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Dörflis
Bauern-Kundgebung: "Die Existenz Dutzender Höfe im Haßbergkreis steht auf dem Spiel"
Fleischerzeugung und Tierwohl: Die Landwirte kritisieren bei Kundgebung in Dörflis, dass die Discounter Millionen Euro für Anzeigen ausgeben, aber nicht bereit sind, ihnen mehr zu zahlen.
Blick in einen Schweinestall: Bei Markus Schmitt in Dörflis sind die Tiere teilweise auch im Außenbereich untergebracht.
Foto: Günther Geiling | Blick in einen Schweinestall: Bei Markus Schmitt in Dörflis sind die Tiere teilweise auch im Außenbereich untergebracht.
Günther Geiling
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:42 Uhr

Eigentlich sollte die Kundgebung vor dem Aldi-Markt in Haßfurt stattfinden, aber hierfür erhielten die Landwirte keine Genehmigung. Ihren Frust brachten sie dennoch zum Ausdruck, bei Schweinehalter Markus Schmitt in Dörflis. Und darum ging es am Samstag um die Mittagszeit: "Im Lebensmittel-Einzelhandel gehen die Preise nach oben und unsere Erzeugerpreise sind gesunken. Gleichzeitig will man einen Umbau in Tierwohl, ist aber nicht bereit, den Landwirten dafür einen Kostenausgleich zu gewähren." Gastgeber Markus Schmitt fand kritische Worte zu den gegenwärtigen Anzeigenkampagnen der Lebensmitteldiscounter, die sich dem Tierwohl hinwenden wollen.

In der Werbung und in den Medien inszenierten sich Discounter wie Aldi mit Slogans wie "Tierwohl ist eine Frage der Haltung", als wären sie Hüter und Unterstützer von Tierwohl in der Landwirtschaft, ärgerte sich nicht nur Markus Schmitt. Viele Bauernfamilien sind wütend und enttäuscht, denn die Discounter sind ihrer Meinung nach nicht dazu bereit, den Landwirten dafür auch einen Kostenausgleich einzuräumen.

Der 38-jährige Markus Schmitt hat in seinem Betrieb 100 Zuchtsauen mit anschließender Schweinemast von rund 600 Schweinen. "Unsere gesetzlichen Standards sind jetzt schon die höchsten in der Welt, aber jetzt will man die Standards noch höher heben, ist aber nicht bereit, dafür auch den Preis zu zahlen. Viele Landwirte wären bereit zu Verbesserungen, wenn sie es bezahlt bekommen."

Bild 1: Schweinemäster Markus Schmitt (rechts) und BBV-Kreisobmann Klaus Merkel (links) zeigen die Diskrepanz zwischen dem Erzeugerpreis und Verbraucherpreis deutlich auf.
Foto: Günther Geiling | Bild 1: Schweinemäster Markus Schmitt (rechts) und BBV-Kreisobmann Klaus Merkel (links) zeigen die Diskrepanz zwischen dem Erzeugerpreis und Verbraucherpreis deutlich auf.

"Der Slogan ,Tierwohl muss nicht mehr kosten' passt einfach nicht", kritisierte Markus Schmitt und legte Zahlen vor. Die afrikanische Schweinepest habe sich nur geringfügig ausgewirkt, aber durch Corona sei der Schweinemarkt eingebrochen, nicht zuletzt auch durch das Ausfallen vieler Feste und Veranstaltungen sowie die Rückgänge in der Gastronomie. "Man bekommt jetzt rund 1,20 Euro pro Kilo Schweinefleisch, bräuchte aber 1,50 bis 1,55 Euro, um in Richtung der Gewinnzone zu kommen. Wenn noch die Haltungsstufen 3 und 4 dazukämen, müsste man eigentlich von einem Preis von 170- 1,80 Euro reden dürfen." Tatsache sei aber, dass in den letzten Jahren die Verbraucherpreis stetig gestiegen seien, aber die Erzeugerpreise außer geringen Schwankungen gesunken seien.

BBV-Obmann Merkel: Handelskonzerne stellen Bauern vor vollendete Tatsachen

Auch BBV-Kreisobmann Klaus Merkel betonte, dass die Handelskonzerne Bäuerinnen und Bauern einmal mehr vor vollendete Tatsachen stellen und damit die regionale Landwirtschaft gefährden. "Die Standards in Sachen Tierwohl steigen. Doch die Frage, wer die damit verbundenen Kosten trägt, ist offen. Die Existenz Dutzender Höfe im Landkreis Haßberge steht damit auf dem Spiel. Wir wollen einen Aufschlag für Tierwohl und wollen, dass der auch bei den Bauern ankommt. Die Discounter wollen das nicht zahlen, geben aber Millionen für Anzeigen aus."

