Noch Jahre nach Kriegsende zeugten in vielen Gemeinden des heutigen Haßbergkreises zahlreiche Ruinen von den Bombardierungen und Artilleriebeschüssen. 450 Gebäude, darunter etwa 70 Wohnhäuser, waren während des Krieges im damaligen Kreis Haßfurt völlig zerstört worden. 380 landwirtschaftliche Gebäude und 280 Wohnhäuser hatten schwere oder leichtere Schäden erlitten. Zerbombt war auch das Kugelfischer-Werk in Eltmann. Knapp 60 Prozent der Zerstörung erstreckte sich auf das Gebiet des Maintales.
Besonders betroffen waren Stettfeld, Ebelsbach, Eltmann, Zeil, Prappach, Haßfurt, Hainert, Römershofen, Westheim und Wülflingen. Außerdem waren kurz vor Kriegsende von einem Sprengkommando die drei Mainbrücken bei Eltmann, Zeil und Haßfurt in die Luft gejagt worden.
Wiederaufbau
Zu den ersten Maßnahmen nach Kriegsende gehörte der Wiederaufbau der zerstörten landwirtschaftlichen Anwesen. Für die Militärregierung hatte hingegen die Instandsetzung der Straßen oberste Priorität. Die ganze Bevölkerung half mit, auf den Straßen und Wegen die Schuttberge zu beseitigen. Dabei wurden auch deutsche Kriegsgefangener aus dem amerikanischen Gefangenenlager in Ebelsbach eingesetzt.
Mit zu den ersten Maßnahmen der Militärregierung zählte allerdings die Bildung von sogenannten Beiräten in den Gemeinden. Diese sollten aus früheren Kommunalpolitikern bestehen, die 1933 von den Nazis ihrer Ämter enthoben worden waren. Als Landrat setzten die Amerikaner am 2. Mai 1945 Freiherr Jobst von Zanthier aus Schmachtenberg ein. Der Baron musste mit den Amerikanern von Dorf zu Dorf fahren, um die Nicht-NSDAP-Mitglieder zusammenzurufen und von ihnen einen neuen Bürgermeister wählen zu lassen. Die Kandidaten wurden größtenteils auf Bauernhöfen, in Werkstätten und oft auch auf dem Feld aufgestöbert und zu vorläufigen Bürgermeistern ernannt.
Entnazifizierung
Die überall zu sehenden Nazisymbole waren den Amerikanern natürlich ein Dorn im Auge und sollten entfernt werden. Bei der Einweihung eines Kriegerdenkmals in Wülflingen kam es zu einem Vorfall, der den Beteiligten einen Tag hinter Gittern einbrachte. Zwei Ministranten erschienen in der schwarzen Panzeruniform der einstigen Wehrmacht, zwei andere standen in feldgrauer Uniform und Stahlhelm Ehrenwache am Denkmal. Weil der damalige Bürgermeister Franz Ankenbrand nicht einschritt, zog man auch ihn zur Verantwortung. Auf dem erwähnten Gefallenenehrenmal ließ man ursprünglich auch den Namen eines wegen Fahnenflucht erschossenen Wülflingers einmeißeln. Dass dieser Mann unter den "Helden" aufgeführt wurde, missfiel einigen Einwohnern. In einer Nacht- und Nebelaktion entfernten sie den Namen.
Das schwerste Problem, das die Landräte und Bürgermeister der ersten Nachkriegsjahre zu lösen hatten, war die Unterbringung der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen. Diese kamen zumeist am Bahnhof in Ebelsbach an. 1953 zählten die Behörden 7698 Flüchtlinge im Kreis Haßfurt.
Die Integration der Neubürger machte allerdings erfreuliche Fortschritte. 1954 wurde aus Wonfurt gemeldet, dass seit 1945 dort 25 Eheschließungen registriert wurden, bei denen ein einheimischer Partner einen Flüchtling heiratete.
Schülerspeisung
In den ersten Nachkriegsjahren spendeten amerikanische Hilfsorganisationen Lebensmittel für die sogenannte „Schülerspeisung.“ Erstmals erhielten im Winter 1946 in Zeil Kinder täglich einmal eine befristete Speisung durch das Rote Kreuz. Die Stadt Zeil bat später die Bevölkerung, durch Übernahme von Patenschaften oder Leistungen kleinerer Geldbeträge zu ermöglichen, dass Kinder hilfsbedürftiger Einwohner auch weiterhin an der Speisung in der Schule teilnehmen konnten.
