Leonardo quiekt vor Vergnügen und strahlt mit den bunt blinkenden Vorderrädern seines Rollstuhls um die Wette. Mit sieben anderen Kindern tobt er durch die Turnhalle in Augsfeld und versucht, mit einer Papprolle in der Hand einen Luftballon in der Luft zu halten und einem anderen Kind zuzuspielen. Die EISs-Turnstunde ist in vollem Gange und alle in der Halle haben Spaß. "Das ist erstmal das Wichtigste an unserem Angebot, dass Kinder mit und ohne Behinderung Spaß haben", erklärt Sandra Hofmann den Ansatz von "Erlebte Inklusive Sportschule EISs", die es seit einigen Wochen in Augsfeld gibt.
EISs ist ein Projekt des Behinderten- und Rehabilitationssportverbandes Bayern, der auch die Anschaffung von Arbeitsmaterialien fördert. Ziel ist es, Kindern mit und ohne Behinderung ein Sportangebot zu machen, ohne dass der Leistungsgedanke im Vordergrund steht. Vielmehr werden Bewegungserfahrungen gefördert. Voraussetzung für ein solches Angebot sind qualifizierte Übungsleiterinnen und Übungsleiter. "Und da sind wir wirklich gut aufgestellt im Verein", freut sich Diethard Konrad. Der langjährige Vorsitzende des Vereins hütet heute die Kasse, aber die Sportgruppen liegen dem einstigen Sportlehrer noch heute am Herzen.
Klassisches Turnen und Leichtathletik, das waren früher die Stärken des TV Augsfeld. "Aber die Zeiten sind lange her, solche Angebote ziehen keine jungen Leute mehr an." Der TV Augsfeld hat sich deshalb neu und breiter aufgestellt. Einmal im Monat gibt es beispielsweise das Abenteuer-Turnen. Für eineinhalb Stunden wird die Turnhalle mit Großgeräten zum Indoor-Spielplatz.
Übungsleiter mit Zusatzqualifikationen
Daneben ist der Verein im Bereich Reha-Sport und Therapie extrem gut aufgestellt. Wie Sandra Hofmann haben auch viele andere Übungsleiter Zusatzqualifikationen. Von Haus aus ohnehin Sportlehrerin, hat Hofmann den Übungsleiter in Orthopädie, Neurologie und sie ist Motopädin. Auch Kolleginnen und Kollegen sind teils von Beruf schon Therapeut oder Krankenschwester und haben Zusatzausbildungen als Übungsleiter. Dank dieser Qualifikationen gibt es beim TV Augsfeld allein fünf Gruppen in Psychomotorik – ein Angebot, für das Eltern andernorts sehr weit fahren. Ab 1. Dezember gilt die Zulassung für Reha-Sport im Bereich Orthopädie. Der Seniorensport, die Aerobic-Gruppe, die Damengymnastik und das Eltern-Kind-Turnen sind Dauerläufer.
Rauskommen und austoben
Und jetzt gibt es EISs. Geübt werden hier Motorik und Gleichgewicht, aber vor allem auch soziales Miteinander, Rücksichtnahme und Anerkennung der Fähigkeiten und Beeinträchtigung anderer. Die Eltern waren begeistert von diesem Angebot. Genau wie Diethard Konrad: "Die Kinder sind von dieser Corona-Situation ganz schlimm betroffen, da muss man jede Gelegenheit bieten, dass sie mal rauskommen und sich auch austoben können". Deshalb wollen Sandra Hofmann und ihre Kollegin Johanna Peter die Stunden so lange ermöglichen, wie es angesichts der Zuspitzung der Situation im Landkreis zu verantworten und zulässig ist.
Als Mama Christin Leandro und seinen Bruder abholt, strahlen alle drei. "Eine normale Turngruppe wäre für Leandro nicht möglich gewesen", denn der kleine Rolli-Fahrer ist zudem hyperaktiv und braucht qualifizierte Anleitung. Das ist bei EISs gewährleistet, zu den beiden Übungsleiterinnen gesellt sich normalerweise noch eine angehende Erzieherin aus der Fachakademie für Sozialpädagogik.
Verein hofft auf Fördergelder
Dass die Halle in Augsfeld über eine Rampe barrierefrei zu erreichen ist, war eine der Voraussetzungen für eine EISs-Gruppe. Wenn jetzt einige Stunden gelaufen sind, wollen die Verantwortlichen vom TV Augsfeld einen offiziellen Antrag beim Verband stellen. Sie könnten dann eine jährliche Förderung durch das Bayerische Staatsministerium des Innern und für Integration erhalten. Die EISs-Stunden finden freitags von 17 bis 18 Uhr statt. Bis zu 15 Kinder können eine Gruppe bilden.
Anmeldung bei Sandra Hofmann unter Tel. (09536) 921877.