Mit Spannung warteten die rund 60 Gäste auf den hohen Besuch, der am Samstag bei den Maroldsweisacher Genossen im Saal der Brauerei Hartleb erwartet wurde. Der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende und Vizekanzler Franz Müntefering hatte sich angekündigt, um an der Feierlichkeit zur Ernennung von Susanne Kastner als Ehrenmitglied im Vorstand des SPD-Kreisverbandes Haßberge teilzunehmen.
Verspätung wegen Zugausfällen
Der SPD-Ortsverein Maroldsweisach hatte Glück, dass er schon frühzeitig den Bundespolitiker eingeladen hatte. Zeitgleich mit der Ehrung wurde nämlich in Bochum der Wahlkampf mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz eröffnet. Müntefering hielt jedoch an seiner Zusage fest, in den Landkreis Haßberge zu kommen, wenn er auch mit über einer Stunde Verspätung eintraf. Schuld daran waren Zugausfälle bei der Deutschen Bahn. Schließlich holte René van Eckert, der Kreisvorsitzende der SPD Rhön-Grabfeld, den Gast am Bahnhof in Fulda mit dem Auto ab und chauffierte ihn in die Marktgemeinde.
"Ich war bekannt im Ort als kleiner Klugscheißer", sagte Müntefering als er von den Anfängen seiner politischen Karriere berichtete. In seinen jungen Jahren setzte sich der Sauerländer schon früh für die Belange in seinem Heimatort ein. Als dann die SPD in den 1960-er Jahren bei der Bundestagswahl erneut verlor, fasste Müntefering den Entschluss "Ich mach jetzt mit" und trat der SPD bei. 1975 wurde er schließlich als Nachrücker das erste Mal in den Bundestag gewählt und war dort bis 1992 Abgeordneter, wie er erzählte. Danach war Müntefering Landtagsabgeordneter und drei Jahre Arbeitsminister im Kabinett von Johannes Rauh in Nordrhein-Westfalen, ehe er 1998 erneut in den Bundestag einzog und im Kabinett von Angela Merkel 2005 Vizekanzler wurde.
Müntefering erinnert sich an gemeinsame Jahre
1989 kam es zu Münteferings erstem Kontakt mit Susanne Kastner, als diese als Nachrückerin für die Abgeordnete Anke Martiny, damals noch in Bonn, Mitglied des Bundestages wurde. Als er das zweite Mal in den Bundestag zurückkehrte, war Susanne Kastner bereits eine feste Größe in der SPD, erklärte Müntefering. Deshalb sei es 1998 auch keine Frage gewesen, die engagierte Maroldsweisacherin zur parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion zu ernennen. Der Höhepunkt in der politischen Laufbahn Kastners folgte 2002, als sie zur Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages wurde und sieben Jahre das hohe Amt innehatte. Bei der Wahl 2013 trat die ehemalige Religionslehrerin nicht mehr an.
Susanne Kastner: Ein großes Glück für die SPD
Mit "Weitsicht, Gerechtigkeitssinn und Resolutheit" ist Susanne Kastner ein großes Glück für die SPD gewesen, sagte SPD-Kreisvorsitzende Johanna Bamberg-Reinwand, die der 74-Jährigen die Auszeichnung überreichte. Kastner, die auch an der Spitze des Ortsvereins Maroldsweisach steht, war zwar auch Mitglied im Landes- und Bundesvorstand der Partei, aber nie Vorsitzende des Kreisverbandes Haßberge. Deshalb habe man den Weg gewählt, Susanne Kastner zum Vorstandsmitglied ehrenhalber zu ernennen, wie Bamberg-Reinwand sagte.
"Begeisterungsfähigkeit ist ihr Leitbild", beschrieb die Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar die Jubilarin. Sie könne sich noch gut daran erinnern, als damals bei der Nominierung Kastners die Zeitungen "Religionspädagogin tritt an" titelten. Bereits als kleines Mädchen war Dittmar ein Fan der Maroldsweisacherin, die sich seinerzeit durch die Forderung einer Ampel für einen sicheren Schulweg in ihrer Heimatgemeinde erstmals kommunalpolitisch betätigte.
Auch Susanne Kastner durfte als Vorsitzende des Ortsvereins Ehrungen vornehmen. Seit zehn Jahren ist ihr Ehemann Helmut Kastner Parteimitglied, während Ralf Beck, Petra Erhardt, Peter Pratsch, Günter Reß, Bernd Schobert und Mario Werres schon 25 Jahre der SPD treu sind. Mit einer Parteizugehörigkeit von stolzen 65 Jahren übertrifft Maroldsweisachs Altbürgermeister Ottomar Welz sogar Franz Müntefering, der "erst" 55 Jahre Mitglied ist. Susanne Kastner hob die Verdienste des 86-Jährigen hervor, den sie auch als ihren Mentor bezeichnete. Von 1972 bis 1996 wirkte Ottomar Welz über zwei Jahrzehnte als Bürgermeister von Maroldsweisach zum Wohle der Allgemeinheit. Recht hatte er vor langer Zeit mit seiner Aussage: "Susanne, Du schaffst es in den Bundestag!"