Insgesamt 71 Organisationen fordern deutsche Stadtwerke auf, aus dem umstrittenen Verband "Zukunft Gas" auszutreten. Hinter der gemeinsamen Pressemitteilung stehen große Namen wie LobbyControl, Greenpeace, Campact oder das Umweltinstitut München. Auch das Stadtwerk Haßfurt ist Mitglied bei "Zukunft Gas" – und werde das auch bleiben, so lange es keine vernünftige Alternative dazu gibt, erklärt Geschäftsführer Norbert Zösch im Gespräch mit dieser Redaktion.
Anfang des Jahres war erstmals Kritik an vielen kleinen deutschen Energieversorgern laut geworden: Sieht man sich auf der Internetseite des Verbandes "Zukunft Gas" die Mitgliederliste an, taucht dort insgesamt 49 Mal das Wort "Stadtwerke" beziehungsweise "Stadtwerk" auf – neben Großkonzernen wie Shell oder Wingas, die vor allem für fossile Energieträger bekannt sind.
Lobbyarbeit für Erdgas oder Beratung für die Energiewende?
Auf der Internetseite correctiv.org erschien im Februar ein Artikel, der zum Ergebnis kommt: Bei "Zukunft Gas" handle es sich um eine Organisation der Erdgaslobby. Stadtwerke, die dort Mitglieder sind, würden daher zum einen durch ihre Mitgliedsbeiträge die fossile Energiegewinnung mitfinanzieren. Zum anderen – und das sei das weitaus größere Problem – würden sie sich vor den Karren der Erdgaslobby spannen lassen, die sich durch die Mitgliedschaft der Stadtwerke in ein besseres Licht rücken könne.
"Zukunft Gas macht Lobbyarbeit für Erdgas im Auftrag der großen fossilen Konzerne", schreibt Nina Katzemich von LobbyControl auf Anfrage dieser Redaktion. Norbert Zösch sieht das anders: "Die haben sich die Transformation fest auf die Fahne geschrieben", betont der Stadtwerksleiter. Denn auch den Großkonzernen sei klar, dass Erdgas ein Auslaufmodell sei und dass sie, wenn sie eine Zukunft haben wollen, auf neue Technologien umsteigen müssen. "Die sind ja nicht blöd."
Nichts geht ohne Informationen
Zösch betont, für ihn sei "Zukunft Gas" vor allem eine Austauschplattform, um wichtige Informationen zu erhalten. Die brauche das Stadtwerk Haßfurt vor allem, wenn es um das Thema Wasserstoff gehe. Denn der spielt nach Zöschs Einschätzung eine wichtige Rolle bei der Energiespeicherung – einer der größten Herausforderungen, wenn die Energiewende gelingen soll. Daher gehört Haßfurt zu den ersten Orten der Welt, an denen eine der dafür nötigen Power-to-Gas-Anlagen im Realbetrieb läuft.
"Jede Technik hat am Anfang ihre Schwächen", sagt Zösch. Und eben da habe ihm "Zukunft Gas" weitergeholfen. "Das sind Informationen, an die kämen wir sonst nicht so einfach ran." Dabei sehe er auch, dass die kleinen Stadtwerke ein Stück weit als "Feigenblatt" der Großindustrie herhalten. "Aber ich kann mir die Partner nicht immer aussuchen", sagt er. "Vielleicht ist es traurig, dass man Shell und die Großen braucht, um die neue Technik zu finanzieren." Aber er sehe das pragmatisch. "Das eine ist die reale Welt, das andere ist die ideale Welt."
Hat "Zukunft Gas" die Energiewende ausgebremst?
Die Organisationen, die den Austritt von Stadtwerken aus dem Lobbyverband fordern, sehen das anders. Der Verband habe lange die Energiewende ausgebremst. "Er inszeniert fossiles Erdgas mit immer neuen 'Framings' als Teil der Energiewende", heißt es von LobbyControl. So propagiere die Lobbyorganisation die Umstellung auf Wasserstoff nur, um "das fossile Geschäft mit dem Erdgas noch so lange wie möglich aufrechtzuerhalten".
Norbert Zösch kritisiert hingegen, dass es sich bei diesen Aussagen lediglich um Verdachtsmomente handle. "Wenn LobbyControl und andere einen Verdacht haben, dann sollen sie den belegen", sagt er. Seine Erfahrung mit dem Verband sei eine andere. "Ich bin auch ein bisschen in der Zwickmühle", betont Zösch. Immerhin wolle er niemanden unterstützen, der weiter auf fossile Energieträger setzt. Gleichzeitig gehe es aber nicht ohne Vernetzung. Und da sei "Zukunft Gas" nun einmal "einer der kompetentesten Ansprechpartner".
Austritt wird erst möglich, wenn es Alternativen gibt
Wer fordere, dass Stadtwerke in einer solchen Organisation keine Mitglieder sein dürfen, müsse auch dafür sorgen, dass diese andere Möglichkeiten zur Vernetzung bekommen. "Ich trete dann gerne aus, wenn eine Alternative da ist", betont Zösch. Doch die gebe es momentan noch nicht. "Wer hilft uns dann weiter?", fragt der Stadtwerksleiter. Im Notfall müsse eine staatliche Organisation einspringen.
Dennoch: Einige andere Stadtwerke haben "Zukunft Gas" den Rücken gekehrt. "Im Juni wurde öffentlich, dass binnen eines Jahres 15 Stadtwerke den Lobbyverband verlassen haben. Seitdem haben mehrere weitere Stadtwerke ihren Austritt angekündigt oder vollzogen", heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung der unterzeichnenden Organisationen. Diese zitieren in dem Schreiben auch aus der Schleswig-Holsteinischen Zeitung, und zwar Wilhelm Schulz, den Geschäftsführer der Stadtwerke Tornesch. Seiner Begründung der Kündigung "Die machen nichts anderes, als Gas schönzureden" steht die Überzeugung von Norbert Zösch entgegen: "Ich sehe da niemanden, der zurück zum Erdgas will."