Schweinemäster Markus Schmitt sagte, dass auch konventionelle Landwirte schon über die bisherigen Standards und Gesetzesvorgaben hinausgingen. Trotzdem blieben sie vielleicht in der Haltungsstufe 2, weil sie die Bedingungen für die höheren und von den Discountern geforderten Kategorien noch nicht zu 100 Prozent erfüllten. Ihr Problem: Aldi hat angekündigt, ab dem Jahr 2030 Frischfleisch nur noch aus den Haltungsstufen 3 und 4 beziehen zu wollen. Stufe 4 ist die Premiumkategorie, hier haben die Tiere den meisten Platz, sie erleben Außenklima und haben die besten Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Hof von Markus Schmitt hat den "unteren Stall" im Jahr 1990 errichtet, den "oberen" erst 2014.  "Nun sollen schon wieder neue Standards umgesetzt werden, die gar nicht in das jetzige Gebäude reinpassen, um die Vorgaben in 5 Jahren zu erreichen."

Höfe wollen Planungssicherheit für 15 bis 20 Jahre

BBV-Kreisobmann Klaus Merkel forderte eine Planungssicherheit für die Betriebe, die mindestens auf 15 bis 20 Jahre ausgerichtet sein müsse. Alles andere sei Harakiri für die Bauern. "Kein Industrieunternehmen würde das umsetzen können." Markus Schmitt sprach von einem Investitionsvolumen von rund 300 000 Euro, würde er seinen Betrieb auf Bio umstellen. Dabei wisse man dann noch nicht, ob nicht schon bald wieder neue Auflägen kämen.

So wolle man auch den Verbraucher mit Aktionen auf diese Zusammenhänge aufmerksam machen. Angekündigt wird nämlich auch, dass keine Frischmilch mehr aus Haltungsform 1 verkauft werden soll. Betroffen wären davon die kleinere Milchbauern im Landkreis und in ganz Süddeutschland.

 
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  • g. r.
    Welcher Wirtschaftszweig kann schon bei seinen Kunden Garantien für Investitionen einfordern? Unternehmer, die bei geänderten Marktbedinungen nicht aufgeben möchten, haben einfach Chancen und Risiken für Investitionen abzuwägen und die Risiken zu tragen.

    Übrigens landet 1/3 der Schweine im Abfall, ein weiteres Drittel im Export und nur etwa ein Drittel im Lebensmittelmarkt und davon nur 1/4 bei Aldi.

    Nachdem mithilfe günstigem Sojaimport viel zuviel Schweine in Deutschland gemästet werden, ist es vernünftig, wenn ein Teil der Schweinehalter aufgibt und der Rest einen ehrlichen Preis bekommt.
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  • H. E.
    Richtig. Haben Sie das notwendige Grundwissen über unsere Landwirtschaft ? Der überbordende Bürokratismus verbunden mit hohen Auflagen, welche bisher nur bei uns in Deutschland bestehen und umgesetzt werden müssen verhindern eine Chancengleichheit. Wenn man möchte, dass Schweine so gehalten werden sollen, müsste dies auch in den anderen EU-Ländern der Fall sein. Ist es aber nicht. Höhere Qualität muss auch einen höheren Preis beinhalten. Oder bekommen Sie zum Beispiel ein Auto mit weniger Ausstattung und niedrigerem Standard zum gleichen Preis wie zum Beispiel einen BWM oder Porsche ? Warum beenden denn aktuell so viele Schweinehalter ihre Produktion ? Ist dann wahrscheinlich den Deutschen egal wie Schweine dann aus Russland oder China produziert werden. Hauptsache billig. Alles ist teurer geworden nur die Lebensmittel wurden in den letzten Jahren immer günstiger. Man möchte höhere Qualität zu einem immer niedrigeren Preis - das funktioniert so nicht. Soja ist aktuell auch sehr teuer.
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  • g. r.
    Bin Landwirt! Hört auf mit eurem ewigen Gejammere, liefert was Aldi verspricht und baut Futtermittel wieder selbst an. Masse abliefern läuft nicht mehr. Schimpfen gegen Konkurenz ist erlaubt aber nicht auf Kunden.
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  • G. B.
    Ich finde die tierfrrundlicheren Vorgaben gut und wichtig. Die Anbieter würden es sonst nicht umsetzen.
    Millionen für Anzeigen.
    Das kann ich verstehen.
    Werbung ist teuer.
    Keine Werbung ist noch teurer.

    Und: auch die Bauern kaufen da ein, wo es billiger ist. Oder interessieren sich die Bauern, ob das Kraftfutter nachhaltig erzeugt ist und die sozialen Standards eingehalten worden sind?
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