.

Andere Unternehmen  - große und kleine aus dem Haßbergkreis und darüber hinaus - spendeten ebenfalls: Leerrohre, Zement, Putz, Fliesenkleber, Grobspanplatten, Elektrokabel - Bergmanns Liste wurde länger und länger. Aber nicht nur Unternehmerinnen und Unternehmer schlossen sich an: "Menschen warfen anonym Kuverts mit Geld in meinen Briefkasten", sagt Bergmann. Ganze Dorfgemeinschaften spendeten, auch Feuerwehren. "Es ist eigentlich unglaublich, wie groß die Hilfsbereitschaft war."

"Es ist eigentlich unglaublich, wie groß die Hilfsbereitschaft war."
Werner Bergmann, Bauunternehmer Oberhohenried

Mit der Zahl der Spenden stieg auch die Zahl der nötigen Lkw. Vier Lastwagen - drei inklusive Anhänger - und ein Kleintransporter waren es schließlich. So setzte sich der Hilfskonvoi am Donnerstagmorgen in Bewegung. Mit Tempo 80 ging es über die Autobahn rund 350 Kilometer in Richtung Krisengebiet. Was er vor Ort zu sehen bekam, bewegt den Bauunternehmer auch nach einigen Tagen Abstand. "Das kleine Tal muss ein Meer gewesen sein", sagt Bergmann. Er spricht von unterspülten Straßen und weggerissenen Brücken. Von Betonpfeilern, die wie Denkmäler im Flussbett der Ahr stehen. Und von verbliebenen Hausfundamenten als Zeugnis der Naturgewalt, die ganze Gebäude mit sich riss.

Als Helfer seit Beginn der Katastrophe im Ahrtal

Peter Kirchhoff lebt seit einem halben Jahr in diesem Ausnahmezustand. "Ich bin seit Tag Eins hier vor Ort", sagt der Saarbrückener, der Hilfslieferungen wie jene aus dem Haßbergkreis koordiniert. Kirchhoff ist Bergmanns Kontaktperson ins Krisengebiet. Der 55-jährige Transportunternehmer und Baustoffhändler weiß, was die Menschen aus Marienthal und Dernau benötigen, die ihre zerstörten Häuser wieder aufbauen. "Wir lagern und katalogisieren die Spenden nicht nur, sondern schauen vor Ort, was in den einzelnen Gebäuden wann gebraucht wird. So verteilen wir alles bedarfsgerecht", erklärt Kirchhoff am Telefon. 

Ein Anblick, wie er im Ahrtal häufig zu sehen ist: Nur das Fundament erinnert noch daran, dass hier einst ein Haus stand. 
Foto: Werner Bergmann | Ein Anblick, wie er im Ahrtal häufig zu sehen ist: Nur das Fundament erinnert noch daran, dass hier einst ein Haus stand. 

Seine Zentrale für den Wiederaufbau: Ein provisorisch hergerichtetes Haus, in dem drei Menschen durch die Fluten ums Leben kamen, erzählt er. 16 Betten für Helferinnen und Helfer stehen darin inzwischen bereit. In drei Seecontainern lagern die Baumaterialien. Um ihn herum: noch immer Zerstörung. Denn der Wiederaufbau geht nur schleppend voran. "Ohne unbürokratische Hilfslieferungen wären wir hier verloren", sagt Kirchhoff. Von staatlicher Seite komme zu wenig. "Und das, was kommt, ist bürokratisch und kompliziert."

Peter Kirchhoff: "Alle sind hier am Limit - auch seelisch"

Und auch ein anderes Problem bremse den Wiederaufbau aus, ein Relikt der Fluten: die Feuchtigkeit im Gemäuer der Gebäude. "Wir müssen die Häuser erst trockenlegen, bevor es weiter geht", sagt Kirchhoff. Die Stromversorgung alleine sei dafür nicht ausreichend. Die Menschen befeuern nun deshalb Kaminöfen mit Holz, um den Prozess zu beschleunigen. Doch das Leben im andauernden Ausnahmezustand hinterlässt Spuren: "Alle sind hier am Limit - auch seelisch", erklärt Kirchhoff. Er koordiniert nicht nur Hilfsgüter, er spendet auch Trost, spricht Mut zu. "Man ist hier auch Seelsorger, ja."

Dankbarkeit an die Helfer im Krisengebiet, verewigt auf einer Hauswand in der Ahrgemeinde Dernau. 
Foto: Werner Bergmann | Dankbarkeit an die Helfer im Krisengebiet, verewigt auf einer Hauswand in der Ahrgemeinde Dernau. 

Doch es gibt auch positive Entwicklungen, von denen Kirchhoff erzählt: So entstünden gerade professionelle Strukturen in Form einer gemeinnützigen GmbH. Die soll künftig Annahme, Vergabe und Lagerung von Baumaterialien noch effektiver koordinieren. Doch nicht nur auf Sachspenden sind die Menschen vor Ort angewiesen. "Wir suchen händeringend Fachkräfte", sagt er - und listet auf: Elektriker, Verputzer, Dachdecker, Fensterbauer. Kirchhoff ist sich sicher: "Ohne uns würde hier gar nichts laufen."

Mit "uns" meint der Saarbrückener auch Menschen wie Werner Bergmann. Der erzählt auch Tage nach der Fahrt in das Krisengebiet von der Dankbarkeit, die ihm als Helfer im Ahrtal widerfuhr. "Als wir die Laster abgeladen haben, fuhr ein normaler Linienbus auf der Straße vorbei. Die Menschen darin haben alle geklatscht. Das Gefühl ist für mich kaum in Worte zu fassen", sagt Bergmann. Er will diese Dankbarkeit nicht für sich alleine. "Die geht an alle Menschen, die hier in den letzten Tagen und Wochen mitgeholfen haben."

 
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