Schwarzmarkt und Tauschbörsen
Aber auch auf andere Weise versuchte die Bevölkerung den Mangel zu steuern: es entstanden überall Tauschbörsen. Einige dieser Tauschzentralen wurden zu einer organisierten Form des Schwarzhandels umfunktioniert.
Die Tagblatt-Druckerei in Haßfurt brachte zudem ein Anzeigenblatt mit dem Titel „Anzeigentafel - für die Stadt und den Landkreis Haßfurt“ heraus. Das für zehn Pfennige erhältliche Blatt war ein wichtiges Medium im täglichen Überlebenskampf. Hier wurden zahlreiche und zum Teil kurios anmutende Anzeigen zum Tausch von Waren veröffentlicht: Eheringe gegen Nahrungsmittel, eine frischmelkende Ziege für ein Chaiselonge, ein Paar Läuferschweine gegen Bauholz, ein Kinderwagen gegen einen Handwagen, eine 60 Watt-Glühbirne gegen ein Paar Damenstrümpfe mit Naht.
Ein ausgesprochenes Mangelgut waren nach dem Krieg Glühbirnen. 1946/47 lieferte die Firma Osram 105 Glühbirnen in den Landkreis - natürlich viel zu wenig. Es wundert daher nicht, dass in Ämtern und Betrieben bei Dienstschluss die Birnen aus den Fassungen geschraubt und in Schränken eingeschlossen wurden. 1948 beklagte der Zeiler Stadtrat die mangelhafte Straßenbeleuchtung. Dabei wurde festgestellt, dass an verschiedenen Stellen Birnen gestohlen worden waren.
Im Dezember 1947 riefen Landrat, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Parteien im Kreis Hofheim die Bevölkerung dazu auf, den Flüchtlingen, Ausgebombten, Kriegerwitwen und Waisen beizustehen. Das bevorstehende Weihnachtsfest sollte eine Gelegenheit sein, "allen kleinlichen Zank und Hader des Alltages abzulegen und eine Brücke von Mensch zu Mensch schlagen". Jede Gemeinde war aufgerufen, eine würdige Weihnachtsfeier für die Bedürftigen auszurichten.
Und das, obwohl die Kommunen in dieser Zeit von enormen Schulden geplagt waren. Durch Personaleinsparungen wollte man diesem Dilemma Herr werden. Der Haßfurter Kreisausschuss beschloss 1948 daher die Entlassung von 18 Angestellten. Das Personal der Stadt Zeil verzichtete hingegen auf einen Teil seines Gehaltes, um so Entlassungen anderer Kolleginnen und Kollegen zu vermeiden.
Schweres Gerät der US-Armee
Was ebenso fehlte wie Geld, waren schwere Baumaschinen, um aus den Ruinen wieder eine funktionierende Infrastruktur zu schaffen. Immer wieder halfen deshalb die US-Garnisonen bei Ausschachtungsarbeiten, wenn es um öffentliche Projekte ging. So wie beim Neubau des Kreiskrankenhauses in Haßfurt.
Doch satt wurde die Leid geprüfte Bevölkerung auch davon nicht. Im gesamten Landkreis häuften sich die Diebstähle auf den Äckern. Um eine geordnete Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, sahen sich die Kommunen dazu veranlasst, für diese "Raubzüge" von Feldfrüchten strenge Strafen anzudrohen. Als aber auch diese Maßnahmen den Flurfrevel nicht nennenswert einschränkten, wurden landkreisweit Flursperren von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang verhängt.
Noch lange nach Kriegsende herrschte im Landkreis zudem eine eklatante Wohnungsnot. Wie eng die Menschen lange Zeit zusammenleben mussten, zeigt exemplarisch die Situation in einem Wohnhaus in der Zeiler Speiersgasse. 158 Quadratmeter Wohnfläche mussten sich sechs Familien mit zusammen 23 Personen teilen. Das waren gerade einmal knapp sieben Quadratmeter pro Person.
Rückkehr aus der Gefangenschaft
Noch zehn Jahre nach Kriegsende schmachteten Kriegsgefangene in der Gefangenschaft. Im Sommer 1947 waren einer Statistik des Landratsamtes Haßfurt zufolge 1231 Kriegsgefangene noch nicht wieder zurückgekehrt. Im Sommer 1951 galten noch 1992 Personen als vermisst. Von Juni 1947 bis Juni 1949 trafen insgesamt 659 Heimkehrer im Landkreis ein. Bis September 1951 kehrten noch weitere 210 Leute in den Landkreis zurück. 1955 trafen nach über zehnjähriger leidvoller Haft noch einmal sieben Kriegsgefangene und Zivilinternierte im Landkreis Haßfurt ein.