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Haßfurt
Amtsgericht Haßfurt: Bauunternehmer muss für scheinselbstständigen Arbeiter bluten
Er hatte einen Mann aus dem Ausland beschäftigt, der erst nicht, dann aber doch als "scheinselbstständig" galt. Das kommt den Bauunternehmer teuer zu stehen.
Weil er einen Arbeiter (Symbolbild) scheinselbstständig beschäftigte, musste sich ein 59 Jahre alter Bauunternehmer aus dem Landkreis Haßberge vor Gericht verantworten. 
Foto: Oliver Berg/dpa | Weil er einen Arbeiter (Symbolbild) scheinselbstständig beschäftigte, musste sich ein 59 Jahre alter Bauunternehmer aus dem Landkreis Haßberge vor Gericht verantworten. 
Manfred Wagner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:32 Uhr

Sein ganzes Leben lang, beteuerte der 59-jährige Bauunternehmer aus dem Landkreis Haßberge, habe er sich an Recht und Gesetz gehalten. Nie habe er etwas verheimlicht. Deshalb fühlte er sich in seinem Stolz verletzt, als das Amtsgericht in der Kreisstadt ihn zwar nicht verurteilte, aber das Verfahren wegen Scheinselbständigkeit mit einer 9000-Euro-Auflage einstellte.

Obwohl er aus seiner Sicht nichts verkehrt gemacht hatte, rieten ihm der Staatsanwalt und sein Verteidiger Alexander Wessel dringend dazu, in den sauren Apfel zu beißen und das anhängige Strafverfahren auf diese Weise zu beenden.

Der Arbeiter war Befehlsempfänger

Mittels der Anklageschrift verlas der Staatsanwalt die Vorwürfe. Demnach hatte der Firmeninhaber von August 2011 bis zum Mai 2016 einen slowakischen Arbeiter mit Montagearbeiten mit einem Stundensatz beschäftigt, obwohl dieser über keine eigenen Betriebsmittel und Werkzeuge verfügte und auf die Anweisungen des Angeklagten hin tätig gewesen sei.

Dadurch seien der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung Beiträge von fast 50 000 Euro vorenthalten worden, so die Anklage. Gestützt auf diesen Vorwurf erließ die Staatsanwaltschaft im September 2019 einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 18 000 Euro gegen den 59-Jährigen. Da dieser mit Hilfe seines Anwaltes dagegen Einspruch einlegte, kam es nun zu der öffentlichen Hauptverhandlung.

Im ersten Moment schien alles im Rahmen zu sein

Im Kern des Verfahrens ging es um das sogenannte "Entsendegesetz". Dieses EU-Gesetz regelt, unter welchen Bedingungen eine Person in einem anderen europäischen Land arbeiten darf. Stark vereinfacht gesagt, muss ein selbstständig Erwerbstätiger bei einer Tätigkeit in einem anderen EU-Staat eine ähnliche Tätigkeit wie in seinem Heimatland ausüben. Die zuständigen nationalen Sozialbehörden erstellen auf Antrag eine entsprechende Bescheinigung, mit deren Hilfe der Betreffende im EU-Ausland auf selbstständiger Basis arbeiten kann.

Im vorliegenden Fall arbeiteten insgesamt 13 Slowaken für den Unternehmer. Alle hatten eine solche Bescheinigung der zuständigen slowakischen Behörde, durften mithin selbständig tätig sein und mussten vom Angeklagten nicht als abhängig Beschäftigte angemeldet werden.

In der Slowakei änderten sich die Bedingungen für den Arbeiter

Als nach einiger Zeit die slowakische Behörde die Sachlage in allen 13 Fällen überprüfte, wurden bei zwölf Personen die ursprünglichen Bescheide bestätigt, aber bei einem der Slowaken wurde die Genehmigung widerrufen. Ab diesem Zeitpunkt hätte der beschuldigte Bauunternehmer diese eine Person als regulär Beschäftigten bei der deutschen Sozialversicherung melden müssen.

Rechtsanwalt Wessel argumentierte, dass sein Mandant diese veränderte Situation nicht habe erkennen können. Auch Amtsgerichtsdirektor Christoph Gillot, der das Verfahren leitete, bestätigte, dass die einzelnen EU-Staaten "unterschiedliche Maßstäbe" anwenden würden, wenn entschieden werde, ob eine Tätigkeit selbständig sei oder nicht. Allerdings habe in Deutschland jeder Arbeitgeber die Möglichkeit, sich an den Zoll oder die Staatsanwaltschaft mit der Frage zu wenden, wie der Status einer Beschäftigung einzuordnen sei.

Der Angeklagte bezahlt die offenen Beträge in Raten

Wie der Anwalt weiter erklärte, habe der Angeschuldigte zwischenzeitlich mit der Krankenkasse vereinbart, die säumigen Sozialversicherungsbeiträge in einer Ratenzahlung von 2500 Euro pro Monat zurückzubezahlen.

Die nun ergangene Auflage von 9000 Euro muss zusätzlich binnen eines halben Jahres überwiesen werden. Die Hälfte des Geldes erhält der Caritasverband Haßberge, die andere Hälfte die Staatskasse. Der Vorsitzende erläuterte gegen Ende der Verhandlung mit Blick auf den etwas unzufrieden wirkenden Mann: "Eine Einstellung mit Auflage ist kein Schuldspruch!"

 
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